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Was ist Zeitgeschichte?

Zeitgeschichte ist ein dynamisches und sich wandelndes Teilgebiet der Geschichtswissenschaften. Einen Konsens über Abgrenzung, Profil und Methoden wird man allerdings vergeblich suchen. Die klassische Definition von Hans Rothfels („Zeitgeschichte als Aufgabe“, 1953), Zeitgeschichte sei die „Geschichte der Mitlebenden und ihre wissenschaftliche Behandlung“, hat zumindest im deutschsprachigen Raum wohl weiterhin ihre Gültigkeit. Das Fach wandert mithin mit der Zeit, aktualisiert sich stets von selbst. Es ist insofern kaum sinnvoll von einer Gegenwartsgeschichte abgrenzbar. Dementsprechend fallen aber auch ständig Zeiten und Themen aus ihrem Zuständigkeitsbereich heraus. Die Definition wird allerdings bereits bei Rothfels dadurch verkompliziert, dass sie nicht allein generationenbezogen bleibt, sondern sachlich-thematisch erweitert wird: mit dem Hinweis auf eine „neue universalgeschichtliche Epoche“, die sich mit den Jahren 1917/18 (Kriegseintritt der USA und russische Revolution) abzuzeichnen begonnen habe. Rothfels zielte damit aber nicht nur auf eine stabile historische Konstellation, sondern auch auf eine neue Form der Transnationalität von Entwicklungen ab, die dem nationalstaatlichen Zeitalter noch nicht eigen war.     


Grenzen

Unabhängig von der Tatsache, dass es eindeutige und klar bestimmbare Epochengrenzen ohnehin nicht gibt, werden die Grenzen von „contemporary history“, „histoire contemporaine“ bzw. „histoire du temps présent“, „storia contemporanea“ oder „historia contemporánea“ in verschiedenen nationalgeschichtlichen Kontexten durchaus sehr unterschiedlich gezogen – entlang von für die jeweiligen Nationen entscheidenden Einschnitten. Sie wandert auch mit neuen epochalen Umbrüchen mit: In Deutschland hat sich nach 1989 der Fokus der zeitgeschichtlichen Forschung deutlich auf die Nachkriegsgeschichte der beiden deutschen Staaten verschoben. Auch in Österreich ist das Jahr 1989 nicht ohne Folgen geblieben. International entwickelt sich das Fach gegenwärtig stärker in Richtung transnationaler europäischer und globaler Perspektiven, jenseits der traditionell dominierenden nationalen Bezugsrahmen. 


Zeitgeschichte als historische Teildisziplin

Zeitgeschichte hat Anteil an der Einheit der Geschichtswissenschaften, hat sich aber ihrerseits mittlerweile zu einem vielfältig untergliederten Fach entwickelt, in dem durchaus unterschiedliche Methoden und Zugänge verfolgt werden. Die etablierte(n) historische(n) Methode(n) verbinden sie mit den anderen Teildisziplinen des Fachs. Zeitgeschichte kennt aber sehr wohl spezifische Anwendungen dieser Methoden sowie spezifische Herausforderungen und Probleme, die sich vor allem aus der besonderen Quellenlage ergeben: Aktenfülle und mangelnde Unterlagen bestimmen das Fach zugleich, ebenso der oft irreführende Charakter amtlichen Materials; mit Tondokumenten, Fotografie und Film, inzwischen aber auch dem Internet geraten besondere Quellenarten neben der klassischen schriftlichen Überlieferung in den Blick; Zeitzeugen erlauben einen gänzlich anderen Zugang zur Geschichte, wie er uns für weiter entfernt liegende historische Epochen verwehrt ist. Die mangelnde historische Distanz – oft als Vorwurf an die Zeitgeschichte formuliert – und die damit verbundene Betroffenheit und Gegenwartsbedeutung lassen ihr stets eine gesellschaftspolitische Aufgabe zukommen.  


Zeitgeschichte in Innsbruck

Um Zeitgeschichte als eigenständiges Fach in Forschung und Lehre zu etablieren, wurde an der Universität Innsbruck 1984 das Institut für Zeitgeschichte errichtet. Es wurde von o. Univ.-Prof. Dr. Rolf Steininger, der 1983 nach Innsbruck berufen worden war, aufgebaut und bis zu seiner Emeritierung im Herbst 2010 geleitet. 2002 wurde es von einer Kommission der „European Science Foundation“ evaluiert und als „Center of Excellence“ eingestuft. Gewürdigt wurde damit die knapp 20jährige Arbeit des Instituts auf höchstem Niveau: mit einer Vielzahl von national und international verankerten Forschungsprojekten, einer umfangreichen Publikationstätigkeit (einschließlich einer eigenen Institutsreihe), regelmäßigen namhaften ausländischen Gastprofessor/innen, prominent besetzten Konferenzen und Vortragsveranstaltungen sowie einer Reihe angesehener Auszeichnungen und Ehrungen für die Institutsmitarbeiter/innen.       


Schwerpunkte

An der Universität Innsbruck wird das Fach Zeitgeschichte vom Institut breit vertreten: In Forschung und Lehre wird die gesamte Geschichte des 20. Jahrhunderts bis hin zum Beginn des 21. Jahrhunderts abgedeckt, einschließlich der zum Verständnis ihrer Entwicklung notwendigen Vorgeschichte(n). Berücksichtigt werden dabei regionale und nationale Aspekte ebenso wie die globale Ebene und transnationale Verknüpfungen. In den Blick kommen die Geschichte(n) Tirols und Südtirols, Österreichs und Europas, aber auch der beiden Amerikas, Afrikas und Asiens. Neben politik- und diplomatiegeschichtlichen Zugängen werden zudem kulturwissenschaftliche Fragestellungen mit ihren transdisziplinären Perspektiven aufgenommen.

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