Projektziel 2: Beobachtungs- und Reflexionsbögen zur verstehenden (rehistorisierenden) Diagnostik


Auf der Basis der fachwissenschaftlichen Zugänge zum Verständnis von Verhaltensauffälligkeiten durch die Erarbeitung der grundlegenden Broschüre, werden sich sowohl Personen in Leitungsverantwortung, das pädagogische Personal wie auch das familiäre und soziale Umfeld grundlegend und praxisnah mit dem Thema Verhaltensauffälligkeiten auseinandersetzen. Damit nun das soziale Umfeld sich dem Nachvollziehen/Verstehen des als auffällig wahrgenommenen Verhaltens annähern kann, bedarf es einer Schärfung und Reflexion des Blicks von „Außen“. Besonders geeignet dafür sind Beobachtungsmethoden der qualitativen Sozialforschung, die einen Perspektivwechsel unterstützen, welcher dazu führt, dass dem auffälligen Verhalten subjektiver Sinn zugeschrieben bzw. das auffällige Verhalten als subjektiv sinnvoll interpretiert wird. Die Beobachtungs- und Reflexionsbögen stellen das erste diagnostische Instrument dieses Verstehensprozesses dar und sollen das soziale Umfeld der Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen dazu befähigen, deren Verhalten als subjektiv sinnvolles Handeln in konkreten Situationen zu erkennen und diskriminierende Zuschreibungen zu hinterfragen. Entsprechend erweitert sich das Blickfeld und äußere wie innere Einflussfaktoren können mit den Verhaltensweisen in direkten Zusammenhang gebracht werden. Konkret soll ein umfangreicher Beobachtungsbogen mit entsprechenden Reflexionsfragen ausgearbeitet werden, anhand dessen das soziale Umfeld (z.B. im Kontext des Wohnens in einem Wohnheim) die Personen mit Verhaltensauffälligkeiten über einen längeren Zeitraum hin beobachtet und auf der Grundlage entsprechender Kategorien schriftlich Funktionen und Kontexte der Verhaltensauffälligkeiten festgehalten werden. Leitfragen können u.a. sein:

- Wann verhält sich die Person auffällig

- Wie zeigt sich dieses Verhalten?

- In welchen Situationen tritt das Verhalten auf?

- Welche weiteren Personen sind an den Situationen beteiligt?

Aufbauend auf den Beobachtungen sind Hypothesen zu formulieren, warum das Verhalten so in Erscheinung tritt, wie es in Erscheinung tritt. Diese sollen im Prozess immer wieder kritisch überprüft werden. Da Verhalten unterschiedlich wahrgenommen und gedeutet werden kann, ist ein weiteres Prinzip dieser Beobachtungsphase, dass möglichst viele Menschen aus dem Umfeld und von Außen in den Beobachtungsprozess involviert werden, so dass die Mehrperspektivität auf das auffällige Verhalten sichergestellt ist. Die protokollierten und kommentierten Beobachtungen sind unabdingbarer Teil des gesamten Verstehensprozesses und stellen damit eines seiner Basiselemente dar. Ausgehend von den Beobachtungen sollen Prozesse zur Überwindung von Exklusion, Diskriminierung und Pathologisierung angebahnt und Ziele der sozialen Teilhabe und Inklusion in den Blick genommen werden.

 

VEMAS_Beobachtungs- und Reflexionsbögen_checkliste
© Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V., Illustrator Stefan Albers
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