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Kulturkontakte zwischen Kosaken und Österreich in der Geschichte

(ausgearbeitet von Joachim Bürgschwentner)

 

Über die Jahrhunderte hinweg wurden Kosaken von verschiedenen Herrschern, vor allem den polnischen Königen und später den russischen Zaren, in zahlreichen Kriegen Europas eingesetzt. Dabei gab es auch immer wieder Berührungspunkte mit den Habsburgern und Österreich. Eine umfassende Gesamtdarstellung dieser Verbindungen fehlt bislang, einige gesammelte Bruchstücke seien hier jedoch angeführt.

 

Kaiser Rudolf II. schickte 1594 einen Gesandten zu den Kosaken, weil er sich militärische Hilfe gegen den gemeinsamen Feind, die Osmanen, erhoffte. Trotz einem hohen finanziellen Anreiz lehnten die Kosaken jedoch ab.[1] Unterstützung erhielt hingegen wenige Jahre später der Fürst von Siebenbürgen, Sigismund Báthory, der mit Erzherzogin Christine von Österreich verheiratet war. Als er sich 1599 von ihr trennte und abdankte, misslang sein Plan, Siebenbürgen bei Kaiser Rudolf gegen ein sichereres Gebiet einzutauschen. Ein Jahr später versuchte Sigismund den Thron mit einer Armee von Polen und Kosaken wieder zu erlangen, wurde aber geschlagen und musste flüchten.[2]

 

Zu Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 lehnten sich die Kosaken unter Hetman Bogdan Chmelnizki gegen die polnische Herrschaft auf. Nach Errichtung des ersten Kosakenstaats wurden frühere Oberschicht und Katholiken grausam verfolgt. Der Hass richtete sich außerdem vor allem gegen Juden, da man ihnen nachsagte, sie stünden unter dem besonderen Schutz des polnischen Königs.[3] Angesichts blutiger Pogrome, die Tausenden das Leben kosteten, nahmen die Wiener Juden viele ihrer von den Kosaken verfolgten Glaubensbrüder auf, wodurch die Schule der polnischen Talmudlehrer ihren Weg nach Österreich fand.[4]

 

Entscheidend in die österreichische Geschichte griffen die Kosaken erstmals während der zweiten Belagerung Wiens durch die Türken im Jahre 1683 ein.[5] Zum einen ist die mutige Tat Georg Franz Kolschitzkys zu nennen. Er war als junger Mann zu den Saporoger Kosaken gegangen, hatte in osmanischer Gefangenschaft türkisch erlernt und arbeitete dann als Dolmetscher bei der Wiener Handelskompagnie. 1683 wurde er vom Kommandanten Wiens, Rüdiger Graf Starhemberg damit beauftragt, Briefe durch das türkische Lager hindurch zum Entsatzheer zu schmuggeln, um die Verteidigung koordinieren zu können. Kolschitzky meisterte diese gefährliche Aufgabe und wurde als Held gefeiert.[6] Als Dank erhielt er unter anderem die Konzession zum Kaffeeausschank und galt - fälschlicherweise - lange Zeit als Erfinder des Wiener Kaffeehauses. Am 200. Jahrestag des Entsatzes wurde 1883 eine Gasse nach ihm benannt und zwei Jahre später ein Denkmal an einem Haus (Ecke Kolschitzkygasse-Favoritenstraße) angebracht.[7]

 

Zudem leisteten die Kosaken auch innerhalb des Entsatzheeres selbst einen wichtigen Beitrag zur Befreiung Wiens. Papst Innozenz XI. hatte sieben Kosakenregimenter (3.000 Mann) angeworben, über die der Leiter des Entsatzheeres, der Polenkönig Jan III. Sobieski in einem Brief schrieb: "Ich schere mich um niemanden, nur um die Kosaken. Man halte alles Fuhrwerk nur für sie bereit, denn alle anderen Leute können wir entbehren". [8] Er schätzte die Kriegskunst der Kosaken und ihre Erfahrung im Kampf mit den Osmanen so hoch, dass ein französischer Höfling bemerkte, "man musste glauben, dass die Rettung Wiens einzig und allein von den Kosaken abhing".[9] Sie ähnelten in Kleidung und Bewaffnung den tatarischen Reitern im osmanischen Heer jedoch so sehr, dass Sobieski ihnen am Morgen der Schlacht am Kahlenberg (12. September 1683) empfohlen haben soll, sich Strohbündel an die Arme zu binden, um nicht für Feinde gehalten zu werden.[10] An den Beitrag der Kosaken zu diesem Sieg erinnerte zunächst lediglich eine kleine Gedenktafel an der Sankt-Josefs-Kirche auf dem Leopoldsberg. 320 Jahre nach dem Sieg, im September 2003, wurde ihnen zu Ehren im Türkenschanzpark (der Name geht auf die türkischen Verteidigungsschanzen zurück, die sich 1683 dort befanden) in Wien-Währing ein Kosakendenkmal enthüllt.[11]

 

Kosakendenkmal
Einweihung des Kosakendenkmals am 15. September 2003

Copyright: Gerhard Bartosch, Initiator von www.ukraina.at

 

Seit der verstärkten Westorientierung des Zarenreichs im 18. Jahrhundert war Russland in zahlreiche europäische Kriege verwickelt, meist als Verbündeter Österreichs. So zum Beispiel im 7-jährigen Krieg (1756-63) zwischen Königin Maria Theresia und König Friedrich II. von Preußen. In der Schlacht von Kunersdorf (östlich von Frankfurt/Oder) feierte die österreichisch-russische Armee 1759 einen überwältigenden Sieg und der Legende nach wäre Friedrich beinahe von Don-Kosaken gefangen genommen worden. Umliegende Dörfer wurden geplündert, und kurz danach fiel sogar Berlin den Verbündeten in die Hände: Kosaken lagerten vor dem Schloss und im Lustgarten, Österreicher vor dem Brandenburger Tor. Im Gegensatz zu vorangegangenen Berichten über die Grausamkeiten der Kosaken in diesem Krieg[12] vermerkte ein Zeitzeuge, dass es hier andere waren, die sich der schwersten Ausschreitungen schuldig machten: "Die Russen, die man für so grausam und barbarisch hielt, retteten die Stadt vor den Greultaten, mit welchen die Österreicher sie bedrohten."[13]

 

Genau 40 Jahre später, im Frühjahr 1799, verbündeten sich Österreich, England und Russland gegen die französische Revolutionsarmee, die in der Schweiz eine Tochterrepublik errichtet hatte. Im Oktober marschierte der russische Feldmarschall Alexander Suworow von Italien aus über den Sankt-Gotthard-Pass in die Schweiz und erfuhr erst dort von der Niederlage der Waffenbrüder bei Zürich. Das buntgemischte, 20.000 Mann starke Heer, das auch aus sechs Kosakenregimentern bestand, musste nun versuchen, auf dem kürzesten Weg nach Österreich zu gelangen. Verfolgt von den Franzosen zog man bei Nacht und Schneetreiben über den Panixerpass ins Vorderrheintal, ein Manöver, das Fachleute als hervorragende militärische Leistung werten. Es wird berichtet, dass die Kosaken auf der Passhöhe sogar ihre Lanzen zerbrochen hätten, um für Suworow ein wärmendes Feuer zu entfachen. Hunger, Entkräftung, Kälte und vereiste Wege forderten ihren Tribut und nach einigen Tagen erreichte die erschöpfte und arg dezimierte Armee endlich die Verbündeten in Feldkirch.[14]

 

In der Dreikaiserschlacht von Austerlitz 1805 waren der Ataman der Don-Kosaken, Matwej Platow, und seine Leute wesentlich daran beteiligt, dass eine völlige österreichisch-russische Niederlage gegen Napoleon noch verhindert werden konnte. In der Folge waren Kosakenverbände ein wichtiger Bestandteil jener Zarentruppen, die das französische Heer nach dem gescheiterten Russlandfeldzug von 1812 verfolgten. Wenige Monate später zogen sich die Franzosen bereits aus Berlin zurück und die Kosaken wurden dort als Befreier gefeiert.[15] Seite an Seite kämpften Österreicher und Kosaken in der Völkerschlacht von Leipzig 1813 und erreichten zusammen mit ihren übrigen Verbündeten den endgültigen Sieg über Napoleon. Für die Zivilbevölkerung bedeuteten die Heere jedoch nicht nur Befreiung sondern auch Bedrohung. Seltenes Glück hatte die Stadt Bendorf am Rhein. Dort lebte Franz Scharkowsky, der bis 1796 in der österreichischen Armee gekämpft hatte. Da er in Polen geboren worden war und perfekt russisch sprach, stellte er sich nun als Dolmetscher zur Verfügung und bewahrte die Menschen der Gegend vor zahlreichen Übergriffen der Kosaken.[16] Beim Einzug der Alliierten in Paris 1814 waren die Kosaken zwar dabei, aber, so schreibt Dieter Wende, "an der Siegesparade der russischen, preußischen, österreichischen und englischen Truppen dürfen sie nicht teilnehmen. Das bleibt den Garden vorbehalten. Zu zerlumpt sind die Adler vom Don."[17] (Allerdings wurden General Platow und seine Kosakenschar noch im selben Jahr bei einer Truppenparade im Londoner Hyde Park stürmisch umjubelt.[18])

 

In der Revolution von 1848/49 erhielt Kaiser Franz-Josef I. von Zar Nikolaus I. die dringend benötigte Unterstützung gegen die ungarischen Aufständischen. Mehrere russische Siege brachten die Wende zugunsten der Habsburgermonarchie und die Revolution wurde durch die Kapitulation der Ungarn am 3. Juli 1849 bei Segesvár endgültig niedergeschlagen. Der ungarische Dichter und Revolutionär Sándor Petõfi fiel auf der Flucht vermutlich den Kosaken in die Hände und wurde von ihnen getötet oder wie 1.800 andere Gefangene nach Sibirien deportiert.[19]

 

Auf gegnerischen Seiten stand man hingegen im ersten Weltkrieg, in welchem die berittenen Kosaken der neuen Kriegsführung mit Schützengräben und Maschinengewehren meist hoffnungslos ausgeliefert waren. Eine Ausnahme ist jedoch für das Jahr 1915 zu verzeichnen, als 300 Kosaken eine als uneinnehmbar angesehene österreichische Stellung angriffen. Obwohl diese mit Stahlbeton, Drahtverhauen und Gräben gesichert und mit ausgezeichneten Schützen besetzt war, gelang es den Reitern, eine Bresche für die 1. Donkosakendivision zu schlagen.[20]

 



[1]Dieter Wende: Im Wilden Feld. Aus der Geschichte der Kosaken, Berlin 21990, S. 54-55.

[2]"Sigismund Báthory", http://de.wikipedia.org/wiki/Sigismund_B%E1thory (Zugriff am 1.7.2004).

[3]"Kosaken", http://de.wikipedia.org/wiki/Kosaken (Zugriff am 1.7.2004).

[4]Nikolaus Vielmetti: "Das Österreichische Judentum", http://www.religionen.at/iraustrelijuden.htm (Zugriff am 1.7.2004).

[5]Für die Unterstützung meiner Recherchen zum Jahr 1683 möchte ich mich herzlich bei Herrn Oskar Enzfelder vom Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien sowie Ing. Harald Ebner, Büroleiter der Bezirksvorstehung Währing, bedanken, die für mich Kontakt zur Ukrainischen Botschaft in Wien herstellten. Herrn Vadym Bilous, Dritter Botschaftssekretär für Presseangelegenheiten, gebührt besonderer Dank für die Zusendung der unten zitierten Ausgabe der Österreichisch-Ukrainischen Rundschau.

[6]Wasyl Sawtschak [im Gespräch mit Borys Jaminskyj]: "Unsere gemeinsame Geschichte. Vor 320 Jahren retteten die Ukrainer Europa in Wien", in: Österreichisch-Ukrainische Rundschau mit UBSV-Vereinsjournal 16 (2003), S. 14-17, hier S. 17.

[7]"Die Geschichte des Kaffeehauses in Wien", http://www.vienna.cc/dkaffeeh.htm; "Wiens Denkmäler 2", http://www.n-har.at/story.asp?kategorie=wien&story_id=313 (Zugriff am 1.7.2004).

[8]Wasyl Sawtschak [im Gespräch mit Borys Jaminskyj]: "Unsere gemeinsame Geschichte. Vor 320 Jahren retteten die Ukrainer Europa in Wien", in: Österreichisch-Ukrainische Rundschau mit UBSV-Vereinsjournal 16 (2003), S. 14-17, hier S. 16; Ausführlich behandelt dieses Thema: Borys Jaminskyj: Viden 1683. Kozaky i Kulčyckyj - Wien 1683. Kosaken und Kolschitzky, Wien 1983.

[9]Wasyl Sawtschak [im Gespräch mit Borys Jaminskyj]: "Unsere gemeinsame Geschichte. Vor 320 Jahren retteten die Ukrainer Europa in Wien", in: Österreichisch-Ukrainische Rundschau mit UBSV-Vereinsjournal 16 (2003), S. 14-17, hier S. 16-17.

[10]Erich Gabriel: "Die Waffen der Verteidiger und der Befreier Wiens im Jahre 1683", in: Robert Waissenberger (Hrsg.): Die Türken vor Wien 1683. Europa und die Entscheidung an der Donau, Salzburg - Wien 1982. S 95-101, hier S. 95.

[11]Jaroslaw Hamota: "Die Ukraine ist mit dir, Kosak!", in: Österreichisch-Ukrainische Rundschau mit UBSV-Vereinsjournal 16 (2003), S. 20-22, hier S. 20.

[12]Philip Longworth: Die Kosaken. Legende und Geschichte, Wiesbaden 1971, S. 185-186.

[13]Dieter Wende: Im Wilden Feld. Aus der Geschichte der Kosaken, Berlin 21990, S. 222-224; Holger Müller: "Die Geschichte von Mixdorf", http://www.mixdorf.gmxhome.de/geschichte.htm (Zugriff am 1.7.2004).

[14]"Suworow's Geschichte", http://www.suworow.ch/geschichte.htm (Zugriff am 1.7.2004); Dieter Wende: Im Wilden Feld. Aus der Geschichte der Kosaken, Berlin 21990, S. 213-215.

[15]Dieter Wende: Im Wilden Feld. Aus der Geschichte der Kosaken, Berlin 21990, S. 216-224.

[16]Hans Scharfenstein: "Kosaken zogen 1813 in Bendorf ein", http://www.bendorf-geschichte.de/bdf-0067.htm (Zugriff am 1.7.2004).

[17]Dieter Wende: Im Wilden Feld. Aus der Geschichte der Kosaken, Berlin 21990, S. 220.

[18]Gudrun Ziegler: Auf dem wilden Feld. 500 Jahre Kosaken, Hamburg 1993, S. 168-169.

[19]Lucy Mallows: "Einfache Verse mit kraftvollen Aussagen. Gedenktag für Nationalheld Sándor Petõfi am 15.März 08.03.2004", in: Budapester Zeitung Online (8.3.2004), http://www.bz.hu/artikel.php?artikelid=4572 (Zugriff am 1.7.2004).

[20]Philip Longworth: Die Kosaken. Legende und Geschichte, Wiesbaden 1971, S. 232.

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