Peter Goller
Bruno Sander II: Bruno Sanders Berufungsgutachten 1928-1956
(
Faksimile im Anhang)

Bruno Sander (1884-1979) wurde an der Universität Innsbruck mit einer Dissertation über die „geologische Beschreibung des Brixner Granits“ 1907 promoviert. Er beteiligte sich früh an den von seinen Innsbrucker Studienfreunden Otto Ampferer und Wilhelm Hammer geleiteten Aufnahmearbeiten im Karwendelgebirge. Ampferer und Hammer leiteten als renommierte Wissenschaftler später die Geologische Bundesanstalt in Wien.

Als Assistent an der Technischen Hochschule in Wien und an der Universität Innsbruck, sowie als Mitarbeiter der Wiener geologischen Reichsanstalt veröffentlichte Bruno Sander Habilitationsarbeiten wie „geologische Studien am Westende der Hohen Tauern“, wie seine Überlegungen „zur Systematik zentralalpiner Decken“ und eine erste gefügekundliche Arbeit über die „Zusammenhänge zwischen Teilbewegungen und Gefüge in Gesteinen“ (1911). 1912 hat sich Bruno Sander in Innsbruck für das Fach Geologie habilitiert. (Vgl. Peter Goller und Gerhard Oberkofler: Mineralogie und Geologie an der Universität Innsbruck 1867-1945, Innsbruck 1990, 31-38)

Ab 1922 war Bruno Sander Professor für Mineralogie und Petrographie an der Universität Innsbruck. 1955 wurde Sander als Begründer einer weltweit verzweigten „Innsbrucker mineralogisch-geologischen Schule“ emeritiert. Sanders „Gefügekunde der Gesteine“ (1930) oder seine „Einführung in die Gefügekunde der geologischen Körper“ (1948) wurden zu internationalen Standardwerken. (Vgl. Hans Wieseneder: Nachruf auf Bruno Sander, in: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1980, 130, Jg., Wien 1981, 315-327). Sanders Innsbrucker Antrittsvorlesung (1922) ist hier gesondert mit einem einleitenden Kommentar im Faksimile online gestellt!

1967 schrieb Bruno Sander in einem Fragebogen des „Instituts für Österreichkunde“ über seine schriftstellerische Tätigkeit als „Anton Santer“. Nur eine literarische Begegnung hielt er für erwähnenswert: „Ludwig von Ficker ist als mein einmaliger Herausgeber zu erwähnen (solange er mein Leser war).“ Auf die Frage nach „Vor- und Leitbildern“ antwortet Sander/Santer: „Dies über meine 84 Lebensjahre zu analysieren fehlt mir wegen Berufsarbeiten die Möglichkeit. Neben ungezählten Begegnungen mit Ergriffenheit ist mir aus meiner Gymnasialzeit die Begegnung mit Stefan George und Baudelaire in besonderer Erinnerung.“

Insgesamt erscheint Sanders öffentlich zugängliches schriftstellerisches Werk als eine Flucht in eine irrational bedrängte Innerlichkeit, jenseits gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, des sozialen Elends. Zur Frage „Welche ‚Inhalte‘ haben Sie am stärksten zur Gestaltung angeregt?“ notiert Sander 1967: „Begegnung des Ödlands als Besinnungsgelegenheit. Begegnung des Zerfalls von Österreich vor, während, nach dem 1. Weltkrieg. Begegnung des Auslands (Bulgarien, Türkei je ca. 1 Jahr). Kriegsdienst ohne Illusionen (Karst 1. Weltkrieg).“

Erika Wimmer hat 2019 die Szene „Bruno & Anton“ gestaltet. Bruno Sander fühlt sich von seinem zweiten Ich „Anton Santer“ angegriffen. Dieses ruft ihm zu: „Es ist noch gar nicht so lange her, da waren wir auf dem Balkan unterwegs, wir waren in Sofia, Belgrad und in Rodope, Bulgarien, in der Türkei sogar. Im Auftrag des Kriegsministeriums haben wir die Lagerstätten dort besichtigt (…). Und dann haben wir schön brav Gedichte über breite Wasser, Vögel und Fische und über dunkelgrüne Eichen in gelben Weizenfeldern geschrieben. Das war entschieden zu wenig!“ Bruno Sander wehrt ab: „Es gibt auch andere Zeilen, schärfere! Wir haben das Grauen in Verse gebannt, haben die grassierende Fäulnis benannt, Hunger und Verdammnis und Tod in Worte gefasst! Und wir haben zu Recht gesagt, dass wir weder Sieg noch Niederlage lieben. Was hat es gebracht?“

An der „Karstfront“ hatte Bruno Sander als „E.F. Oberjäger“ 1916 die Aufgabe: „Feststellung, Untersuchung und Vermessung der Karsthöhlen des Feuerbereiches als Deckungen.“ Von Anfang 1917 „bis Kriegsende als Landsturm-Leutnant-Ingenieur in montangeologischer Verwendung in Bulgarien und in der Türkei. Auffindung und Begutachtung nutzbarer Lagerstätten.“

Ob „Anton Santer“ Bruno Sander diese wichtigen Fragen nach wissenschaftspolitischer Verantwortung gestellt hat, bleibt hier offen, zumal sich in den im Universitätsarchiv Innsbruck verwahrten Materialien kein Hinweis etwa auf ein Nachdenken über die Rolle als Kriegsgeologe findet, allenfalls die zitierte Stelle: „Kriegsdienst ohne Illusionen“. Möglicherweise finden sich dazu Belege im „Santer-Bestand“ im „Brenner-Archiv“. (Vgl. Anton Santer: Variationen, hrg. von Ingrid Kloser und Walter Methlagl, Salzburg 1986 und Erika Wimmer: Bruno & Anton, in: Festwoche. 350 Jahre Universität Innsbruck. 15. Oktober 2019. [Fünf Szenen von Christoph W. Bauer, Elmar Drexel, Klaus Rohrmoser, Caroline Schutti und Erika Wimmer Mazohl], Innsbruck 2019, 45-53, hier 49)

Bruno Sander zählt so wie der Philosoph Theodor Erismann zu den wenigen Professoren der Universität Innsbruck, die nie mit den faschistischen Strömungen, nie mit dem NS-Lager an der Universität Innsbruck sympathisiert haben, die eine bildungshumanistische Haltung bewahrt haben. Trotzdem hat Sander nach 1945 die Auseinandersetzung mit ns-belasteten Kollegen schöngefärbt, indem er deren Verhalten teils rechtfertigte, teils in eine abstrakt geschichtsferne Metaphysik von „Schuld und Sühne“ einebnete, und indem er sich die viel verbreiteten Erzähl-Legenden von den „irregeführten“, „wohlwollenden“ Nazis oder von Nazis „wider Willen“ zu eigenen machte.

So klagt er am 21. Mai 1946 in einem Brief an seinen in NS-Jahren aus „rassischen Gründen“ schikanierten Freiburger Fachkollegen Johann Königsberger: „[Hans Peter] Cornelius (…) ist von der geologischen Anstalt in Wien entlassen, auch meine dortigen Schüler [Otto] Reithofer und [Oskar] Schmidegg, welche wie hier sehr viele andere, die erst nach 1938 beitraten, [der] Partei als Angelegenheit nach einer vollzogenen, für ihr Ermessen unrückläufigen Tatsache (der Einverleibung Österreichs) eines definitiven Eroberers, also sozusagen als erledigtes Außenpolitikum begegneten, ganz anders, als dies jemals in Deutschland war. Auch hat man hier zuerst nur 10 für jeden Staatsbürger selbstverständliche Grundsätze der Partei publiziert und erst nach einiger Zeit die Formen, dass man als Pg. in alle Zukunft restlos alles gut heiße, was immer verfügt werde. Als Nicht.-Pg., außer mir gab es nur noch einen solchen in der Naturwissenschaftlichen Fakultät, war ich ausgeschaltet, aber nicht verfolgt und konnte das betreffend Leute, deren Toleranz ich es verdankte, wie Rektor Klebelsberg mehrfach bezeugen.“

Gegenüber Eleanora Bliss Knopf, an der Yale-University, in Stanford lehrend, auch beim US Geological Survey tätig, freute sich Bruno Sander am 11. Februar 1949, dass sein enger Fachkollege Raimund Klebelsberg nach kurzer „Entnazifizierung“ wieder in die Geologie-Professur zurückkehren kann. Auch hier finden sich die Ideologeme von den in der Regel unwissenden, gutgläubigen Naziprofessoren, deren Verhalten nicht dem des Nazismus an sich entsprochen hätte, ja sogar vom Parteibeitritt als einem gleichsam intellektuellen Opfer zur Aufrechterhaltung des Wissenschaftsbetriebes: „Nach dem Kriegsende konnte ich mich, da ich nie Parteimitglied war und nicht ‚registriert‘ bin, nach bestem Wissen für einige gewesene Parteimitglieder einsetzen, da nichts an ihrem Verhalten die Vorwürfe verdient hatte, welche man mit Recht dem Nationalsozialismus machte. Unter diesen war besonders Klebelsberg, den seine Stellung als Präsident des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines und als Rektor der Universität stärker exponiert hatte als andere Parteimitglieder. Wie ich selbst, so waren alle Nichtnazi froh, tolerante Parteimitglieder als Universitätsfunktionäre zu haben. Wenn sich solche unter den Professoren nicht gefunden hätten, so wäre es für mich und andere nicht möglich gewesen, zugleich der Partei fern zu bleiben und arbeiten zu können.

Da also auch ich selbst durch die bei Klebelsberg besonders deutliche und heute eingehend nachgewiesene Toleranz des Rektors persönlich unbehelligt blieb, habe ich meine Meinung auch bei allen Befragungen nachdrücklich zur Kenntnis gebracht und halte es für gerecht, dass Klebelsberg nach genauesten Untersuchungen seines Falles heute wieder seine Vorlesungen hält. Wenn dafür ein Interesse besteht, kann ich eine Abschrift meiner Äußerung schicken, in welcher ich begründet habe, weshalb mir die Vorwürfe gegen den Nationalsozialismus Klebelsbergs nicht zu zutreffen scheinen.“ Sander entwickelte 1949 gar die These von den Nazis, die erst durch die NS-Registrierung solche wurden: „Solche, die es nicht gewesen, aber durch Registrierung geworden sind.“ (Vgl. Peter Goller: Der Dozentenkader der Naturwissenschaftlichen Fakultät Innsbruck und die Befreiung vom Nazifaschismus, Innsbruck 2000)

Sander deutet gegenüber einer antifaschistischen „Entnazifizierung“ immer wieder Ressentiments an: Sie behindere den wissenschaftlichen Betrieb. In einigen unmittelbar nach 1945 durchgeführten Berufungsverfahren zeigte sich Sander irritiert, dass nicht nur „fachliche“, sondern auch „politische“ Aspekte zu beachten sind. So unterstützte er etwa die Kandidatur von Eberhard Clar (1904-1995) als einer sachlich begründeten. Clar war 1945 seiner Professur an der TH Wien enthoben worden. Als frühes („illegales“) NSDAP-Mitglied war Clar ab 1941 „beim Generalbevollmächtigten für den Metallerzbergbau Südost als Geologe eingesetzt“. Sander wusste Bescheid über Clars geologischen Einsatz in den jugoslawischen Gruben von Bor oder Mackatica, - beide von großer Bedeutung für die deutsche „Wehrwirtschaft“, aufrechterhalten durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern. 1953 erneuerte die Universität Graz Clars Dozentur. 1954 wurde Clar als Geologie-Ordinarius an die Universität Wien berufen.

Am 5. Dezember 1950 machte Sander Eberhard Clar Hoffnung auf baldige Rückkehr in das universitäre Lehramt, sogar der Innsbrucker Zoologe Otto Steinböck – er war ein nazistischer Scharfmacher – sei nun wieder reaktiviert: „Was die Widerstände in Ihrer Situation anlangt, so werden sie voraussichtlich nicht immer dauern. Abgesehen davon, dass die europäische Situation so labil ist, meine ich das, objektiv gesehen, weil wir hier unseren Zoologen Steinböck, für den zeitweise jede Aussicht verschwunden schien, wieder an seine Arbeit gekriegt haben.“ (Über Steinböck vgl. Peter Goller und Gerhard Oberkofler: Entnazifizierung und Rehabilitation der Nazikader, Angerberg 2003, 20-32)

 

Bruno Sander als internationaler Berufungs-Gutachter

Bruno Sander wurde nicht nur selbst in mehreren Berufungsverfahren als Kandidat gehandelt, so z.B. 1928 in Leipzig, so der 1930 abgelehnte Ruf an die TH Berlin-Charlottenburg, so das 1948 abgelehnte Angebot einer langfristigen Gastprofessur am Pennsylvania State College. Sander war über dreißig Jahre lang auch ein stark nachgefragter Gutachter!

 

Würzburg 1928

Emanuel Christa, später Professor für Mineralogie und Kristallographie in Erlangen, schreibt am 17. Juli 1928 an Bruno Sander: „[Jakob] Beckenkamp geht also jetzt bestimmt mit Abschluss des nächsten Wintersemesters. Seine Lehrtätigkeit hat er bereits definitiv eingestellt. In der Zwischenzeit soll über seine Nachfolge entschieden werden. Wer mag das wohl werden!“

Sander antwortet am 20. Juli 1928: „Wenn die Nachfolgefrage in Würzburg aufgerollt wird, so wird, glaube ich doch, zu allernächst Ihre eigene Anwartschaft zur Diskussion gelangen. Sie haben ja der Lehrkanzel lange Jahre lehramtlich und fachlich sowohl petrographisch als geologisch arbeitend gedient.“

 

Clausthal 1929

Friedrich Karl Drescher-[Kaden] wendet sich am 12. März 1929 an Bruno Sander: „Gestern war Prof. Birkenbach, Chemiker, aus Clausthal hier und eröffnete mir, dass ich nach dem Ablehnen von [Paul] Ramdohr und [Erich] Harbort für Clausthal in Betracht käme. Er selbst sei nach den Gutachten entschlossen, mich zu nehmen, doch habe der Clausthaler Geologe, [Arnold] Bode, Bedenken geäußert, da ich vielleicht zu viel Geologe sei.“

Bruno Sander reagiert am 15. März 1929 gegenüber Lothar Birkenbach, er kenne Drescher von dessen Innsbrucker Studienaufenthalt 1927/28: „Ich habe nämlich, übrigens schon bevor Dr. Drescher selbst davon wusste, erfahren, dass er in den Clausthaler Vorschlag aufgenommen wurde. (…) Etwas möchte ich noch erwähnen. Die neuere Gefügeanalyse arbeitet mit dem Fedorow‘schen Tisch, mithin mit einem Instrument der klassischen Mineralogie, dessen Handhabung noch immer einen Höhepunkt praktischer physikalischer Mineralogie kennzeichnet, auch was die Mineraldiagnose angeht, nicht nur die Gefügeuntersuchung. (…) Da ich selbst meines Wissens gleich oft (je zweimal) für mineralogische und für geologische Lehrkanzeln vorgeschlagen war, so sind mir die Gedankengänge nicht unvertraut, welche sich darauf beziehen, dass man einmal zu sehr als Mineraloge, ein andermal zu sehr als Geologe erscheinen kann.“ Immer wieder forcierte Sander junge „Gefügeanalytiker“ für Professuren! Mit dem Dilemma „Mineraloge/Geologe“ sprach Sander den Umstand an, dass Friedrich Becke, Altmeister der Wiener Mineralogie, 1922 seine Innsbruck Berufung verhindern wollte, da Sander zu sehr Geologe sei!

 

Graz 1929

Victor Franz Hess bittet als Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Graz Bruno Sander am 11. November 1929 wegen Besetzung der Lehrkanzel für Mineralogie und Petrographie um „ein vergleichendes Gutachten über die wissenschaftliche Bedeutung der Herren Professoren Dr. Franz Angel und Dr. Felix Machatschki“. Bruno Sander antwortet am 21. November 1929: „Dass Herr Privatdozent Machatschki für den Gesamtbetrieb einer mineralogisch petrographischen Lehrkanzel sowie für die Interessen von Chemie und Physik der Hochschule nach Tunlichkeit zu erhalten wäre, ist für jeden, der ähnliche Besetzungsschwierigkeiten in unserer Krisenzeit der Mineralogie schon begegnet hat, klar.“ (Vgl. Helmut W. Flügel: Geologie und Paläontologie an der Universität Graz 1761-1976, Graz 1977)

 

Angebot an Bruno Sander: Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg 1929/30

Karl Hermann Scheumann teilte Bruno Sander im Mai 1928 mit, dass sie beide auf einer Leipziger mineralogisch-petrographischen Berufungsliste stehen. Schlussendlich nahm Scheumann den Leipziger Ruf doch an, womit wiederum seine Professur an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg frei wurde.

Anfang 1929 informierten Scheumann selbst, dann der Leiter des Kaiser Wilhelm-Instituts für Silikatforschung Wilhelm Eitel und Albert Defant, 1927 aus Innsbruck nach Berlin berufener Meteorologe und Ozeanograph, Sander, dass ihn die Berliner TH an die erste Stelle gereiht hat. Das preußische Ministerium für Wissenschaft unterbreitete Sander erst Anfang 1930 ein Rufangebot, nachdem der Versuch, den Schweizer Paul Niggli zu holen, gescheitert war. Nach erfolgreichen Wiener Abwehrverhandlungen blieb Bruno Sander in Innsbruck. Sander gelang es, den ihm eng verbundenen, noch in Tübingen, zuvor in Leoben lehrenden Kollegen Walter Schmidt für Berlin-Charlottenburg in Position zu bringen. Schmidt arbeitete wie Sander an einer tektonischen Gefügekunde („Schmidtsches Netz“).

 

Universität Berlin 1930

Albert Defant schreibt am 6. November 1930 an Sander: „Dass Dein Buch [„Gefügekunde der Gesteine“] bei Springer herausgekommen ist, hat mich sehr gefreut, und ich habe schon einen Blick in dasselbe getan, aber ich möchte Dich nicht um ein Exemplar berauben, denn schließlich liegt mir die Sache doch ziemlich fern. Ich habe letzthin mit einigen Herren hier in Berlin über Dein Buch gesprochen und habe nur ausgezeichnete Urteile gehört.

Du weißt, wie Du mir ja geschrieben hast, dass wir hier in Berlin die geologische Lehrkanzel nach [Josef Felix] Pompeckij zu besetzen haben, und es ist in der Kommission schon so viel darüber geredet worden, so dass man doch endlich zu einem Abschluss kommen sollte. Vielleicht kannst Du mir mitteilen, ob nach Deiner Ansicht dies auf Tatsache beruht, dass die Professoren [Hans] Cloos und [Hans] Stille beide so ausgesprochene Tektoniker sind, dass sie gegenüber solchen, die auch die allgemeine Geologie betreiben, etwas in den Hintergrund treten.“

Bruno Sander antwortet am 12. November 1930: „Gegenüber Cloos habe ich schon seit Jahren mehrfach öffentlich und ausführlich meine ablehnende Haltung begründet und betont, dass sie nicht auf ephemere Meinungsverschiedenheiten geht, sondern auf Grundsätzliches, auch was die Schulung von Nachwuchs angeht. Ich kann diese Haltung nach Cloos‘ seitherigen Schriften noch nicht aufgeben, wenn ich auch bedaure, dass sich Cloos anscheinend da und dort sogar die Anerkennung seiner beträchtlichen Arbeitsleistungen verscherzt hat. Meine letzte Polemik [„Zu H. Cloos‘ Gegenkritik betreffend Granittektonik“, in: Zentralblatt für Mineralogie 1927] lege ich bei, damit das nicht leere Worte sind.

Stille ist zwar Tektoniker, aber es wäre meines Erachtens gerade bei Stille nicht zutreffend, darin eine bedenkliche Begrenzung zu sehen.“

 

München 1931

Erich Kaiser, Professor für allgemeine und angewandte Geologie an der Universität München, schreibt am 31. Oktober 1931 an Sander: „Ich bin beauftragt worden bei Ihnen einmal anzufragen, welche Auffassung Sie von der wissenschaftlichen Tätigkeit von [Arthur] Marchet in Wien haben. Wie Sie vielleicht wissen, ist bei uns die außerordentliche Professur für Petrographie neu zu besetzen.“

Dazu Bruno Sander am 3. November 1931: „Herr Marchet ist mir persönlich etwas bekannt. Ich halte Herrn Marchet vor allem für unbedingt verlässlich; man kann das übrigens mit Sicherheit von jedem Herrn sagen, der so lange im Becke’schen Institut gearbeitet hat. Er ist chemischer Petrograph. (…) Als fachliche Persönlichkeit zeigt er die erwähnte, für mein Ermessen etwas enge Begrenzung, ganz besonders etwa gehalten gegen Weinschenk. (…) Wir hegen hier, wie schon gesagt, eine ganz besondere Achtung vor der Tradition der [Ernst] Weinschenk’schen Forschungsstätte.“ (Über den 1945 in Wien entlassenen NS-Dozentenbundführer Arthur Marchet vgl. Roman Pfefferle und Hans Pfefferle: Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren, Göttingen 2014, 297)

 

Göttingen 1932

Der schon 1924 an der Universität München massiv antisemitisch abgelehnte, dann vom NS-Faschismus aus Deutschland vertriebene Geochemiker Victor Moritz Goldschmidt, Vorstand des mineralogisch-petrographischen Instituts der Universität Göttingen, schreibt am 17. Juni 1932 an Bruno Sander: „Wie Ihnen bekannt sein wird, verliert unsere Fakultät leider Herrn Kollegen [Hans] Stille, der die Berufung nach Berlin jetzt angenommen hat.“

Bruno Sander antwortet am 21. Juni 1932 wie 1930 im Falle Berlins: „Ich habe nämlich gegenüber Herrn Kollegen [Hans] Cloos schon seit Jahren mehrfach öffentlich und ausführlich meine ablehnende Haltung innerhalb des Faches begründet und betont, dass sie nicht auf ephemere Meinungsverschiedenheiten geht, sondern auf Grundsätzliches, auch was die Schulung von Nachwuchs angeht. Ich kann diese Haltung heute noch nicht aufgeben.“

 

Lüttich 1936/37

1936/37 beurteilte Bruno Sander wiederholt Kandidaten für eine petrographische Professur der Universität Lüttich, so Bergingenieur Francois Corin (Géologue au Service Géologique de Belgique), den er „wärmstens für die Lütticher Lehrkanzel“ vorschlug, - und Paul Michot (1902-1999), Assistent in Lüttich, dessen Arbeit „über das Ruwenzorigebiet“ Sander vom Standpunkt gefügeanalytischer Methoden begutachtete. Sowohl Corin als auch Michot haben sich zu Studien bei Sander in Innsbruck aufgehalten.

 

Tübingen 1941

Felix Machatschki, Vorstand des Mineralogisch-petrographischen Instituts der Universität Tübingen, nach 1945 an der Universität Wien lehrend, ersucht Bruno Sander im März 1941 um ein Besetzungsgutachten. Sander antwortet am 9. April 1941: „Für diesen Fall der Betonung der Petrographie, dessen Voraussetzungen zu beurteilen wie dargetan der genauen Kenntnis Ihrer Hochschule überlassen bleiben muss, würde ich vorschlagen: An erster Stelle Georg Fischer, derzeit an der Reichsstelle für Bodenforschung in Berlin wegen seiner lebendigen gedanklichen und arbeitstechnischen Fühlung mit jenen Richtungen in der Gesteinskunde, welche wie meine eigene Arbeitsrichtung, untrennbar mit eigener feldgeologischer Arbeit verbunden sind, was im Falle G. Fischer in ungewöhnlichem Grade zutrifft.“

 

Technische Hochschule Wien 1942

Friedrich Schaffernak, Professor für Hydrologie an der TH Wien, wendet sich am 15. Juni 1942 an Bruno Sander: „Wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist Professor [Josef] Stiny von seinem Lehramt zurückgetreten.“ Am 23. Juni 1942 erinnert Sander an seine Assistententätigkeit an der Technischen Hochschule bei Franz Toula und Paul Ludwik 1908/09. Das Antwortkonzept ist unvollständig erhalten: An erster Stelle sollte sich die Technische Hochschule um Walter Schmidt bemühen, auch wenn er wohl nicht erreichbar sei. Schmidt habe er schon Anfang der 1920er Jahre für die dann 1923 eben von Josef Stiny angetretene Nachfolge August Rosiwals empfohlen. An zweiter Stelle nannte Sander den Tübinger Dozenten Georg Fischer. Sander diskutiert Kandidaten wie Oskar Schmidegg, Gustav Hießleitner und Arthur Winkler-Hermaden. Die TH Wien möge besonders auch an Eberhard Clar als Stiny-Nachfolger denken. Der dann auch ernannte Clar wurde aber nach nur einem Jahr 1945 als belasteter NS-Anhänger entlassen.

 

Straßburg 1943

Angesichts der Kriegslage nach Stalingrad, sowie der Propagierung des „totalen Kriegs“ wirkt manche Berufungsfrage surreal gespenstisch, gerade wenn es sich um Universitäten in den von Deutschen besetzten Gebieten handelte. So schreibt Friedrich Karl Drescher-Kaden – soeben aus Göttingen nach Straßburg ernannt – am 13. Februar 1943 aus einem Militärlazarett in Posen an Sander. Kurz zuvor war Dreschers Sohn gefallen. Obwohl Drescher die katastrophalen Kriegsfolgen klar sind, geht er akademisch routinemäßig vor: „Inzwischen beginnen sich in meinem Bekanntenkreis die Verluste dieses Winters auszuwirken. Es ist schrecklich, was sich alles ereignet hat. In Göttingen nur wenige Collegen-Familien, die verschont blieben. Dabei immer die 20-jährigen. Wie sollen wir diesen Aderlass ausgleichen? Von Straßburg weiß ich wenig, da ich seit Beginn des Sommers fort bin. Jedenfalls ist die Einrichtung der Universität nur mäßig weiter gekommen. Vor wenigen Tagen starb College [Otto] Wilckens. Wie mir der Dekan mitteilt, will die Fakultät möglichst schnell an die Aufstellung einer neuen Liste gehen. Da scheint es mir dringend nötig, Rüger an erste Stelle zu setzen.“

Bruno Sander empfiehlt am 18. Februar 1943 Ludwig Rüger als Vertreter der „Gefügekunde“: „Seit seiner Dissertation und Habilitation mit paläogeographischen Arbeiten (Trias - Jura in Südwest-Deutschland) hat sich Ludwig Rüger, soweit ich sehe, zum vielseitigsten unter den jüngeren deutschen Geologen entwickelt. Dies gilt hinsichtlich folgender Arbeitsrichtungen (Fragestellungen und Arbeitsvorgänge): paläogeographisch, paläontologisch, paläobiologisch, stratigraphisch, morphologisch, petrographisch, tektonisch, gefügekundlich. (…) Es ist mir ferner eine Freude, die früh einsetzende in mehreren Arbeiten niedergelegte Mitarbeit Rügers an der Gefügekunde der Gesteine hervorzuheben.“

 

Nach der Befreiung 1945 - Graz 1946/50

Der Physiker Hans Benndorf bittet am 14. März 1946 als „Vorsitzender der Berufungskommission zur Wiederbesetzung der Lehrkanzel für Mineralogie“ um ein Gutachten, da Franz Angel als maßgeblicher NS-Funktionär entlassen worden war. Sander soll „ein allgemein gehaltenes Urteil“ über Haymo Heritsch fällen: „Mein Kollege Professor Schwarzacher, der nach 7 Jahren der Verbannung wieder nach Graz zurückgekehrt ist, hat mich gebeten, Ihnen dafür zu danken, dass Sie sich seines Sohnes Walter Schwarzacher so freundlich angenommen haben. Ich selbst kenne auch den jungen Schwarzacher persönlich und habe den Eindruck, dass er ein besonders begabter und interessierter junger Mensch ist und alle Förderung verdient. Falls Sie Kollegen [Otto] Ampferer gelegentlich treffen sollten, bitte ich, ihm schöne Grüße von mir auszurichten.“

Sander bedauert am 25. März 1946 den Kriegstod des TH-Berlin-Professors Walter Schmidt: „Von Österreichern in Deutschland ist W. Schmidt (Berlin), der eine schöne Besetzung für Graz gewesen wäre, den Aprilkämpfen in Berlin zum Opfer gefallen.“ (Über den 1945 aus der Professur entlassenen NS-Dozentenbundführer Franz Angel vgl. Alois Kernbauer: Der Nationalsozialismus im Mikrokosmos. Die Universität Graz 1938, Graz 2019, hier auch über den 1938 wegen seiner „scharfen und abfälligen“ Äußerungen über das NS-Regime entlassenen Professor der Gerichtsmedizin Walter Schwarzacher ebenda 245f. – Über Sanders Schüler Walter Schwarzacher junior unten Eintrag zu „Belfast 1954“!)

 

Gießen 1947

Bruno Sander schreibt am 4. Februar 1947 an den hessischen Staatsminister für Kultus und Unterricht wegen einer ordentlichen Professur für den ehemaligen Wehrmachts-Geologen Walther Klüpfel an der Universität Gießen: „Herr Klüpfel hat stratigraphisch, paläogeographisch, tektonisch, reliefmorphologisch und wirtschaftsgeologisch in einem Ausmaße gearbeitet, welches seine Berufung als Ordinarius für Geologie durchaus begründet.“

 

Technische Hochschule Wien 1947-1949

Alfons Leon, Professor für Mechanische Technologie und Baustofflehre an der TH Wien, schreibt am 15. Dezember 1947 an Bruno Sander: „An unserer Hochschule soll die Lehrkanzel für Geologie neu besetzt werden (…).“

Bruno Sander antwortet postwendend am 19. Dezember 1947: „Falls – was ich nicht weiß – eine Entlastung Minderbelasteter zeitlich absehbar ist und solche Euch interessieren, so ist es am sachdienlichsten, diese abzuwarten. (…) Bei der jetzigen Einschränkung der Berufungsmöglichkeit käme als eine sehr gute Kraft Prof. Dr. Georg Fischer, München (…) für eine Nennung in Frage, ob er käme, weiß ich nicht; es wäre unter Umständen eine platonische Nennung, welche [Hannes] Mohr nicht quer käme. (…) Falls Ihr Euch für derzeitige Minderbelastete interessiert, wären, wie gesagt, weitere Auskünfte möglich, nur müsstet Ihr Euch um das Politicum selbst kümmern, da man hier natürlich nichts Genaueres davon weiß.“

Ein Jahr später klagt Alfons Leon Ende Dezember 1948: „Unsere Lehrkanzel für Geologie ist noch immer nicht besetzt. Man denkt hier in erster Linie an Dr. [Alois] Kieslinger, der sich viel mit der Wetterbeständigkeit der Gesteine beschäftigt hat und der daher meiner Versuchsanstalt nahe steht. Prof. Dr. Mohr, der jetzt suppliert, scheint infolge seines Alters wenig Aussicht zu haben.“

Bruno Sander antwortet am 20. Jänner 1949 neuerlich: „Wenn ich mich recht erinnere, habe ich damals auf Deine Mitteilung, dass das Kollegium auf einen Dreiervorschlag Wert lege, an Georg Fischer – München (in jeder Hinsicht Nr. 1), [Leopold] Waldmann, Wien – [Christof] Exner, Wien – Clar (?) erinnert. [Kurt] Leuchs ist unterdessen wieder an der Universität, Kieslinger habe ich nicht erwähnt, weil bei einer so definierten Befassung mit Gesteinsverwitterung ich persönlich seiner Vertretung aller unausweichlichen zeitgerechten Entwicklungsmöglichkeiten einer Geologie für Techniker nicht sicher bin.

Wie jedes Mal in unserem inhomogenen Gefüge kann man bei einer Beratung nur den Wunsch beifügen, dass bald wieder die fachlichen Maßstäbe etwas entscheidender werden und man kann nur mit dem Vorbehalte beraten, dass vielleicht unterdessen sich diese Grundlagen schon verschoben haben; wie das schon einige Beispiele lehren.

So weiß ich z.B. nicht, ob Clar (sehr gut) derzeit politisch wieder für Euch in Frage kommt; bei Exner besteht meines Wissens überhaupt kein politischer Einwand und diesen halte ich für eine junge und an neue Aufgaben noch genügend anpassungsfähige Kraft. Natürlich ohne jedes persönliche Bestreben bin ich doch neugierig, ob die österreichischen Technischen Hochschulen ganz ohne die Arbeitsrichtung (in Feldgeologie und Korngefügekunde) weitermachen, für welche mir an einer der größten Technischen Hochschule in den USA (Pennsylv. College) eine Professur angeboten ist.“ (Vgl. 150 Jahre Technische Hochschule in Wien 1815-1965, Wien 1965, Band 2, 244-252)

 

Angebot an Bruno Sander: Technische Hochschule Pennsylvania/USA 1948 (The Pennsylvania State College)

Paul Krynine, Professor der Petrologie am Pennsylvania State College, bietet Bruno Sander am 13. Februar 1948 eine großzügig ausgestattete, mehrjährige Gastprofessur an. Nicht zuletzt wegen seiner nahen Innsbrucker Emeritierung bleibt Bruno Sander in Innsbruck.

 

Montanistische Hochschule Leoben 1947/48

Roland Mitsche, Professor an der Montanistischen Hochschule in Leoben, bittet Sander am 22. September 1948 um Hilfe: „Darf ich Sie mit der Bitte belästigen, mir über Herrn Prof. Dr. W.E. Petrascheck, früher Breslau, ein fachliches Urteil abzugeben, das so abgefasst ist, dass es in einer Sitzung unseres Kollegiums vorgelegt werden kann. Der Grund meiner Bitte ist der, dass der oben Genannte für den Vorschlag als Nachfolger seines Vaters vorgesehen ist und eine entsprechende Beurteilung von Ihrer Seite zur Stützung des Vorschlages von besonderer Wichtigkeit wäre.“

Sander antwortet am 27. September 1948: „Die Befassung Herrn Petraschecks ist eine vor allem lagerstättengeologische. (…) Die Analyse des tektonischen Großgefüges beginnt in mehreren Arbeiten Petraschecks Hand in Hand zu gehen mit der Analyse des Kleingefüges und ist damit auf dem heute für moderne Bearbeitungen deutlich durchgesetzten und auch für die Neubearbeitung nutzbarer Lagerstätten dringend geforderten Wege. Da dieser Weg international anerkanntermaßen von Österreich und zwar von Innsbruck und von Leoben aus erschlossen wurde, ist die weitere Pflege gefügekundlicher Analyse in Leoben sowohl vom praktischen als vom ideellen Gesichtspunkte der Hochschultradition aus naheliegend und wäre von Innsbruck aus warm zu begrüßen.“

Othmar Michael Friedrich, Vorstand des Instituts für Mineralogie und Gesteinskunde in Leoben, teilt Bruno Sander am 16. Jänner 1949 mit, dass er sich für die Berufung von Eberhard Clar eingesetzt hat, dass dieser auch schon an erster Stelle vor Petrascheck dem Ministerium vorgeschlagen worden ist: „Ich hatte mich für die Nennung Clars an erster Stelle eingesetzt und mich dabei besonders von zwei Gründen leiten lassen: 1. Clar verfügt durch seine Arbeiten auf dem Balkan unstreitig über eine unvergleichlich größere bergmännische Erfahrung, denn die Umstellung des Grubenbetriebes in Bor auf Tagbau, mit allen dazugehörigen Arbeiten eine Erdbewegung von 30.000.000 cbm umfassend, war eine technische Leistung ersten Ranges. Nicht geringer ist die Entwicklung von Mackatica zur wahrscheinlich zweitgrößten Molybdängrube der Welt einzustufen, (…).“

Am 20. Jänner 1949 teilt Bruno Sander seinem Kollegen Friedrich mit, dass er „weder direkt noch indirekt etwas anders über die Leobner Besetzungsangelegenheiten erfahren“ hat „als die Kandidatur von W.E Petrascheck“: „So war ich, wie in den Beratungen der letzten Zeit auch in Deutschland jedesmal vollkommen darüber ungewiss, welche Kollegen für die anfragende Hochschule politisch möglich waren. Da ich persönlich seit meiner Professur (1923) in jeder Zeit nur fachliche Maßstäbe verwendet habe, begrüße ich es, dass dieser Maßstab nun auch Kollegen Clar gegenüber wieder von Ihnen gehandhabt werden konnte und freue mich auch für Ihr anerkennendes und sachliches Urteil gegenüber beiden Kollegen Petrascheck und Clar.

Wie ich kürzlich Clar, von dem ich auch nichts über seine Candidatur in Leoben wusste, schrieb, habe ich seine frühe Mitarbeit an meiner Arbeitsrichtung in freundlichster Erinnerung. (…) Ich habe meine Beziehungen in Wien, welche mich voraussehen lassen, ob das Ministerium im vorliegenden Fall eine mehr politische oder mehr fachmaßstäbliche Entscheidung unternehmen wird.“ (Vgl. zur kriegsgeologischen Tätigkeit Walther E. Petrascheck: Als Geologe neben Krieg und Politik. Lebenserinnerungen, Wien 1988 und 150 Jahre Montanuniversität Leoben 1840-1990, Graz 1990, 425ff.)

 

Technische Hochschule Aachen 1948: Konflikt in Aachen, auch Kontroverse Sander/Schneiderhöhn

Bruno Sander schreibt am 4. Mai 1948 an den Vorstand des Geologischen Instituts der TH Aachen „bezüglich Frau Dr. Schachner“ als Lehrkanzelkandidatin: „Ich kenne sie seit ihrer Studienzeit als Schülerin und selbständige Fachkollegin, für deren Situierung ich mich auf dieser Grundlage persönlich und im Interesse unserer Fächer einsetze. Vor allem aber würde mit Frau Schachner ganz objektiv betrachtet Ihre Hochschule die in die gefügekundliche Bearbeitung der Erze am besten eingearbeitete und um die Begründung gefügeanalytischer Erzuntersuchung meist verdiente Kraft gewinnen. Damit könnte Aachen eine führende Stellung auf dem Gebiete gefügekundlicher Arbeit haben, deren starke Betonung und Ausbreitung im Ausland die nach dem Kriege einlaufenden Arbeiten derzeit bereits außer jeden Zweifel stellen.“

Doris Schachner-Korn informierte wiederholt Bruno Sander, auch in dem Sinn, dass der zuständige Aachener Fachgeologe ihre Berufung verhindern will, so im Mai 1948: „Lieber Bruno, (…) Das Semester hat angefangen und schon sitzt man wieder entsetzlich im Druck. Aber nachts lese ich jetzt doch die Lotte in Weimar von Thomas Mann. Am 10. April war ich zur Geologischen Vereinigung in Wiesbaden. Es trafen sich da Mineralogen und Geologen, vor allem von der Ostzone (Ramdohr, Stille, Bubnoff und Weigelt, welch selbiger 14 Tage später starb.) (…). Gefügeanalytisch wäre bei den rheinischen Lagerstätten sicher noch ein Erfolg für die Praxis zu erzielen. Es ist möglich, dass Du in diesen Tagen von hier aus um ein Gutachten über mich gefragt wirst. (…) Zwei Mitglieder der Kommission sind für mich und der Abteilungsvorstand nicht. Ich bin ihm nicht gefügig genug.“

Eugen Piwowarsky, Dekan der Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen an der TH Aachen, bittet Bruno Sander am 20. Mai 1948 um ein vergleichendes Gutachten im „Zuge der geplanten Wiederbesetzung der Professur für Mineralogie und Lagerstättenkunde“ – und zwar über die Kandidaten „Herr Dozent Dr.phil. Dieter Hoenes, Universität Freiburg, Frau Prof. Dr. Schachner, Techn. Hochschule Aachen und Herr Prof. Dr. Borchert, Bergakademie Clausthal“.

Am 21. Mai 1948 polemisiert Doris Schachner-Korn gegenüber Bruno Sander gegen ihren Freiburger Konkurrenten Dieter Hoenes, der stark „kompilatorisch“ arbeite und so wie „sein Chef Schneiderhöhn“ nichts von den Methoden der Gefügekunde verstünde.

Bruno Sander selbst schreibt am 31. Mai 1948 an den Aachener Dekan: „Auf Grund dieser genannten drei Arbeiten könnte meines Erachtens Herr Hoenes in einem Vorschlag nicht neben oder vor sondern nur mit Abstand nach Frau Schachner gereiht werden.“

Mitte Juni 1948 übermittelte Schachner-Korn Bruno Sander in Abschrift ein günstiges Gutachten der Fachautorität Paul Ramdohr. Ramdohr hatte dem Aachener Dekan am 4. Juni 1948 geschrieben: „Frau Schachner hat wissenschaftlich so viel geleistet, dass sie den ihr gleichalterigen Kollegen männlichen Geschlechtes durchaus zur Seite gestellt werden kann, ganz besonders, wenn man die Richtung ihrer Arbeit berücksichtigt. (…) Erzmineralien wurden überhaupt erst durch sie in größerem Umfang (…) systematisch auf Gefügeregelungen untersucht und die nötigen Methoden, soweit sie überhaupt in einem nur zweidimensionalen Schnitt leistungsfähig sein können (…), entwickelt.“ Hoenes und Borchert wollte Ramdohr für eine Technische Hochschule wie Aachen nicht vorschlagen. Seinen ehemaligen Assistenten Hoenes habe er für eine petrographische Professur in Halle empfohlen, da er „ein ausgesprochener Petrograph mit feldgeologischem Einschlag“ sei.

Am 10. August 1948 muss sich Doris Schachner-Korn aber enttäuscht zeigen, da es unter dem Einfluss von Hans Schneiderhöhn gelungen war, den Konkurrenten Hoenes an erster Stelle zu positionieren. Am 1. Oktober 1948 begrüßte Schneiderhöhn von Freiburg aus gegenüber dem Aachner Bergbaukundler C.H. Fritzsche den Berufungsvorschlag. Über Schachner-Korn erhielt Sander eine Abschrift: „Was nun die Erzgefügekunde anlangt, so ist das allerdings ein Steckenpferd von Frau Schachner, mit dem sie allerdings keinen großen Staat machen kann, (…) Man kann wie bei den Gesteinen auch bei den Erzen gefügemikroskopisch manches machen, aber man hat im Anfang die Erwartungen da viel zu hoch gespannt. Der einfache Grund liegt darin vor allem, dass die Erze viel reaktionsfähiger sind als die Silikate und dass sie infolgedessen ebenso leicht wieder rekristallisieren, wobei ihre Regelung und Deformation restlos wieder zerstört wird und nicht mehr zu bemerken ist. Es sind dies natürlich Dinge, denen Rüger als Geologe völlig fern steht und die auch Sander, der sich nie mit Erzen beschäftigt hat, sondern immer nur mit alpinen Silikatgesteinen, nicht übersieht.“

 

Graz 1950

Hugo Spreitzer, Professor der Geographie, bittet als Fakultätsbeauftragter Bruno Sander am 22. April 1950 um ein Gutachten über Karl Metz. Sander möge zum Ausdruck bringen, ob er „eine Ernennung von Herrn Prof. Metz zum Ordinarius nach seiner wissenschaftlichen Leistung befürworten würde“: „Herr Prof. Metz ist im Jahre 1946 zum ao. Prof. an unserer Universität Graz ernannt worden und führt seither das Geologische Institut, das eines der großen Institute unserer Fakultät ist, als dessen Vorstand.“

Sander befürwortet am 3. Mai 1950: „Für die weitere Entwicklung der von Kollegen Metz in Graz begonnenen tektonisch analytischen Arbeitsrichtung, welche ich (in eigener Sache) für aussichtsvoll und nicht umgehbar halte, ist es wichtig, dass der Geologe entweder selbst auch Korngefügekunde treibt oder mit dem petrographischen Institut in kollegialer Fühlung steht.“

 

Bonn 1951

Hans Cloos, Vorstand des geologisch-paläontologischen Instituts der Universität Bonn, bittet Bruno Sander am 25. Jänner 1951 um ein Gutachten über Paul Wenk für die nach Karl Hermann Scheumann vakante Professor für Mineralogie und Petrographie: „Bei unseren Bemühungen die Professur Scheumanns neu zu besetzen, sind wir neuerdings auf Dr. [Eduard] Wenk in Basel aufmerksam gemacht worden. Mir ist der Gedanke, einen der Geologie nahestehenden und vielseitig und in vielen Ländern orientierten Petrographen wie ihn zu gewinnen, ungemein sympathisch.“

Bruno Sander antwortet am 1. Februar 1951: „Wenk, der vom 3.2-3.3.1932 als Arbeitsgast in meinem Institut arbeitete, und mir von dort persönlich in freundlicher Erinnerung ist – ich habe ihn auch seinerzeit auf Anfrage einer holländischen Ölfirma empfohlen – hat sich durch drei Arbeiten am wirklichen Fortschritt der Korngefügeanalyse beteiligt. Die Arbeit über Ergebnisse und Probleme der Gefügeuntersuchungen im Verzascatal (Tessin) (… 1943) ist sehr gut. (…) Meine Kenntnis obiger Arbeiten Wenks zeigt mir einen sehr gut geologische Fühlung haltenden Petrographen mit klarem Verdienst um optische Methodik und um gefügekundliche Arbeit.“

 

ETH und Universität Zürich 1953

Der Präsident des Schweizerischen Schulrates kontaktiert am 19. Mai 1953 Bruno Sander: „Wie Sie wissen, wurde uns im Januar dieses Jahres Prof. Dr. Paul Niggli jäh entrissen. (…) Der Schulrat hat ebenfalls in seine Diskussion die Herren Prof. Dr. Fritz Laves (Geology Departement, University of Chicago) und Prof. Dr. Ernst Niggli (Universität Leiden) einbezogen. (…) Prof. Laves doktorierte und assistierte an den Zürcher-Hochschulen, er steht bei uns in bester Erinnerung. Prof. Niggli (Leiden) ist ein Sohn unseres verstorbenen Professors.“

Bruno Sander antwortet am 22. Mai 1953: „Ihrer mich ehrenden Anfrage im obgenannten Schreiben kann ich aus zwei Gründen nicht ganz so entsprechen wie ich gerne wollte. Ich bin nicht Kristallograph und also kein vollwertiger Beurteiler Ihrer Kandidaten. Ferner sind mir nur für einen der genannten Herren nämlich für Laves, welcher sein erstes Semester in Innsbruck verbrachte, reichlich Publikationen erreichbar. (…) Im Falle Laves erlauben mir die vorliegenden 35 zum Teil Grundlagen der Kristallographie betreffenden Publikationen die Überzeugung, dass er eine erstklassige Besetzung im Sinne Ihrer Wünsche und eine besonders erfahrene und wirksame Verbindung mit der amerikanischen und mit der deutschen Kristallographie darstellen würde.“

 

Belfast 1954

Bruno Sander empfiehlt am 14. Juni 1954 der Universität Belfast seinen Schüler Walter Schwarzacher (junior).

 

Würzburg 1954

Der Geograph Julius Büdel ersucht als Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät Würzburg am 5. Juli 1954 Bruno Sander um eine Stellungnahme für einen vakanten „planmäßigen ao. Lehrstuhl für Mineralogie“. Sander empfiehlt vier österreichische Nachwuchsdozenten.

 

Saarbrücken 1956

Bruno Sander empfiehlt im Jänner 1956 Franz Karl, „dzt. Assistent an der Bergakademie Clausthal Zellerfeld“, für die an der Universität des Saarlandes frei gewordene Professur der Mineralogie und Geologie.

 

Bruno Sanders Nachfolge in Innsbruck 1954/55

Auf Grundlage der von Bruno Sander 1954/55 eingeholten Gutachten (u.a. von F.K. Drescher-Kaden, E. Clar, F.J. Turner, E. Bliss-Knopf, E. Ingerson, H. Leitmeier, F. Angel) wird Sanders Assistent Josef Ladurner vor Heinz Meixner (Bergdirektion Hüttenberg) gereiht. Josef Ladurner lehrt nach der Ruferteilung bis zu seiner Emeritierung 1978. (Vgl. Oskar Schulz: In memoriam Josef Ladurner (1908-1997), in: Berichte des naturwissenschaftlich medizinischen Vereins Innsbruck, 85, 1998, 377-380)

 

Dokumente im Folgenden:

  Bruno Sander Antrittsvorlesung


 

 

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