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INTRAWI unterwegs: Erfahrungsberichte

 

Vier Monate im Paradies für Kaffee, Kino & Kultur aller Art

Laura Klemm
Erasmus in Lyon, Wintersemester 2023/24

 

Blick auf Lyon vom Ufer der Saône (c) Laura KlemmDie Einwohner:innen Lyons bezeichnen ihre Stadt oft als „kleines Paris“. Damit spielen sie auf die imposanten Kirchen, die Flussufer der Rhône und der Saône (die Saône erinnert sogar vom Klang her ein wenig an die Seine) und die Miniatur des Eiffelturms in Lyon an. Pariser:innen weisen diesen Vergleich natürlich weit von sich. Dass Lyon sich durch und durch nach einer Großstadt anfühlt, können sie jedoch nicht leugnen, und ich kann es sogar aus erster Hand bezeugen.

An einem Septemberabend stieg ich in Lyon aus dem TGV, es war unfassbar schwül. Die Stadt schien zu vibrieren, so viele Menschen wuselten umher, am Bahnhof, in der Metro, besonders im Viertel Les Pentes de la Croix-Rousse im ersten Arrondissement, in dem sich Cafés, Bars, kleine Läden und Ateliers aneinanderreihen.

Noch am selben Abend bezog ich in diesem Viertel mein Zimmer, das sich als richtiger Glücksgriff erwies. (Gefunden hatte ich es über die Seite leboncoin.fr*; sie ist vergleichbar mit Willhaben oder Ebay.) Ich wohnte bei einer Familie mit drei Söhnen, von denen zwei bereits ausgezogen waren. Außer mir lebte dort noch ein weiterer Student, der so viel Zeit mit Studieren verbrachte, dass ich ihn kaum sah, und ein Kater, der mit der Zeit immer zutraulicher wurde. Auch die Familienmitglieder bekam ich selten zu Gesicht, beide Elternteile arbeiteten viel, der im Haushalt verbliebene Sohn ging ganztags in die Schule. Das bedeutete, dass ich eigenständig meinem Alltag nachgehen konnte, was ich als sehr angenehm empfand. Dass ich und die Familie hin und wieder in der Küche aufeinandertrafen, freute mich dennoch: Nicht nur meinem Französisch tat das gut, das Familienleben brachte mir außerdem manche kulturelle Eigen- bzw. Besonderheiten näher.

Kaffeetrinken im Café A Chacun Sa Tasse (c) Laura KlemmAm besten an der Wohnung gefiel mir jedoch die Lage. Als begeisterte Kaffee-Trinkerin verbrachte ich einen Großteil meiner Freizeit allein oder mit Freund:innen in den Außenbereichen von Cafés und beobachtete das Stadtleben. Lyon ist im Allgemeinen sehr fußläufig, ich war schnell im (historischen) Zentrum, bei zahlreichen Wochenmärkten, darunter dem größten in dem Viertel La Croix-Rousse, das oft mit Montmartre verglichen wird. In Lyon gibt es außerdem in jedem Arrondissement eine städtische Bibliothek, wo es sich gut lernen lässt. Mit der sogenannten Carte Culture konnte ich ihr analoges und digitales Angebot nutzen und außerdem viele Museen, Kinos und Kulturveranstaltungen kostenlos oder vergünstigt besuchen, und das für sehr wenig Geld. Ein besonderes Kulturereignis war die Wiedereröffnung des Musée d‘Art Contemporain: Am Abend der Eröffnung war der Besuch kostenlos, es gab eine Bar, lauter Techno schallte durch die drei Stockwerke des Museums und bis spät in die Nacht konnten die Ausstellungen besucht werden. Sehr viel Zeit verbrachte ich außerdem in den zahlreichen unabhängigen Kinos in Lyon – Lyon ist die Stadt des Kinos! Obwohl die Stadt so lebhaft ist, fühlte ich mich selten von ihrem Trubel gestresst. Dafür gesorgt haben vor allem der Parc de la Tête d’Or, der sehr weitläufig ist und in dessen Mitte sogar ein See liegt, und die beiden Flüsse. Um zum Innenstadt-Campus meiner Universität, der Université Lyon 2, zu gelangen, spazierte ich oft eine Dreiviertelstunde an der Rhône entlang.

Im Vergleich zu meinem studentischen Mitbewohner musste ich wenig Aufwand für die Uni betreiben. Das Lernpensum an der Université Lyon 2 ist meiner Erfahrung nach sehr gut zu meistern. Da jeder Kurs in Lyon für Erasmus-Studierende mit 5 ECTS-Punkten gewichtet ist, wählte ich nur sechs Kurse und war dementsprechend relativ selten am Campus. Das kam mir sehr gelegen, denn der zweite Campus der Université Lyon 2 liegt eine Stunde außerhalb der Stadt. Die Organisation von Erasmus-Aufenthalten an der Université Lyon 2 funktioniert fast ausschließlich analog, die Übersichten über die Lehrveranstaltungen hängen beispielsweise in allen Gebäuden verteilt vor den Sekretariaten; der Vorgang ist dementsprechend zeitaufwendig und nicht selten chaotisch. Glücklicherweise sind die Lehrpersonen der TDs (travaux dirigés, Kurstypus entsprechend unseren Übungen hier in Innsbruck) sehr hilfsbereit und freundlich. Den Großteil meiner Kurse belegte ich in dem Studiengang Langues Étrangères Appliquées. Das Miteinander am Fachbereich war ähnlich familiär wie in Innsbruck, das Ankommen und Einfinden verlief entsprechend schnell.

Lyon als Stadt hat es mir als Erasmus-Studentin wirklich einfach gemacht. Ich habe mich ab dem ersten Moment wohlgefühlt, auch, weil es so viele Orte für Studierende gibt. An den Wochenenden habe ich mit anderen Erasmus-Studis Ausflüge in umliegende Städte unternommen, was meinen Aufenthalt total bereichert hat. Für Lyon würde ich mich immer wieder entscheiden, und ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch!

Text und Bilder: Laura Klemm
Bild oben: Blick auf Lyon vom Ufer der Saône
Bild unten: Kaffeetrinken im Café A Chacun Sa Tasse

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