Gekoppelte lichttechnische und thermische Methoden zur Ganzjahresbewertung von Fassadensystemen für die Planungspraxis

Bearbeiter: Matthias Werner

Betreuer: Wolfgang Feist, Rainer Pfluger

Kurzfassung

Die Fassadengestaltung und -ausführung beeinflusst maßgeblich den Gesamtenergiebedarf eines Gebäudes. Neben den Transmissions- und Lüftungswärmeverlusten über die Gebäudehülle bestimmen die solaren Einträge über die Fassadenöffnungen den Heizwärme- bzw. Kühlbedarf. Des Weiteren wird über die transparenten Fassadenanteile der Ausblick und die Tageslichtversorgung sichergestellt, was zum einen aufgrund psychophysiologischer Gesichtspunkte vorteilhaft ist, und zum anderen den Kunstlichtbedarf reduziert. Dieser verursacht einen signifikanten Strombedarf und muss im Falle einer Überhitzung des Gebäudes zusätzlich herausgekühlt werden. Systeme zum Blend- bzw. Sonnenschutz greifen in diese Wechselwirkung direkt ein und beeinflussen somit unmittelbar den Gesamtenergiebedarf eines Gebäudes. Zur Abbildung dieser Wechselwirkungen wird sowohl eine gekoppelte Tageslicht-, Kunstlicht- als auch thermische Gebäudesimulation notwendig, die jeweils ein hohes Fachwissen, Einarbeitungsaufwand und zum Teil lange Berechnungszeiten erfordern. Aufgrund dieser Herausforderungen und das Fehlen von geeigneter vereinfachter Software findet in der Praxis und vor allem in der frühen Planungsphase, in der das bauphysikalische Verhalten festgelegt wird, üblicherweise keine integrale Optimierung der Fassade statt. Zur Abbildung der beschriebenen Wechselwirkungen wurde ein lichttechnisches und thermisches im Zeitschritt gekoppeltes Berechnungsverfahren entwickelt, welches eine unmittelbare detaillierte Ergebnisdarstellung in Bezug auf Energieeffizienz und Komfortparameter von einem gesamten Betrachtungsjahr ermöglicht. Basierend auf stündlichen Klimadatenätzen und vorberechneten Tageslichtfaktoren wird der Tageslichteintrag auch für komplexe Fassadensysteme (z.B. Dreischeibenwärmeschutzverglasung mit Tageslichtumlenklamellen) abhängig von Lamellenposition und -stellung für den jeweiligen Standort und die gewählte Fassadenausrichtung simuliert. Die Auswirkungen des resultierenden Kunstlichtbedarfs als interne Last und die winkelabhängigen solaren Einträge über das Fassadensystem, verbunden mit dessen Steuerung, können mithilfe eines dynamischen Gebäudemodells bezüglich der sich einstellenden Innenraumtemperaturen bzw. des Heiz- und Kühlbedarfs evaluiert werden. Dabei erlaubt der modulare Aufbau der Methodik eine Integration von beliebigen Fassadensystemen (BSDF). Mittels Messungen anhand eines Fassadenaußenprüfstandes wurde die Genauigkeit dieses Tageslichtberechnungsverfahren nachgewiesen. Ebenfalls zeigen die entwickelten vereinfachten Ansätze im Vergleich zu den genauesten verfügbaren Simulationsverfahren geringere Abweichungen als 15%. Diese Methodik führte sowohl zu einem Forschungswerkzeug, zur Bewertung und Entwicklung von neuen Fassadensystemen und Steuerungsstrategien, als auch zu einer frei nutzbaren Webanwendung (http://www.dalec.net). Dieses Online-Tool ermöglicht, Gebäudeplanern mit sehr kurzen Simulationszeiten (kürzer als eine Sekunde für einen Raum) und wenig Eingabeaufwand integrale Fassadenlösungen bereits in der frühen Planungsphase primärenergetisch und komforttechnisch (visuell und thermisch) zu untersuchen und zu optimieren. Zusätzlich wurden mithilfe des stündlichen Tageslichtberechnungsverfahrens monatsbasierte Verfahren entwickelt, die in stationäre thermische Berechnungsprogramme integriert werden können und die Bestimmung des Tageslichteintrages und die notwendige Kunstlichtzuschaltung auch von komplexen Fassadensystem ermöglichen. Des Weiteren wurden basierend auf dem integralen stündlichen Berechnungsverfahren mithilfe von systematischer Variation der Fensterflächen und Verschattungs- bzw. Lichtlenksystemen an über 3.000 weltweit verteilten Standorten Fassadenplanungsempfehlungen für Bürogebäude mit Passivhaus-Standard und sehr guter Gebäudetechnik (Wärmepumpe, LED-Kunstlichtsystem,...) abgeleitet. Es kann gezeigt werden, dass ein integraler Planungsansatz (Minimierung des Gesamtprimärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung und Kunstlicht) im Allgemeinen deutlich größere Fensterflächen im Vergleich zu rein thermisch (Minimierung des Gesamtprimärenergiebedarfs aus Heizung und Kühlung) optimierten Fassadenlösungen vorsieht. Abhängig vom Standort und der Fassadenausrichtungen können durch die integrale Planung Einsparungen bezogen auf den Gesamtprimärenergiebedarf von bis zu 40 % erzielt werden.

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