Universität im "Vormärz"

 

Peter Goller

Zur intellektuellen Lage an der Universität Innsbruck im „Vormärz“ (1792-1848) – veröffentlicht als Geleitwort zu Renate Sachse: Denker, Stifter, Revolutionär – die Brüder Echtermeyer, Innsbruck 2020.

Vorbemerkung

Theodor Echtermeyer stirbt am 6. Mai 1844 im Alter von jungen 39 Jahren in Dresden. Wenige Wochen zuvor hat Echtermeyers langjähriger wissenschaftlicher, philosophischer und publizistischer Partner und Freund Arnold Ruge gemeinsam mit Karl Marx in Paris das erste und einzige Doppelheft der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“ herausgegeben – heute vor allem wegen Marx‘ „Einleitung“ zur „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“, wegen Friedrich Engels‘ „Umrissen zu einer Kritik der Nationalökonomie“ oder wegen der Beiträge von Moses Heß, Heinrich Heine oder Georg Herwegh bekannt.

Theodors nach geborener Bruder Robert Echtermeyer (1807-1876) steigt zum anerkannten Mitglied der Dresdner Bürger- und Kaufmannschaft auf. Im Revolutionsjahr 1848 gehört Robert einem gemäßigt-liberalen, eine konstitutionelle Monarchie befürwortenden Dresdner Bürgerverein an. Der erfolgreiche Kaufmann tritt nach 1848 als Stipendienstifter für das Dresdner Polytechnikum und als Mäzen einer Stiftung für arme Kinder in seiner Geburtsstadt Liebenwerda hervor.

Bruno Echtermeyer (1811-1871), der jüngste der drei Echtermeyer-Brüder, forderte als ausgebildeter Jurist, nach Ausbruch der Revolution Ende April 1848 als Wahlmann für die preußische verfassungsgesetzgebende Versammlung u.a. das direkte Wahlrecht, Abschaffung der Adelsvorrechte, Arbeiterschutzgesetze oder die allgemeine Bürgerbewaffnung. Bruno ging mit seiner demokratischen Haltung radikal über die liberale Position von Bruder Robert hinaus. In dem nach Niederschlagung der Revolution 1850 in Berlin „gegen 42 Abgeordnete der preußischen National-Versammlung“ geführten „Steuerverweigerungs-Prozess“ war Bruno Echtermeyer nicht nur Angeklagter, er trat auch als Rechtsvertreter für einige Mitangeklagte auf.  Verurteilt zu dreimonatiger Festungshaft wird er als Rechtsanwalt mit Berufsverbot belegt. Mehr oder weniger verdrängt arbeitet er später in der westpreußischen Provinz.

Renate Sachse legt nun erstmals eine eingehende Echtermeyer’sche Familienbiographie vor. Sie stützt sich dabei neben der systematischen Auswertung der Primär- und Sekundärliteratur auf ein umfangreiches, bisher nicht benütztes Quellenmaterial: aus den Stadtarchiven Liebenwerda und Dresden, den Universitätsarchiven in Dresden und Halle, dem Hauptstaatsarchiv Dresden, dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt, dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, oder unter vielen anderen mehr aus der Sächsischen Landesbibliothek Dresden und der Staatsbibliothek in Berlin.

Der nachwirkend weit über das lokale zeitgenössische Geschehen für die Ideengeschichte des 19. Jahrhunderts relevante, für die Geschichte des Linkshegelianismus zentral wichtige (Ernst) Theodor Echtermeyer galt als ein – wegen seines frühen Todes – „Unvollendeter“, als ein „Vergessener“, ein aus der geschichtlichen Erinnerung „Verdrängter“. Dank der Forschungen von Renate Sachse und weiterer neuerer Arbeiten hat sich dies deutlich geändert: So etwa auch durch den 2010 von Martin Hundt herausgegebenen Redaktionsbriefwechsel der „Hallischen Jahrbücher“[1] oder durch eine von Martin Hundt 2012 veröffentlichte Biographie Theodor Echtermeyers.[2]

Theodor Echtermeyer gab ab 1838 gemeinsam mit Arnold Ruge die „Hallischen Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst. Kritiken – Charakteristiken – Correspondenzen – Uebersichten“ und damit das intellektuelle Schlüsselorgan des (linken) Junghegelianismus heraus. An der Universitätsbibliothek Köln wurden die „Hallischen Jahrbücher“ digitalisiert online gestellt. In der redaktionellen Vorbemerkung zu dieser Ausgabe heißt es: „Die ‚Hallischen Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst‘ wurden 1838 von den Schriftstellern Arnold Ruge und Theodor Echtermeyer ins Leben gerufen und gelten als wichtigstes publizistisches Organ der sog. Junghegelianer, einer locker organisierten Gruppe deutscher Intellektueller rund um ehemalige Schüler und Anhänger des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Mit ihrer radikal formulierten Religions- und Gesellschaftskritik gerieten sie bald auf Konfrontationskurs mit dem Preußischen Staat und dem Königreich Sachsen. Um der preußischen Zensur zu entgehen, wurden die ‚Hallischen Jahrbücher …‘ 1841 in ‚Deutsche Jahrbücher …‘ umbenannt. Nachdem die Januarausgabe 1843 durch die sächsische Polizei beschlagnahmt worden war und die Bundesversammlung des Deutschen Bundes ein Wiedererscheinen der Jahrbücher für das gesamte Gebiet des Deutschen Bundes verboten hatte, wurde das Erscheinen eingestellt.“

Theodor Echtermeyer eröffnete im Jänner 1838 das erste Heft mit einer „Charakteristik“ der Universität Halle. Echtermeyer ist heute vor allem als Mitbegründer der „Hallischen Jahrbücher“ in Erinnerung.

Renate Sachses Echtermeyer-Buch erscheint bei innsbruck university press (iup). An dieses äußere Faktum knüpft sich die Frage nach der intellektuellen Lage im noch weitgehend ständisch-katholisch geprägten, wenngleich von einer josephinisch zentralstaatlichen Verwaltung kontrollierten Tirol der Jahre um 1840, also knapp vor der Revolution von 1848. Gab es auch hier eine intellektuell politische Opposition? Wie war die „geistige Situation“ in einer von bürgerlich kapitalistischen Entwicklungen noch kaum tangierten, von wenigen städtischen Zentren abgesehen weitgehend noch feudal agrarisch geprägten Randprovinz der habsburgischen Länder bzw. des „Deutschen Bundes“ in den wenigen Lebensjahren von Theodor Echtermeyer von 1805 bis 1844?[3]

 

Wie war die Lage (an der intellektuellen Peripherie) in Tirol, an der Innsbrucker Universität?

Im josephinischen Umfeld des späten 18. Jahrhundert hatte sich an der Innsbrucker Rechtsfakultät ein teils fortschrittliches, am (Martini-Zeiller’schen) Natur- bzw. Vernunftrecht orientiertes Juristenmilieu etabliert, das auch der nach 1793/94 gegen die Französische Revolution gerichteten franziszeischen Restauration standhielt. In den Jahren der bayerischen Verwaltung Tirols zwischen 1806 bis 1813/14 gab es hierfür sogar noch einmal politischen Rückenwind: So wurde das „Criminal-Recht und der Criminal-Proceß“ in Innsbruck ab 1806 etwa nach Paul Johann Anselm Feuerbachs „Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts“ gelesen.

Selbst nach der Rückkehr Tirols unter die habsburgische Herrschaft 1814 konnte diese zwar nicht konstitutionell, aber in vielen Bereichen (etwa des Staatskirchen-, des Eherechts, generell der Rechtsstaatlichkeit [Folterverbote, Kritik der Todesstrafe]) die österreichischen bürgerlich liberalen Grundrechte von 1867 vorweg andenkende Juristenkultur in der langen Metternich’schen „Vormärz“-Periode nicht mehr verdrängt werden.[4]

Aus im Universitätsarchiv Innsbruck überlieferten juristischen Prüfungsarbeiten der 1840er Jahre ist bekannt, dass Innsbrucker Rechtsstudenten nicht nur Friedrich Carl Savignys „System des heutigen römischen Rechts“ oder dessen „Recht des Besitzes“ studierten, sondern die etwa auch vom jungen Karl Marx 1842 in der „Rheinischen Zeitung“ in einem Artikel „Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule“ als romantisch rückschrittlich bekämpfte Savigny-Schule teils offen ablehnten, so etwa der aus Innsbruck stammende Karl Albaneder in schriftlicher Klausur zur Frage „In welchem Verhältnisse steht das Natur-Recht zum historischen Rechte?“ Albaneder führte die Sklaverei als Beispiel für historisch-positives Recht an. Diese ist aber wegen völligen Widerspruchs zu allen natürlichen und vernünftigen Rechtsgrundsätzen nur ein interessegestütztes Gewaltverhältnis. „Solche Institute und Normen aber sind historisches Unrecht, und da sie in sich keine Kraft einer Verbindlichkeit haben, können sie nur durch äußere Motive, nämlich Klugheit oder Zwang aufrecht erhalten werden.“ Die Vernunft stellte Albaneder 1842 als unverzichtbare Leitschnur des positiven Rechts hin: „Es ist aber eine unabweisliche Anforderung der Vernunft, das historische Recht immerfort zu vervollkommnen, dasselbe von allen willkührlichen und vernunftwidrigen Bestimmungen und allen Widersprüchen zu reinigen.“

Ein Teil der Innsbrucker Studentenschaft der 1830er und 1840er Jahre war auch mit der (Rechts-) Philosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegels vertraut. In der knapp vor Ausbruch der Revolution 1848 vorgelegten juristischen Prüfungsarbeit des aus der Nähe von Sterzing stammenden Peter Paul Eisendle zeigt sich diese – wenngleich wohl nur aus zweiter Hand angeleitete, wohl bloß schulmäßige –Vertrautheit mit Hegel: „Die wahre Methode wäre die speculative, die das ganze Reich des Gedankens als ein organisches Ganze erfaßt; da wird jedes Besondere an seine gebührende Stelle im Systeme gewiesen, und erhält aus diesem erst seine Rechtfertigung und Verständniß /:Hegel:/. Auch die Idee des Rechtes sollte auf diese Weise erfaßt werden, wenn dieser Aufsatz auf strenge Wissenschaftlichkeit Anspruch machen wolle.“ Auch wenn eine Hegelsche „Deduktion“ des Rechtsbegriffs wenig einbringe - so der selbstsichere Schluss Eisendles - müsse folgendes anerkannt werden: „In wie weit aber die Macht des Geistes überhaupt bestimmend und nöthigend auftritt, sind auch die Sitten- und Rechts-Gesetze nicht von aller Nothwendigkeit frei, sie drängen zur Verwirklichung, eine Wahrheit, die Hegel mit den berühmt gewordenen, oft mißdeuteten Worten ausdrückt: ‚Was vernünftig ist, ist wirklich.’ Der Wirklichkeit muß jedoch das Erkennen, dem Handeln der Begriff vorausgehen.“

In den frühen 1790er Jahren hatten einige Innsbrucker Professoren sogar als „Jakobiner“, als Sympathisanten der Französischen Revolution gegolten, so der am juridisch-politischen Studium als „Statistiker“ die kameralistisch „politischen Wissenschaften“ lehrende Sonnenfels-Schüler Johann Karl Hauk. Als Feind der römischen Kurie, Freund der Aufklärung und sogar als Anhänger der Französischen Revolution wurde Hauk nach Linz abgeschoben. Das Tiroler Gubernium zählte Hauk im August 1795 zu den „anstößigen hiesigen Professoren“, wobei „sich vorzüglich Hauk auszeichnet, der jüngsthin wider die Aburtheilung der Klubisten selbst gegen die hiesigen Räthe behaupten wolle, daß sie gesetzwidrig sey“. Im August 1794 war von den Polizeibehörden ein mit frühdemokratischen Ideen, mit Strömungen der französischen Revolution sympathisierender studentischer „Jakobinerklub“ ausgehoben worden. Rund 20 „Klubisten“ wurden verhaftet, zumeist Studierende italienischer Muttersprache: Sie sollen auch über die „Freyheit von politischen und religiösen Vorurtheilen“, über „die Freyheit, über alles ohne Scheu und Gefahr zu sprechen“, über eine demokratisch geeinte italienische Nation debattiert haben.[5]

So musste sich der Philosophieprofessor Friedrich Nitsche im Zeichen der franziszeischen Abwehr der Französischen Revolution 1793 wegen einer geplanten Rede „Trägt wohl die Aufklärung Schuld an den politisch moralischen Uebeln, welche ihr so gewöhnlich zur Last gelegt werden?“ rechtfertigen. Dabei hatte sich Nitsche als „wahrer Aufklärer“, dem die Idee der republikanischen Volkssouveränität fernlag, von der französischen Revolution zumindest in ihrer jakobinischen Phase, in der er nur die „die schamlose Heucheley eines Brissot, die tygermäßige Mordsucht eines Robespierre, die protheusische Wankelmuth eines Condorcet, die republikanische Schwärmerey eines Marat, die wegwerfende Schmeicheley eines Danton“ sah, offen distanziert. Nitsche fürchtete nichtsdestotrotz die Rückkehr „finsterer Zeiten“. Er trat für die Fortsetzung der josephinischen Reformen ein.[6]

Seit den späten 1770er Jahren war an der Universität Innsbruck zusätzlich eine „natürlich aufgeklärte“ Theologie einflussreich geworden. In Fragen des kirchlichen Vermögenswesens, der Pfründenverwaltung und der klerikalen Personalpolitik (Pfarrbesetzungen) vertraten die Innsbrucker Theologieprofessoren gerade auch in der Zeit der bayerischen Verwaltung entschieden die staatlichen Interessen. Einige der bei den „Tiroler Aufständischen“ um Andreas Hofer folglich verhassten Professoren wurden 1809 deshalb vorübergehend sogar nach Klagenfurt „abgeschafft“.[7]

Mit dem aus dem Benediktinerstift Fiecht im Tiroler Unterinntal hervorgegangenen Bibelwissenschaftler Andreas Benedikt Feilmoser hat die Innsbrucker „Aufklärungstheologie“ – so von ihren Gegnern abwertend bezeichnet – ihren wissenschaftlichen Protagonisten gefunden. So referiert die strikt römisch neuscholastisch ausgerichtete „Zeitschrift für katholische Theologie“, die von der 1857 neu gegründeten Innsbrucker „Jesuitenfakultät“ herausgegeben wurde, zustimmend aus den zeitgenössischen Gutachten: Feilmosers „Einleitung in die Bücher des Neuen Bundes für die öffentlichen Vorlesungen“ (erstmals 1810 erschienen) sei „zwar ziemlich gewandt geschrieben, aber oberflächlich gearbeitet und, worauf es hauptsächlich ankommt, durchaus von dem damals herrschenden Geiste des rationalistischen Kantianismus erfüllt“: „Der Autor betrachtet die Bücher der Hl. Schrift unter stillschweigender aber konsequenter Ausschaltung der übernatürlichen Auffassung, vom rein literarischen und philosophischen Standpunkte aus, als mehr oder weniger brauchbare Anleitungen zu einem ‚moralischen‘ Lebenswandel.“

Zermürbt von jahrelangen Untersuchungen nahm Feilmoser 1820 einen Ruf an die Universität Tübingen an. Dieser Ruf entsprach Feilmosers Rang als einem kritisch philologisch exakten Bibelwissenschaftler, der so auch viel zur Entwicklung der historischen Wissenschaft in Tirol beigetragen hat. In Tübingen verfasste Feilmoser zahlreiche Beiträge, die gerade im Licht der einsetzenden historistischen Quellenkritik Bedeutung erlangten, etwa 1823 eine Studie über „des Flavius Josephus Zeugniß von Christo“.[8]

1822/23 – in diesen Jahren schließt Echtermeyer seine Gymnasialjahre an der elitären Nachwuchskaderschmiede Schulpforta ab, um 1824 an der Universität Halle zu immatrikulieren – gelingt es dem Bischof von Brixen endlich die Innsbrucker „Aufklärungstheologie“ auch institutionell zu liquidieren, indem die Innsbrucker Fakultät geschlossen wird, und indem die Theologenausbildung von Innsbruck weg an die jeweiligen Diözesanseminare verlegt wird.

Der ständige (vor allem innerkirchliche) Zwist zwischen josephinisch frühliberalen und restaurativ „stockkonservativen“ Strömungen hat dann im Jahr 1831 zu einem schweren Konflikt zwischen der Innsbrucker Rechtsfakultät und dem beim philosophischen Studium angesiedelten Professor für Religionslehre Anton Rost geführt. Als 1831 ein Rechtspromovend die These: „Die Kirche hat kein Recht, trennende Ehehindernisse festzusetzen.“ vorlegte, protestierte Rost gegen diese „irreligiöse und akatholische“ Ansicht: Es sei „traurig, dass ein junger Mann ohne alle Begriffe von Recht und Kirche zur Erlangung der Doktorwürde an einer katholischen Lehranstalt als Katholik zugelassen wird“. In schimpfend verhaltensauffälliger Weise störte Rost die Doktordisputation. Der Streit mit Rost zog sich bis 1833 hin. Dann wurde Rost auf Betreiben der Tiroler Studienbehörden als Rektor an das erzbischöfliche Seminar in Prag versetzt, wo er allerdings als scharfer Ankläger und Gegner von Bernard Bolzano und Franz Exner ungleich größeren intellektuellen Flurschaden anrichten sollte.[9]

Am Ende des Vormärz bildet sich im Innsbrucker Universitätsumfeld ein politisch-literarisches Oppositionsmilieu, dem auch der junge Adolf Pichler (1819-1900) angehört. Hinweise, dass hier etwa die „Hallischen Jahrbücher“ gelesen wurden, gibt es bisher nicht. Der Innsbrucker Germanistikordinarius Josef Eduard Wackernell berichtet in einer 1925 vier Jahre nach seinem Tod von Anton Dörrer herausgegebenen Pichler-Biographie aber doch: „Im Herbst 1840 wandte [Pichler] sich dem Jus zu, weil es in Innsbruck eine medizinische Fakultät, welche er der Naturwissenschaft wegen studieren wollte, nicht gab und ihm die Mittel zum Besuch einer auswärtigen fehlten. Obgleich ihn nicht Liebe zum Jus zog, erfüllte er doch auch hier seine Pflicht, verwendete aber den Kraftüberschuss hauptsächlich zum Studium neuerer Sprachen und zur Erweiterung seiner Lektüre. Auch jetzt hörte er [Alois] Flir und gelangte in dessen Bekanntenkreis, mit dem er auch in der Folge, nachdem er Innsbruck verlassen, in dauernder Fühlung blieb. Demselben gehörten an Dr. Johannes Schuler, Archivar und Redakteur des ‚Tiroler Boten’ (damals das bedeutendste Blatt des Landes), [zwischen 1849 und seinem Tod 1858 auch Professor des Vernunft- und Strafrechts an der Universität Innsbruck] und Inhaber einer reichhaltigen Bibliothek, auch mit verbotenen Werken, weswegen die dankbaren Benützer sie scherzhaft die ‚Giftbude‘ hießen; der Geologe Dr. Michael Stotter, der Philosoph und Kaplan Sebastian Ruf, der Dichter Johann Chrys. Senn u.a.“[10]

In dieser Textpassage listet Wackernell – sieht man von Hermann Gilm ab – sehr viele relevante, am Rand des „deutschen Geisteslebens“ aktive Vertreter der liberalen, literarisch-geistigen Tiroler Opposition des späten Vormärz auf. Diese lockeren, politisch durchaus heterogenen, nur teilweise einem „radikaleren“ Liberalismus verpflichteten Gruppen sammelten sich nicht zuletzt in Reaktion auf die Restauration eines papsttreu ultramontan antimodernistischen Katholizismus, wie er sich um den Bozner Merkantilkanzler und adeligen Großgrundbesitzer Joseph Giovanelli und dessen Münchner Freund Joseph Görres formierte, und wie er 1837/38 in der niederschmetternden Ausweisung der Zillertaler Protestanten und der Rückkehr der Jesuiten nach Innsbruck sichtbar geworden war.[11]

Giovanelli wurde zu einer Hassfigur der fortschrittlich katholischen und liberalen Tiroler Vormärz-Intellektuellen um Johann Senn oder Hermann Gilm (1812-1864). In den Jahren von 1839 bis 1844 entstanden so Hermann Gilms „Jesuitenlieder“, u.a.: „Es geht ein finstres Wesen um, / Das nennt sich Jesuit; / Es lächelt nicht, ist still und stumm / Und schleichend ist sein Schritt.“[12]

Die im offiziellen, vorbereitenden Philosophieunterricht an Österreichs Universitäten bis 1848 dominanten, oft als „harmlos“ schulmäßig oder als schlicht „rationalistisch“ verrufenen, über amtlich verpflichtende Lehrbücher vorgeschriebenen Varianten einer „wolffischen Populärphilosophie“ konnten einen Adolf Pichler nicht interessieren. Pichler gestaltet in seinem Drama-Versuch „Der Student“ 1840 einen mit Hegel ringenden Hochschüler. Wackernell notiert zu Pichlers romantisch antikapitalistischen Tendenzen: „Von den großen Kampffragen der Zeit trat [Pichler] jene nach dem Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit am nächsten. 1840 fasste er den Plan, dieses Problem zur Grundlage eines Dramas ‚Der Student‘ zu machen, womit er doch bald ins Stocken geriet. Als echter Idealist nimmt er darin Stellung gegen den Fabrikherrn (das ‚scheußliche Bilanzgesicht‘), welcher, aller Romantik in Kunst und Natur abhold, Geist und Wissenschaft dem Gelde dienstbar machen will. Der Student hat viel Wissenschaft, besonders Philosophie getrieben, wartet daher gleich dem Leser mit ein paar Grundgedanken Hegelscher Philosophie auf. Dass Goethes ‚Faust‘ bei den Bruchstücken, in denen Knittelverse mit Drei- und Fünftaktern wechseln, eingewirkt, hat der Dichter selber mitgeteilt.“

Tief in der Nacht, „zerrissen von den Widersprüchen in Natur und Leben“ wendet sich der Student „zur Philosophie. Er blättert in Hegels Logik“: „Was ist das Sein? Ich mag’s nicht denken: / Da nimm den vollen Widerspruch! - / Das Nichts? Ja wohl, so sagt das Buch. / Wer kann das je zur Einheit lenken?“ Ein „Fabriksherr“ schikaniert seine Arbeiter, von denen einer protestiert: „So schlecht bezahlt und stets getrieben!“ Der Student ruft dem Fabrikanten entgegen: „Du scheußliches Bilanzgesicht!“

Im „Wirtsgarten beim Löwenhaus“ am Inn trifft sich eine bunte Gesellschaft: schwärmerische Studenten, brave Spießbürger, „böhmische Musikanten“, biedere Beamte, ein Polizeiagent und namentlich genannt der Professor des römischen Rechts und des Kirchenrechts Johann Kopatsch, von Pichler offenbar als trockener Bürokrat und mittelmäßiger Gelehrter eingeschätzt, der hieraus auch noch eine Tugend macht, so Kopatsch selbstzufrieden am Biertisch: „Was ich gesagt, stets bleibt es wahr: / Nur hübsch markiert im Mittelmaße, / Das ist gewiss die beste Straße!“

Der ebenfalls im Garten anwesende Johann Schuler geht „den Studenten“ schroff an, ob er noch seiner Hegel-Allüre nachhänge: „Sie hier! Wie geht’s? – Wird auch noch jetzt / Über das Nichts das Sein gesetzt?“ Ein Polizeispitzel will die Studenten provozieren. Der Student kann sich der Verhaftung entziehen, der zurückgebliebene Schuler meint mit Blick auf die gefürchteten österreichischen Strafkolonien: „Gradiska, Spielberg, Metternichs Ketten: / Die schnelle Flucht nur kann ihn retten!“

Zuvor hatte sich Pichler 1839 mit seinem, ebenfalls erst aus dem Nachlass veröffentlichten „dramatischen Bruchstück“ über Ulrich von Hutten an einen beliebten, zeitaktuell aufbereiteten historischen Stoff aus der Zeit der Bauern- und Reformationskriege herangemacht, beliebt auch nach 1848 wie Ferdinand Lassalles „Franz von Sickingen“ zeigen sollte.

1844 – im Todesjahr von Theodor Echtermeyer – rang Adolf Pichler, zu der Zeit Medizinstudent der Universität Wien, monatelang mit den Zensurbehörden um Druckerlaubnis für seine „Frühlieder aus Tirol“. Erst 1845 konnte Pichlers Almanach, zu dem auch Hermann Gilm mehrere Gedichte anonym beigetragen hatte, erscheinen. Die Zensur beanstandete etwa ein Gedicht als „leidenschaftlichen, schmähenden Ausbruch über die Jesuiten“.[13]

Der klassische Philologe und Kunstphilosoph Alois Flir (1805-1859, nach 1849 auch Berater des Minister Leo Thun-Hohenstein in Fragen der Hochschulreform, zuletzt geistlicher Rektor und Prediger an der deutschen Nationalkirche „Anima“ in Rom) hat Pichler die Dichtung von Goethe und Schiller, sowie die Kenntnis der spekulativen deutschen idealistischen Philosophie von Hegel oder Schelling vermittelt.[14]

Flir versuchte in seiner katholischen Kunstphilosophie christliche Offenbarung mit idealistischer Philosophie zu verbinden. In einer im Tiroler Landesmuseum liegenden Handschrift „Vorlesungen über Ästhetik“ notiert Flir: „Die Ästhetik als philosophische Wissenschaft in eigentlichem Sinne verdankt ihre Entstehung dem großen Schelling. (...) Aus dem Schellingschen Identitätssysteme ging der Hegelianismus hervor. Von Hegel selbst erschienen bereits 2 Bände der Ästhetik.“

Schon 1827 war Flirs Innsbrucker Lehrkanzelvorgänger Johann Baptist Niederstetter (1789-1849, 1832 als Bibliothekar nach Wien versetzt) im Verdacht gestanden, Zweifel am christlichen Offenbarungsdogma zu säen, antireligiöse Grundsätze aus Werken von Goethe und Schiller in den Raum zu stellen, sowie seinen Hörern verbotene Schriften, etwa jene von Rousseau, zugänglich gemacht zu haben.[15]

Vom Haller „Irrenhauskaplan“ Sebastian Ruf (1802-1877) – auch ihn lernte Pichler in einer der vielen um Flir oder Schuler versammelten losen Wirtshausgesellschaften kennen – wird berichtet, dass er in Vorbereitung seiner am Rande auch in materialistischem Sinn gehaltenen kriminalpsychologischen Studien Ludwig Feuerbach studiert hat. Rufs Studien über „psychische Delirien“ wagten sich für Tiroler Verhältnisse weit auf den Boden des naturwissenschaftlichen Materialismus vor. Pichler berichtet in seinen „Schattenbildern aus der Vergangenheit“, man habe Ruf den „atheistischen Pfaffen“ genannt.[16]

Johann Schuler (1800-1859), im späten Vormärz neben seiner Redakteurstätigkeit vor allem als ständischer Archivar tätig, vermittelte den Studierenden um Pichler zahlreiche „verbotene Schriften“. Wohl aus Schulers Büchersammlung kannte Pichler etwa Hegels „Phänomenologie des Geistes“. Schuler, bekannt wegen seines universal enzyklopädischen Wissens, wird das Verdienst zugeschrieben, die „geistige Verbindung“ Tirols mit den „deutschen Bruderländern“ wieder hergestellt zu haben. Die Polizeibehörden verdächtigten Schuler nicht ganz zu Unrecht, dass er verbotene Literatur, die er von amtswegen erhalten hatte, an Studenten weitergegeben hat. Aus eigenen Mitteln sammelte Schuler „große Theile der englischen, französischen und italienischen schönen und wissenschaftlichen Literatur“.

In einem 1840 abgefassten Beitrag „über die neueste schöne Literatur in Deutschland“ hat Johann Schuler Friedrich Schillers Einsatz für eine Nationalliteratur gelobt, gerade zu einem Zeitpunkt, als sich Goethe noch weiter aus der Geschichte geflüchtet habe, sich trotz des „Donners der Weltgeschichte“ immer weiter in „seine vornehme Abgeschlossenheit“ zurückgezogen, „unbewegt dem Laufe der Geschichte zugesehen“ und sich in einer Welt der „Steine, Knochen und Farben“ isoliert habe. Neben Schiller hätten Fichte mit den Reden an die deutsche Nation und die Gebrüder Schlegel mit ihren Shakespeare- und Calderon-Übersetzungen auch den Weg zu einer eigenständigen deutschen Nationalliteratur gewiesen.

Die „Aufklärerei“ habe mit ihrem dürren Verstandesdenken das abstrakt rationalistische Staats- und Kulturideal der Französischen Revolution befördert. Eine von Schuler begrüßte „poetische Auffassung der Gegenwart“ stellt sich ihm „als eine nothwendige Reaktion der Subjektivität gegen den abstrakten Gedanken in Staat, Kunst, Wissenschaft und Leben dar“. Die bei Hegel sichtbare Ablehnung einer rückwärtsgewandt irrationalen, deutschnationalen Romantik kritisiert Schuler: „Hegels Philosophie ist nur der riesige Schlußstein einer abgelaufenen Periode, dessen hervorragende Ecke indeß gegen das Gebiet der Zukunft sieht; er ist der neuen Richtung nicht feindlich, denn er erkennt das concrete Leben in seinem Werthe an, wenn er es gleich nicht in lebendiger Blüthe zu erhalten versteht, sondern es als getrocknete Pflanze in sein philosophisches Herbarium legt.“  

Das „bekannte Leben Jesu von Strauß“ scheint Schuler für die von ihm begrüßte ästhetisch-poetische Gegenwartsauffassung zu stehen, denn „nachdem die nüchternsten Rationalisten das historische Moment im Leben Jesu hinlänglich angefochten und auf die äußerste Spitze des Verstandes getrieben hatten, fühlte Strauß das Bedürfniß, dieses historische Element vollends durch Mythisirung gänzlich dem Gebiete der Poesie zu überantworten“.

Schuler stellt sich dabei 1840 gleichsam vermittelnd zwischen zwei Richtungen, die ihm als Gegenpol erscheinen, hier Joseph Görres, der den „Organismus des Mittelalters“ für „das Leben der Gegenwart“ geltend machen wolle, dort die „Dichter des jungen Deutschland“ – Schuler nennt „Gutzkows Wally“, welche „die Vergangenheit völlig ignorierend, beinahe die Gegenwart umgerannt hätten, um nun der von ihnen verheißenen Zukunft recht bald in die Arme zu fallen“, indem sie einen radikalen „Terrorismus der Poesie“ statuieren. Sie hätten aber das Verdienst „die neue Morgenröthe im Ganzen mit Geist und selbst mit persönlicher Aufopferung“ zu verkünden.

Im zweiten Teil seines Referats stellte Schuler Nikolaus Lenau, diesen „hoffnungsreichsten Genius“, sowie Ferdinand Freiligrath und Christian Grabbe einem Heinrich Heine gegenüber, der „als Dichter bereits erstorben zu sein scheint“. Gegen die „Frivolität“ von Heines „Buch der Lieder“ notiert Schuler: Heines „Liebenswürdigkeit, seine Eitelkeit, seine Sinnlichkeit, seine Frivolität, nichts kann er verschweigen; ist naiver als ein Kind, - die Naivetät selbst. Man hat diese Offenheit in moralischem Eifertone Unverschämtheit genannt – nun gut, es ist die Unverschämtheit des Kindes, das in der Dorfgasse im Hemdchen umherläuft.“ Schuler führte seinem Tiroler Publikum aber auch „glückliche Beispiele aus dem Buch der Lieder“ vor: „Besonders glücklich weiß sich Heine auch die Mährchenpoesie der deutschen Volkssage anzueignen und gerne ‚flüchtet er aus seiner eigenen zerrissenen Welt um ihn herum in das Reich des Mährchens, der Feen, Gnomen, Elfen und Alraunen‘.“

In seinen geschichtsphilosophischen Notizen verfocht Schuler ein idealistisch dialektisches, auch „organisch“ halb theistisch angehauchtes dialektisches „Entwicklungsprincip“, hervorgegangen aus der „Tiefe des deutschen Geistes“. Schuler wollte es in Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte“, aber auch im Deutschen Idealismus, im „Begriff des Absoluten“, in der Aufhebung des Gegensatzes von „Geist und Natur“ als eines „Offenbarungsmomentes desselben Einen Göttlichen“ vorgefunden wissen: „Es würde zu weit führen, wenn ich den Gang darlegen wollte, welchen die Philosophie der Geschichte in strenger logischer Entwicklung durch die Evolutionen des philosophischen Gedankens in der Aufeinanderfolge von Kant, Schelling und Hegel nahm.“

Als Vertreter Tirols im Frankfurter Nationalparlament wandte sich Schuler 1848/49 – so wie übrigens auch Adolf Pichler – polemisch verachtend gegen republikanisch (früh-) sozialistische Strömungen, so schreibt er im September 1848 an Sebastian Ruf: „Die Wühlereien in den untersten Volksklassen sind in ganz Mitteldeutschland sehr groß; man redet den Leuten ganz unmögliche Dinge vor, die ihnen die Republik in‘s offene Maul schieben würde, und so machen sie es einsweilen auf; um: Republik hoch! Hecker hoch! zu schreien!“ Schuler fürchtet die „Anarchie“ der Arbeiter und Bauern. Er spricht ihnen das Verständnis für die „ersten sittlichen Begriffe“ ab.[17]

Neben dem 1800 geborenen Johann Schuler gilt allen anderen voran der 1795 als Oberinntaler Landrichtersohn geborene Johann Chrysostomus Senn (gest. 1857) als entscheidend für Adolf Pichlers intellektuelle Biographie. Adolf Pichler widmete seinem außeruniversitären Lehrmeister in den 1860er Jahren einen eindrucksvollen Nachruf. Pichler bedauerte, dass Senn am Ende des 19. Jahrhunderts allenfalls durch den „rothen Tiroler Adler“ bekannt war, dass Senn selbst mit diesem Lied das Schicksal erleiden musste, teils zu Souvenirkitsch (Tabakpfeifen) herabzusinken, um später im 20. Jahrhundert gar für tirolisch deutschvölkische Propaganda herhalten zu müssen, Pichler: „Populär wie kein anderes Gedicht eines Tirolers ist nur sein ‚Tiroler Adler‘, der von Verschiedenen komponiert, häufig gesungen wird und selbst strophenweise auf den Köpfen von Tabakspfeifen angebracht ist.“[18]

Senn, ab 1807 in Wien aufgewachsen, unter anderem als Wiener Student und Privatlehrer auch einem Kreis um Franz Schubert, der zwei seiner Texte („Selige Welt“, „Schwanengesang“) vertonte, angehörend wurde 1820 im Zug einer gegen burschenschaftliche „Demagogen“ gerichteten Polizeiaktion verhaftet und nach einjähriger Haft in das ihm längst fremde Tirol abgeschoben, wo er schon nach wenigen Jahren verelendete, völlig verarmte. Nachdem Senn verboten worden war, weiter als (Haus-) Lehrer tätig zu sein, konnte er sich nie lange in öd subalternen Stellungen als „Abschreiber“ (in Advokaturskanzleien) halten. Er musste sich vielmehr über ein gutes Jahrzehnt bis Anfang der 1830er Jahre als Soldat, ab 1828 als Leutnant verdingen, so Pichler: „Endlich nahm er Einstandsgeld für ein Muttersöhnchen und wurde im Regiment Kaiserjäger gemeiner Soldat.“ Gesundheitlich erledigt schied Senn mit einer minimalen Jahrespension von 200 Gulden aus dem Militärdienst, um sich fortan auch mit gelegentlichen Schreibereien als „Diurnist“, also als schreibender Taglöhner, und als Winkeladvokat durchzuschlagen.

In seiner prekär marginalisierten Lage – ohne jede Stellung – zunehmend auch an Depressionen leidend und dem Alkohol verfallen – habe sich Senn angesichts seines wirklichen Elends keinen modischen „Weltschmerz“ leisten können, auch nicht die später ihm gerne zugeschriebene Rolle des „Außenseiters“ und des „Rebellen“: „Senn ist kein liebenswürdiger Poet, der mit einem Lächeln anlockt; er hatte zu viel wahres Elend getragen, um mit dem Weltschmerz zu kokettieren.“ Von da aus interpretiert Pichler auch Senns Aversion gegen Heinrich Heine: „Senn erzählt eine Fabel: er habe im Frühling mit größtem Entzücken einer Nachtigall zugehorcht, als er jedoch hinter den Busch sah, Heine gefunden, der die Melodien nachpfiff, und sich mit Ekel abgewendet. Das schroffe Urteil begreift man bei Senn, der von seinen Versen [einleitend 1838 – Anm.] rühmte: ‚Ich habe sie gelebt und nicht gedichtet.‘“

Pichler schätzte Senn im Rückblick als den „Grabbe der Lyrik“. Er bedauerte nur, dass sich Senn kaum mit August Platen oder Georg Herwegh beschäftigt hat. Er begrüßte es, dass sich Senn nur am Rande von „den Romantikern“ beeinflussen ließ. Vor allem habe sich Senn dem von Hegel, übrigens auch später von Arnold Ruge oder Theodor Echtermeyer inkriminierten, aller „Vernunfteinsicht“ unzugänglichen romantischen „Brei des Herzens“ entzogen, oder wie es Pichler formuliert: „ihrem nebelhaften Zauber“.

Pichlers spätem Bericht zufolge ist Senn in seinen Wiener Jahren vor 1820 über das Schelling-Studium zu Fichte und Hegel gelangt: „Später ging Senn (…) durch Fichte zu Hegel über; treu begleitete er alle Phasen deutscher Philosophie und gelangte dadurch auf einen Standpunkt geistiger Freiheit, wie ihn in Tirol nur der Kaplan des [Haller] Irrenhauses Sebastian Ruf erreichte.“

In einem Nachruf auf den späteren Wiener Ministerialreferenten und Juristen der österreichischen liberalen Verfassungsära ab 1860 Hans Perthaler, einen drei Jahre älteren, 1816 geborenen Studienfreund kommt der alte Adolf Pichler auf sein Hegel-Studium zu sprechen. Perthaler hatte sich neben dem Jus-Studium auch eine enorme philosophische Vorbildung angeeignet: „Er kannte die Alten; dann finden wir Auszüge und Bemerkungen über Spinoza, Schelling, Baader; seiner dialektischen Natur entsprach aber am meisten Hegel, der vor 1848 in Tirol viel von jungen Leuten studiert wurde.“ Von da ausgehend erinnert Pichler etwas idyllisierend an seine Innsbrucker Studienjahre beginnend Ende der 1830er Jahre, - wie er und seine Kollegen „unter den Kastanien im Wirtsgarten mit dem alten J. Senn über Sätze aus der Phänomenologie disputierten und einer oder der andere wohl ein griechisches Zitat aus Plato oder Aristoteles dazwischen warf“.

Pichler kommt immer wieder auf Senns „Glossen aus Goethes Faust“ und auf Szenen aus dessen Hegel-Studium zu sprechen: „Schloss sich um ihn ein Kreis Studenten, deren er viele aus der Bibliothek kannte, wo er gewöhnlich über Hegel brütete, so ließ er sich auch wohl bewegen, ein oder das andere seiner Gedichte, am liebsten ‚Napoleon‘, vorzutragen. Es geschah mit eigentümlich dumpfem Dröhnen der Stimme. Dann versank er leicht in Sinnen, schüttelte den Kopf und rief mit schmerzlichem Lächeln: ‚Glaubt mir, es ist alles nichts, es ist alles nichts, nichts, nichts!‘“

Simon Marian Prem folgte in seiner „Geschichte der neueren deutschen Literatur in Tirol“ – (1922 zwei Jahre nach Prems Tod aus dem Nachlass herausgegeben) Pichlers Deutung von Senns Weg von der „geistige Trunkenheit“ hervorrufenden Schelling’schen „pantheistischen“ Identitätsphilosophie zu Hegels „panlogischem System“: Hegels Wissenschaftslehre, sowie dessen „Gedanke vom steten Fortschreiten des Geistes“ habe Senn und seine Wiener Freunde „nicht bloß hoffen, sondern auch fordern“ lassen: „Alle Überlieferung stand vor der Vernunft zur Diskussion.“[19]

In den wohl knapp vor 1820 entstandenen Notizen zu Hegels „Phänomenologie“ beschreibt Senn selbst seinen Weg als einen notwendigen von der zu überwindenden Kantschen Vernunftkritik über die die bloße „intellektuelle Anschauung“ bei Schelling zu Hegels logischen Vermittlungen. Noch waren die zahlreichen österreichischen Warnrufe vor Hegel, so jener von Franz Grillparzer von der „Phänomenologie“ als einer bloßen „Phantasmagorie“ und schwer überwindbaren „Unheilsstiftung“, sowie einer geistigen „Quecksilbervergiftung“ nicht so dominant im Umlauf. Senn hält in einer seiner Hegel-Thesen jedenfalls optimistisch fest: „Nach Kant selbst sollte der Mensch Gott und die Wahrheit nicht zu erkennen im Stande seyn. Es ist kein Grund dieser Lehre denkbar, ja sie ist gar nicht zu fassen. Fichte war nur die höchste Spitze des kritischen Bewußtseyns in seiner einseitigen subjektiven Reflexion. In Schelling war zwar die Vereinigung von Subjekt und Objekt, ein absolutes Erkennen der Wahrheit, aber nur als ein unmittelbares Schauen derselben, als intellektuelle Anschauung. So gewiss es nun einen unwiderstehlichen Trieb nach Wahrheit gibt, so gewiss mußte diese als durchaus erkennbar nicht bloß postulirt, sondern auch nachgewiesen werden, welcher Nachweis aber zunächst nur durch die Kritik aller unwahren, nur der Erscheinung angehörigen Weisen des Wissens geleistet werden konnte, was in der Phänomenologie geschah.“[20]

Nach Barbara Otto (1992) hat Senn die Hegelsche Philosophie auch mit heilsgeschichtlich chiliastischen Erwartungen aufgeladen, so wenn er 1827 an einen Freund schreibt: Alles würde auf immer im gesellschaftlichen Elend, „im Erdgrund begraben und betäubt“ liegen, wenn es nicht die idealistische Philosophie erlauben würde, „wenigstens mit dem Haupte frey darüber empor“ zu ragen und „anticipirend die Himmelslüfte“ zu erstürmen. Ohne die idealistische Philosophie würde die Welt nach Senn ein „großes Cömeterium“, also ein riesiger Begräbnisplatz.[21]

Nach Pichler hat Senn mit seinen Sonetten, mit seiner politischen Lyrik seit den späten 1830er Jahren zur radikalisierenden und damit zur klärenden Spaltung in einem bis dahin diffusen geistigen, zum Schein harmonischen Tiroler Oppositionsmilieu beigetragen, - einem Umfeld, das sich in den späten 1820er Jahren um den nur kurz erscheinenden Literatur-Almanach „Alpenblumen aus Tirol “ gesammelt hatte, das von freigeistig katholischen Kreisen (wie Alois Flir, dem „zur Mystik“ neigenden Marienberger Benediktiner Beda Weber), hin zu dem sich nach 1848 von seinen „Jesuitenliedern“ distanzierenden, doch noch zum loyalen habsburgischen Beamten entwickelnden Hermann Gilm oder bis hin zum – so Pichler – im Grunde doch nur „zahmen Liberalen“ Johann Schuler oder dem in seiner liberalen Position schwankenden späteren Bozner Bürgermeister Josef Streiter reichte. Pichler betont, dass sich Senn zu seiner militanten Dichtung bekannt hat, während ein Hermann Gilm seine Lieder schon anfangs nur anonym verdeckt veröffentlichte, oder während ein Johann Schuler als Redakteur des amtlichen „Boten für Tirol und Vorarlberg“ Senns 1838 veröffentlichten, ohnedies von der Zensur entstellten Band „Gedichte“ verschwiegen hat.

Laut Pichler warf Senn um 1840 „eine Granate, deren Splitter weithin und lange fruchtbar wirkten: eine Anzahl Sonette gegen die Zensoren [Jakob] Probst und [David] Moriz, zumeist jedoch gegen Joseph von Joseph Giovanelli gerichtet“. Im Unterschied zu Gilm „verleugnete der eherne Senn seine Verse nicht“, so auch nicht sein Sonett „Ultra“ gerichtet gegen die ultramontan reaktionären Neukatholiken um Giovanelli oder Görres: „Ein crasser Hyperkatholik bin ich / Des Fanatismus Wut begeistert mich, / Kann ich verfolgen, ist mir um so wohler. / Auf Geisteswerke lass ich gift’gen Geifer, / Die Zillertaler spürten meinen Eifer, / Der Kaiser Franz war mir noch zu Josephisch. / Die Klerisei ist mir zu wenig pfäffisch / Der Papst auch ist mir nicht genug Papst / Und Christus selbst mir fast zu wenig Christ.“ Im „Hannes“-Sonett spielt Senn auf den italienisch klingenden Familiennamen „Giovanelli“ an: „Auf wälsches Hännschen deutet auch mein Namen, / Doch bin ich ganz ein derber teutscher Hannes.“

Als Zensor zog sich vor allem der josephinisch gesinnte Theologieprofessor und nun in seiner Eigenschaft als Tiroler Gubernialrat auch für die Bücherzensur zuständige Jakob Probst die Aversion von Senn zu. In seinem „Pluto“ spottet er: „Mein Vorfahr war ein Freigeist, lockrer Zeisig, / Ich bin ein orthodoxer Obskurant / (…) / Ich schmatze dreimal, rufe: Fade! Fade! / Und fällig sind die Geister ohne Gnade.“

 


[1] Vgl. Hendrik Stein: [Rezension von] Der Redaktionsbriefwechsel der Hallischen, Deutschen und Deutsch-Französischen Jahrbücher (1837-1844), 3 Bände, hrg. von Martin Hundt (Berlin 2010), in: Literaturbetrieb und Verlagswesen im Vormärz, hrg. von Christian Liedtke (Forum Vormärz Forschung. Jahrbuch 16, 2010), Bielefeld 2011, 319-324.

[2] Vgl. Martin Hundt: Theodor Echtermeyer (1805-1844). Biographie und Quellenteil mit unveröffentlichten Texten. (=Forschungen zum Junghegelianismus 19), Frankfurt 2012.

[3] Vgl. Christoph Hartung von Hartungen: Studien zur Sozialgeschichte Tirols im Vormärz (1814-1848), phil. Diss., Innsbruck 1985 oder Thomas Götz: Bürgertum und Liberalismus in Tirol 1840-1873. Zwischen Stadt und „Region“, Staat und Nation, Köln 2001.

[4] Vgl. Gerhard Oberkofler: Studien zur Geschichte der österreichischen Rechtswissenschaft (=Rechtshistorische Schriftenreihe 33), Frankfurt 1984, 178ff. oder Gerhard Oberkofler und Helmut Reinalter (Hrg.): Naturrecht und Gesellschaftsvertrag im österreichischen Vormärz. Ein „Promemoria“ von Sebastian Jenull und ein „Versuch“ von Anton Freiherr von Hye-Glunek [1837], Innsbruck 1988.

[5] Tiroler Landesarchiv, Jüngeres Gubernium, Faszikel 2993 aus 1795 („Studien“) und Faszikel 3472 aus 1795 („Polizei“). Vgl. Helmut Reinalter: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. Zur Geschichte des Jakobinertums und der frühdemokratischen Bewegungen in der Habsburgermonarchie, Wien-Köln-Graz 1980, 325-349.

[6] Österreichisches Staatsarchiv. Allgemeines Verwaltungsarchiv. Unterricht 28/9 - A/1792, Studienabteilung, Blatt 207-237.

[7] Vgl. Manfred Brandl: Die Theologische Fakultät Innsbruck 1773-1790 im Rahmen der kirchlichen Landesgeschichte, Innsbruck 1969, 134-192 und Andreas Mitterbacher: Der Einfluss der Aufklärung an der theologischen Fakultät der Universität Innsbruck (1790-1823), Innsbruck 1962.

[8] Vgl. Hartmann Strohsacker (OSB Göttweig): Aktenstücke zum Falle Feilmoser 1816 und 1819, in: Zeitschrift für katholische Theologie 42 (1918), 676-684. Vgl. auch Martin E. Urmann: Isolierte Aufklärung, marginaler Liberalismus? Überlegungen zur intellektuell-ideologischen Geschichte der Universität Innsbruck im „langen“ 19. Jahrhundert, in: Nachklänge der Aufklärung im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift Werner M. Bauer, hrg. von Klaus Müller-Salget und Sigurd Paul Scheichl, Innsbruck 2008, 151-164 und Matthias Blum: Andreas Benedikt Feilmoser (1777-1831), ein bedeutsamer Exeget der Katholischen Tübinger Schule, in: Zwischen katholischer Aufklärung und Ultramontanismus. Neutestamentliche Exegeten der ‚Katholischen Tübinger Schule‘ im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die katholische Bibelwissenschaft, hrg. von Matthias Blum und Rainer Kampling, Stuttgart 2012, 103-130.

[9] Zur Innsbrucker „Rost-Affäre“ vgl.  Gerhard Oberkofler: Zur Geschichte der Philosophischen Fakultät Innsbruck im Vormärz, in: Tiroler Heimat 36 (1972), 105-130.

[10] Josef Eduard Wackernell: Adolf Pichler (1819-1900). Leben und Werke, nach dem Tode Wackernells herausgegeben von Anton Dörrer, Freiburg 1925, 9, 12f. und Adolf Pichler: Der Student (1840), in derselbe: Dramatische Dichtungen (=Gesammelte Werke 16), München-Leipzig 1907, 19-45.

[11] Vgl. Florian Huber: Joseph von Giovanelli (1784-1845). Der Akteur im Hintergrund, in: Zeitgeist 1790-1830. Ideologie, Politik, Krieg in Bozen und Tirol, hrg. vom Museumsverein Bozen, Bozen 2011, 79-86 oder Nicole Priesching: Der Konflikt zwischen Ennemoser und Giovanelli um die Deutung der Maria von Mörl, in: Für Freiheit, Wahrheit und Recht! Joseph Ennemoser & Philipp Fallmerayer. Tirol von 1809 bis 1848/49, hrg. von Ellen Hastaba, Innsbruck 2009, 141-150, sowie zuvor Nikolaus Grass (gemeinsam mit Hans Hochenegg): Joseph Görres und Tirol (1976), jetzt in derselbe: Wissenschaftsgeschichte in Lebensläufen, hrg. von Louis Carlen, Hildesheim 2001, 324-346.

[12] Hier zitiert nach Anton Dörrer: Hermann von Gilms Weg und Weisen, Innsbruck 1924, 103f.

[13] Vgl. Anton Unterkircher: Zensuriert und politisch verfolgt?, in: Adolf Pichler (1819-1900). Die verlorenen Seelen von Malcesine, hrg. von Johann Holzner, Lenka Schindlerová und Anton Unterkircher, Innsbruck 2019, 189-202; Vgl. auch Christian Schwaighofer: Literarische Gruppen in Tirol. Vereine, Zeitschriften, Almanache 1814-1914, phil. Diss., Innsbruck 1983, 70-83 und schon zuvor Hans Lederer: Zu Adolf Pichlers „Frühliedern aus Tirol“, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 1929, 243-249.

[14] Vgl. Franz Anton Lanznaster: Alois Flir. Eine biographisch-literarische Studie, Innsbruck 1899, 28f., 66-75.

[15] Zu Niederstetter Ronald Bacher: Prälat Alois Röggl und das Stift Wilten von 1820 bis 1851, phil. Diss., Innsbruck 1984, 70-99. Dazu auch Zoran Konstantinovic: „In der praktischen Philosophie ist ihm die Menschenwürde das Wesentlichste …“ Zu Franz Miklosic‘ Bewerbung um die Innsbrucker Lehrkanzel für Philosophie 1838/39, in: Österreichische Osthefte 33 (1991), 95-103.

[16] Vgl. Ferdinand Lentner: Sebastian Ruf. Irrenhaus-Kaplan zu Hall in Tirol als Seelenforscher. Ein Beitrag zur Lehre von der Zurechnung im Strafrecht, Innsbruck 1902.

[17] Vgl. Johannes Schuler: Gesammelte Schriften, nebst einem kurzen Lebensabschnitte des Verstorbenen herausgegeben von seinen Freunden, Innsbruck 1861, XVIII, XIX, XLIf., 127-165, 204f. Zu den auch von bürgerlich liberalen Kreisen mit Misstrauen und antiplebejischen Ressentiments beobachteten „Vorboten der Tiroler sozialistischen Arbeiterbewegung“ in den 1840er Jahren, zu diversen Polizeiaktionen, zur Verhaftung von Tiroler Handwerkswandergesellen wegen Propagierung der „Grundsätze und Lehren des Communismus durch mündlichen Unterricht und Mitteilung der bezüglichen Broschüren“ im Jahr 1846 vgl. Gerhard Oberkofler: Die Tiroler Arbeiterbewegung. Von den Anfängen bis zum Ende des 2. Weltkrieges, 2. Auflage, Wien 1986, 1-9 oder Michael Forcher: Die geheime Staatspolizei im vormärzlichen Tirol und Vorarlberg, phil.Diss., Innsbruck 1966.

[18] Vgl. auch im folgenden Adolf Pichler: Zur Tirolischen Literatur (=Gesammelte Werke 12), München-Leipzig 1908, hier neben dem separaten Nachruf auf Johann Senn (S. 99-129) auch die Einschätzung von Senn im Rahmen eines Beitrages „zur neueren deutschen Dichtung in Tirol“ (S. 216-224) und im Rahmen des ebenfalls hier (S. 160-174) abgedruckten Nachrufs auf Hans Perthaler.

[19] Simon Marian Prem: Geschichte der neueren deutschen Literatur in Tirol. Vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Innsbruck 1922, 143. Das „Anti-Probst-Pluto“- und das „Hannes-Sonett“ sind im Folgenden nach Prems vorliegender „Geschichte“, 187f. zitiert, das „Ultra-Sonett“ nach dem oben zitierten zwölften Band der Pichler‘schen Werke, 223. Nicht nur in Tirol, sondern auch um das Brünner Augustinerkloster oder in Kärnten gab es eine (links-) hegelianische Vormärz-Szene. Vgl. Eduard Winter: Romantismus, Restauration und Frühliberalismus im österreichischen Vormärz, Wien 1968, 231f. und für Kärnten Wilhelm Baum: U. Jarnik – F.E. Pipitz und V. Rizzi. Drei Reformtheoretiker des Vormärz in Kärnten, in: Verzögerter Humanismus – Verzögerte Aufklärung III. Bildung und Einbildung. Vom verfehlten Bürgerlichen zum Liberalismus. Philosophie in Österreich (1820-1880), hrg. von Michael Benedikt, u.a., Wien 1995, 227-245.

[20] Zur Kant- und Hegel-Ferne der „österreichischen Philosophie“, zur Rezeption des „realistischen“ J.F. Herbart vgl. Werner Sauer: Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration. Beiträge zur Geschichte des Frühkantianismus in der Donaumonarchie, Amsterdam 1982 oder die 1833/34 gegen Hegel gerichteten Briefstellen in: Der Briefwechsel Bernard Bolzano’s mit F[ranz] Exner (=Bernard Bolzanos Schriften 4), hrg. von Eduard Winter, Prag 1935, 37f., 43f.

[21] Referiert und zitiert nach Barbara Otto: „Solche Art negativer Freyheit“. Politische Repression um 1820 und das Bedürfnis der Philosophie: Johann Chrysostomus Senns philosophischer Kommentar zu Hegels ‚Phänomenologie des Geistes‘, in: Verdrängter Humanismus – Verzögerte Aufklärung II. Österreichische Philosophie zur Zeit der Revolution und Restauration (1750-1820), hrg. von Michael Benedikt, Reinhold Knoll und Wilhelm Baum, Wien 1992, 877-920. Bei Barbara Otto ist nicht nur Senns im Tiroler Landesmuseum verwahrte Hegel-Handschrift erstmals abgedruckt. Sie wertet auch die im Allgemeinen Verwaltungsarchiv in Wien liegenden polizeilichen Untersuchungsakten gegen Senn aus dem Jahr 1820 erstmals aus. Ähnliche anti-burschenschaftliche Untersuchungen fanden 1822 in Innsbruck statt. Zum hier 1822/23 polizeilich liquidierten Studentenverein „Melioratio“ vgl. Peter Goller: Die Vorarlberger Studenten an der Universität Innsbruck 1849-1880, in: Alemannia Studens 3 (1993), 21-87. Vgl. auch Moriz Enzinger: J.Chr. Senns „Glossen zu Faust“, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 1927, 190-212 und Moriz Enzinger (Hrg.): Franz von Bruchmann der Freund J.Chr. Senns und des Grafen Aug. von Platen. Eine Selbstbiographie aus dem Wiener Schubertkreise nebst Briefen, in: Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum in Innsbruck, Innsbruck 1930, 117-379.

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