Symbolbild Vorwort

Vorwort

Semesterbeginn im Schatten des Krieges

Wilhelm Guggenberger

Gerade haben wir ein Semester begonnen, auf das wir uns sehr freuten, weil nach nunmehr zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen ein weitgehend normaler Studienbetrieb in Aussicht steht. Dann aber brachte uns der unsinnige Donnerstag einen unsinnigen Krieg, der jedes Lachen unter unseren FFP2-Masken erstarren ließ.

Seit 122 Jahren kommen regelmäßig Priesteramtsanwärter und Theologen der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche nach Innsbruck, um an unserer Fakultät zu studieren, vielfach im Rahmen des Canisianums, einige Jahre lang auch mit Unterstützung des Redemptoristenordens. Es besteht hier also ein besonders enges emotionales Band. Das lässt uns die Katastrophe des Krieges gegen die Ukraine noch näher rücken; macht Entsetzen und Ratlosigkeit besonders drückend.

Wir hier in Österreich können materielle Hilfe leisten für die Menschen in der Ukraine, wir können alles tun, um Menschen auf der Flucht zu helfen, wir können unsere Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck bringen und beten. Essentiell scheint mir aber auch, dass wir unser Denken und unsere Emotionen nun nicht dem Militarismus preisgeben. Wenn wir uns der Logik ergeben, dass brachiale Gewalt stets siegt, hat Putin einen Triumph errungen, der weit über das Feld der Geopolitik hinausreicht. Darin, gegen diese Logik zu denken und zu argumentieren, scheint mir eine bleibende Aufgabe unserer akademischen Forschung in Philosophie und Theologie gegeben.

Ich habe die größte Bewunderung für alle, die ihr Leben einsetzen, um Freiheit und Menschenrechte für ihr Land zu verteidigen. Aufrüstung kann nun aber doch nicht unser Mittel der Wahl sein. Wir dürfen uns vom devianten Verhalten eines Tyrannen keine weltgeschichtliche Zeitenwende diktieren lassen. Im Grunde ist es unerträglich, wenn gesagt wird, dass nun auch für Europa der Urlaub von der Geschichte seit 1989 vorbei sei und wir zurück in die Realität geholt wurden. Das bedeutet nichts anderes, als den Krieg als zu akzeptierende Normalität anzuerkennen. Wir erklären damit die Nachkriegsweltordnung zur Zwischenkriegszeit, zum Zwischenspiel, das jetzt auf die Müllhalde der Geschichte kann. Ist uns, die wir das Glück hatten, im Frieden aufzuwachsen, dieses Geschenk so wenig wert? Ich will mir die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben der Völker nicht von einem Amok laufenden Regime nehmen lassen. Gerade angesichts der planetaren Herausforderungen, vor denen wir stehen, könnte dies gleichbedeutend sein mit einer Aufgabe der Hoffnung für eine Zukunft der Menschheit.

Wilhelm Guggenberger, Dekan 

 

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