Über DYR

DYR – Declare Your Rights – ist ein Service der Universität Innsbruck, der im Rahmen des EU Projekts ARROW erprobt werden soll. Es geht darum herauszufinden, wieviele RechteinhaberInnen von sogenannten verwaisten Werken – in diesem Fall von Dissertationen – mit einfachen Mitteln ausfindig gemacht werden können bzw. bereit sind, eine Stellungnahme in Bezug auf die Nutzungsrechte an ihren Werken abzugeben. Die Ergebnisse dieses Pilotprojekts werden nach Abschluss des Projekts auf diesen Seiten veröffentlicht werden.

Verwaiste Werke

Hintergrund für den Service ist die Diskussion um die Problematik der verwaisten Werke. Um sogenannte verwaiste Werke handelt es sich, wenn man – mit vertretbarem Aufwand – die Rechteinhaber eines urheberrechtlich geschützten Werkes nicht mehr ausfindig machen kann. Diese Situation trifft auf viele Werke in den unterschiedlichsten Medien zu, man denke etwa an namentlich nicht gekennzeichnete Zeitungsartikel, oder an Mitwirkende bei Filmwerken, oder an Fotos aus einem Archiv. Auch bei den von uns digitalisierten 215.000 Dissertationen aus den Jahren 1925 bis 1988 wird es in der Mehrzahl der Fälle kaum gelingen, den Urheber, oder aber die Erben ausfindig zu machen. Das bedeutet nun, dass – auch wenn jemand bereit wäre den Rechteinhaber zu kontaktieren und die Nutzungsrechte einzuholen, um z.B. diese Sammlung für die Wissenschaft zu öffnen – er gar keine Gelegenheit bzw. Ansprechpartner findet, um einen Nutzungsvertrag abschließen zu können. Das derzeit geltende Urheberrecht geht auf diese "praktischen Schwierigkeiten" nicht ein – und die Nutzungsrechte liegen bis auf wenige Ausnahmen bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bei den Rechtsnachfolgern.

EU Richtlinie zu den "verwaisten Werken"

Aufgrund der genannten Schwierigkeiten hat das EU Parlament eine Richtlinie zur Problematik der verwaisten Werke beschlossen, in der einige allgemeine Regeln aufgestellt werden, wie mit den oben geschilderten Fällen verfahren werden kann. Damit sollen Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen das Recht erhalten, verwaiste Werke zu digitalisieren und im Internet zur Verfügung zu stellen. Folgende Bedingungen sind dabei zu beachten:

  • Es muss eine "sorgfältige Suche" durchgeführt werden, um die Rechteinhaber zu ermitteln. Was genau eine solche "sorgfältige Suche" ist, das muss im einzelnen definiert werden – und hier sind entsprechende Diskussionen im Gang. Nur wenn die Suche zu keinem Ergebnis führt, dann handelt es sich um ein "verwaistes Werk".

  • Die Suche muss dokumentiert sein, d.h. die Quellen und wann diese konsultiert und ausgewertet wurden, muss nachvollziehbar sein und für eine spätere Prüfung aufbewahrt werden.

  • Der Name des Urhebers (sofern vorhanden), der Titel und andere Metadaten zum (digitalisierten und veröffentlichen) Werk müssen an eine zentrale Registrierungsstelle der EU übermittelt werden.

  • Jene Rechteinhaber, die nicht ermittelt werden konnten, die jedoch auf die Digitalisierung und Veröffentlichung ihres Werkes im Internet aufmerksam werden, müssen – sofern sie dies wünschen – eine angemessene Entschädigung erhalten. Nach welchen Kriterien diese Entschädigung berechnet werden soll, bzw. wer diese Entschädigung bezahlt, das bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen.

EU Projekt ARROW+

Unabhängig aber zeitlich parallel zur oben genannten EU Richtlinie wurden von der EU Kommission seit 2009 die Projekte ARROW bzw. das Nachfolgeprojekt ARROW+ gefördert, die sich ebenfalls mit der Problematik der verwaisten Werke beschäftigen. Das Ziel der Projekte ist es eine elektronische "Infrastruktur zur Rechteinformation" zu entwickeln, die es ermöglicht, die oben geforderten Schritte zur Ermittlung des Status "Verwaistes Werk" möglichst einfach, effizient und sicher durchführen zu können. Getragen wird das Projekt, das über mehr als 20 Partnerorganisationen in Europa verfügt und von AIE (Associazione Italiana Editori) koordiniert wird, vor allem von IFRRO (International Federation of Reproduction Rights Organisation), FEP (Federation of European Publishers) und TEL/Europeana (The European Library bzw. Europeana Foundation). 

Um die ohnehin schon komplexe Angelegenheit nicht noch unnötig zu belasten, konzentriert sich das ARROW Netzwerk auf verwaiste Bücher. Die Rechteinformationsinfrastruktur ARROW soll nach Abschluss des Projekts von einer unabhängigen Organisation fortgeführt und als Service für Bibliotheken angeboten werden. Nähere Informationen zum Projekt finden sich auf der Projektwebsite.

DYR-Pilotservice

Auch wenn sich ARROW in erster Linie mit Büchern beschäftigt und es sich bei den vorliegenden Dissertationen um einen Spezialfall handelt, so sind sie trotzdem für einen Pilotservice geeignet:

  • Die 215.000 digitalisierten Dissertationen stellen ohne Zweifel eine der größten Sammlungen digitalisierter Werke aus dem 20. Jahrhundert dar, die in Europa existieren.

  • Die grundsätzliche Problematik der "verwaisten Werke" kann an diesem Beispiel außerordentlich gut veranschaulicht werden. Wieviele der Autorinnen und Autoren lassen sich mit vertretbarem Aufwand ausfindig machen, wieviele wären damit einverstanden, dass ihr Werk von einer Bibliothek digitalisiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird? Wieviele würden – wenn sie über die Medien oder per Zufall erfahren, dass sich auch ihre Dissertation darunter befindet – sich melden und verlangen, dass die Veröffentlichung ihrer Dissertation rückgängig gemacht wird, bzw. welche Forderungen (finanzieller oder anderer Natur) würden sie stellen, damit ihr Werk auch weiterhin zugänglich bleibt? Welche Rolle spielt dabei der zeitliche Abstand – also was ist eine Dissertation von 1925, was von 1960 und was von 1985 "wert"?

  • Auch die ganze Problematik des Persönlichkeitsrechts kann an den von uns hier ausgewählten 10.000 Dissertationen (aus der Gesamtsumme der 215.000) gut veranschaulicht werden. Fast alle Dissertationen enthalten auf den letzten Seiten einen – zur Zeit der Abfassung verpflichtend abzugebenden – Lebenslauf, der sicherlich viele Details enthält, die – trotz der vorgesehenen Veröffentlichung der Dissertation – nicht unbedingt für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Zu erwarten wäre also, dass einige Rechteinhaber einer Veröffentlichung nur unter der Bedingung zustimmen, dass dieser Lebenslauf aus der Online-Version entfernt wird.

  • Schließlich muss auch noch die Plagiatsdiskussion angesprochen werden. Diese trifft zwar auf den vorliegenden Dokumentenbestand im Vergleich zu anderen besonders zu, andererseits wird damit nur in aller Schärfe das allgemeinere Problem aufgeworfen, dass sich im zeitlichen Verlauf gesellschaftliche Erwartungen und Normen verändern und es einer Differenzierungsleistung bedarf, um die historische Distanz angemessen wahrnehmen zu können. Konkret: Die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis haben sich – besonders mit dem Einsatz des Computers und des Internets – ganz wesentlich geändert, sodass die Beurteilung, ob eine Dissertation der guten wissenschaftliche Praxis von 1930, 1950, 1970 oder 1990 entspricht, keineswegs auf der Hand liegt bzw. ohne entsprechendes Wissen vorgenommen werden kann. Wir hoffen, dass die vorhandene Datenbasis eine sachliche Diskussion befördern wird.


Publikationspflicht für deutsche Dissertationen

Ein Wort noch zum Sonderfall der Dissertation: Seit dem 19. Jahrhundert ist in Deutschland die öffentliche Publikation einer Dissertation verpflichtend vorgesehen und genau aus diesem Grund haben deutsche Dissertationen den weiten Weg an die Universität Innsbruck geschafft. Diese Publikationsvorschrift wurde einerseits zur Qualitätssicherung eingeführt – jedermann sollte die Möglichkeit haben, die Güte einer Arbeit zu begutachten – und andererseits sollten die neuesten Forschungsergebnisse an allen wichtigen Bibliotheken Deutschlands, aber auch Europas möglichst zeitnah abrufbar sein. Aus unserer Warte ist daher die Veröffentlichung im Internet die stringente Fortsetzung dieser mehr als 100 Jahre alten Praxis.

Digitalisierung deutscher Dissertationen in Innsbruck?

Aufgrund der Veröffentlichungspflicht für deutsche Dissertationen seit dem späten 19. Jahrhundert wurden diese vielfach auch an Universitätsbibliotheken des benachbarten Auslands übermittelt. Auf diese Weise entstand an der Universitätsbibliothek Innsbruck eine Sammlung von mehr als 250.000 deutschen Dissertationen. Der größte Teil dieser Sammlung wurde zwischen 2008 und 2011 komplett digitalisiert und im Anschluss ausgeschieden. Aufgrund der dadurch möglichen Auftrennung der Dissertationen in Einzelblätter konnten Dokumentenscanner eingesetzt und somit die Gesamtkosten sehr niedrig gehalten werden. Allerdings gab und gibt es zu den digitalisierten Dissertationen keinen elektronischen Nachweis im Katalog der Universitäts- und Landesbibliothek Innsbruck. Deshalb wurde mittels eines automatisierten Verfahrens ein Abgleich der digitalisierten Titelseite mit dem Katalog der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt durchgeführt. Für die Bereitschaft uns bei diesem Projekt zu unterstützen möchten wir uns an dieser Stelle ausdrücklich und ganz herzlich beim Team der DNB – allen voran Frau Ute Schwens – bedanken.

Allerdings benötigt dieser Abgleich einen relativ hohen Aufwand an Rechenzeit, sodass wir für dieses Pilotprojekt erst einmal nur 10.000 Dissertationen abgeglichen haben. Auch das Einspielen von 10.000 kompletten Dokumenten in das von uns betriebene Digitale Repositorium austrian literature online (alo) benötigt relativ viel Arbeit, was der eigentliche Grund war, dass wir hier vorerst einmal in diesem Pilotprojekt mit 10.000 Dissertationen arbeiten.

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