Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Maria Wolf

Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Institut für Erziehungswissenschaft
Innrain 52a A-6020 Innsbruck
    Zi. 09M010 (9. Stock)
   0043-512-507/40051
  maria.a.wolf@uibk.ac.at

Sprecherin Lehr- und Forschungsbereich Kritische Geschlechterforschung
Sprecherin Doktoratskolleg Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in Transformation: Räume - Relationen - Repräsentationen

Wolf


Profil

 




Forschung

aktuell laufende Forschung

Elternbilder von Professionellen im schulischen Feld. Transformation und Kontinuität bildungsbezogener Vorstellungen von Eltern und Elternschaft am Beispiel praxisorientierter pädagogischer Fachzeitschriften in Österreich

Re- und dekonstruiert werden bildungsbezogener Vorstellungen von Elternschaft von Professionellen im schulischen Feld. Dazu wird den Fragen nachgegangen, wie der Wissensgegenstand Eltern im schulischen Feld in einer praxisorientierten pädagogischen Fachzeitschrift im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts sichtbar wird und sich verändert, welche Sichtweisen und Werte vorherrschen, was thematisiert bzw. nicht erwähnt wird, wie ungleiche Lebenslagen von Eltern zur Sprache kommen, wie das Geschlecht der Eltern relevant gemacht wird, wozu konkrete elternbezogene Handlungsaufforderungen formuliert werden, ob und wie auf andere Elternbilder Bezug genommen wird, welche Grundüberzeugungen dabei zutage treten, welche Gesellschafts- und Geschlechterordnungen dabei (re)produziert werden. Der pädagogische Wissensgegenstand Eltern im schulischen Feld wird in den jeweiligen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Entstehungsprozessen verortet. (2019-2022)

Herstellung von Unsichtbarkeit – Starke Theorien und das „schwache Geschlecht“

Untersucht wird, weshalb Maßnahmen, die Geschlechtergerechtigkeit herstellen sollen, Ungleichheit (re)produzieren, wie auch das Problem, dass „starke Theorien“ häufig weite Teile der realen Handlungen verdecken, indem sie die Aufmerksamkeit von nicht theoriekonformen Phänomenen abziehen. Gefragt wird, inwiefern ein bestimmter Umgang mit „starken Theorien“ auch als die Ursache von Luminositäten gelten kann. (2020-2022)

abgeschlossene Forschung

Ambivalenzen der Selbstsorge. Feministische Perspektiven. Kooperationsprojekt des Forschungsnetzwerkes Gender, Care & Justice der Interfakultären Forschungsplattform Geschlechterforschung, Universität Innsbruck.

Burnout, Zeitverluste, Beschleunigung, Erschöpfung ....  In Medien, Politik und Wissenschaften werden Folgen der neoliberalen Transformationsprozesse am Arbeitsmarkt auf die Menschen kritisiert. Unbezahlte Sorgearbeit der Frauen für andere ist nach wie vor die heimliche Ressource im Generationen- und Geschlechtervertrag unserer Gesellschaft. Aber wer sorgt für die Frauen? Mehr noch, sorgen Frauen für sich selbst? Ambivalenzen der „Selbstsorge“ werden theoretisch diskutiert. Dabei wird auf Diskurse zur „Selbstsorge“ in der Alten und Neuen Frauenbewegung und in der Frauen- und Geschlechterforschung, auf die Begriffs- und Wissensgeschichte der „Selbstsorge“ in der Feministischen Theorie, sowie auf das poststrukturalistische Konzept der Gouvernementalität / Regierbarkeit Bezug genommen. (2016-2017)

 

ElternWissen – gemeinsam stark. Forschungsteil im Rahmen eines Entwicklungsprojektes in der Erwachsenenbildung in Zusammenhang mit dem ESF-Schwerpunkt 4 Lebensbegleitendes Lernen. ProjektpartnerInnen: Bildungs- und Beratungseinrichtung Frauen aus allen Ländern|Innsbruck, Zentrum für Migrantinnen in Tirol|Innsbruck (Zemit), Berufsförderungsinstitut Tirol, Innsbruck (BFI). Förderstellen: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (bm:ukk), European Social Fund (ESF).

Das Teilprojekt Forschung untersucht, wie Eltern die Volkschule ihrer Kinder erfahren, konkret wie sie welche schulischen Praktiken und Routinen wahrnehmen und interpretieren und welche schulbezogenen elterlichen Praktiken sie wie einsetzen. Auf Basis der Forschung erarbeitet das Teilprojekt Forschung

(1) konkrete Ansatzpunkte, um ein Curriculum zur Schulung von ElternbegleiterInnen zu generieren, welches dann von den anderen ProjektpartnerInnen konzipiert, organisiert und durchgeführt wird;

(2) werden Materialien für Argumentationstrainings im Bereich der Elternbildung ausgearbeitet (ElternWissen – gemeinsam stark. Erfahrungen von Eltern mit der Schule und der Schulbegleitung ihrer 5 bis 11-jährigen Kindern. Materialen für Reflexion und Austausch (2013) Hrsg. Wolf Maria A./Bechter, Anneliese/Schlesinger, Claudia/Thomas-Olalde, Oscar. ISBN 978-3-9503685-0-5; EbeveynBilgisi. Birlikte güçlü. 5 ile 11 yaş arasi coçuk sahibi anne babalarm çocuklarinin ilişkin edindikleri tecerübeler. Reflektsiyon ve fikir alişverişi materyalleri (2013) edit. Wolf Maria A./Bechter, Anneliese/Schlesinger, Claudia/Thomas-Olalde, Oscar. ISBN 978-3-9503685-0-5

ParentalKnowledge. Together we are strong. Experiences of parents with the schools of their 5 to 11-year-old children. Materials for reflection and exchange (2013) eds. Wolf Maria A./Bechter, Anneliese/Schlesinger, Claudia/Thomas-Olalde, Oscar. ISBN 978-3-9503685-0-5

3) werden die Forschungsergebnisse mittels Vorträgen und Fachpublikationen veröffentlicht.

Das Entwicklungsprojekt zielt insgesamt darauf, Eltern in nicht-privilegierten Lebenslagen niedrigschwellig dabei zu unterstützen, Bildungsbeteiligung und -erfolg ihrer Kinder zu stärken. Dazu werden Eltern dieser sozialen Gruppe selbst zu ElternbegleiterInnen geschult, welche Gesprächsangebote für interessierte Eltern im privaten Raum anbieten. (2011-15)

 

PerspektivenBildung Österreich. Das Selbstbild der 2. Generation. Wissenschaftliches Monitoring des Entwicklungsprojektes in der Erwachsenenbildung in Zusammenhang mit dem ESF-Schwerpunkt 4 Lebensbegleitendes Lernen. ProjektpartnerInnen: Zentrum für Soziale Innovation (ZSI), Hafeklekar Unternehmensberatung und -forschung, Zentrum für Migrantinnen in Tirol (Zemit), Berufsförderungsinstitut Tirol (BFI). Förderstelle: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (bm:ukk) und European Social Fund (ESF).

Im Forschungsteil des Projektes werden Ergebnisse der Auswertung statistischer Daten (Mikrozensus) mit einer qualitativen Studie kombiniert, die zu einem wesentlichen Teil auf das Konzept der wissenschaftlichen Gruppenwerkstätte (Helmut Bremer) zurückgreift. Die qualitative Studie wird wiederum zum Ausgangspunkt einer quantitativen Studie. Die ineinander vermittelten Teilergebnisse werden ihrerseits wieder die Grundlage für Handlungsperspektiven von Erwachsenenbildungseinrichtungen erarbeiten. Dieses komplexe Studiendesign stellt hohe theoretische und methodische Herausforderungen. Dieser Herausforderung wird durch ein regelmäßiges wissenschaftliches Monitoring des Forschungsprozesses durch ein ExpertInnen-Team aus den Erziehungswissenschaften begegnet (Bremer Helmut, Rieger Christine, Wolf Maria, Yildiz Erol) – vor allem der qualitativen Studienteile, der Typenbildung zu Selbst- und Lernbildern, auch im Spiegel von Fremdbildern, um die Validität der Forschungsergebnisse zu verbessern. Zudem wird eine begleitende laufende Beratung vor allem in komplexen methodischen und theoretischen Fragen stattfinden, die sich an Schlüsselstellen dieses komplexen Projektes stellen. Zudem bedürfen die im Projekt durchgeführten Gruppenwerkstätten einer intensiven Vorbereitung. Die quantitative Studie, die auf der qualitativen aufbaut und die daraus gewonnenen Handlungsperspektiven für Erwachsenenbildungseinrichtungen bedürfen einer wechselseitigen Vermittlung, um zu einem kongruenten und widerspruchsfreien Ergebnis zu kommen. (2011-14)

 

Kulturen der Fremdbetreuung von Kindern. Kooperationsprojekt des Forschungsnetzwerkes Gender, Care & Justice der Interfakultären Forschungsplattform Geschlechterforschung, Universität Innsbruck.

Die Fremdbetreuung von Kindern wird unter historischen, ökonomischen, politischen, sozialstruktu­rellen, institutionellen, rechtlichen, psychologischen und pädagogischen Gesichtspunkten untersucht, geschlechterkritisch reflektiert und zur Diskussion gestellt, z.B. durch Analysen politischer Diskurse und Auseinandersetzungen im Bereich der Fremdbetreuung von Kindern; durch Studien zur Frage, wie die unterschiedlichen Differenz- und Ungleichheitsverhältnisse (Klassen-, Generationen-, Geschlechter-, [Dis-]Ability-, Migrationsdifferenzen) Care-Kulturen strukturieren und Professionen wie Politiken konzeptionell herausfordern; durch Analysen, inwiefern Care-Kulturen, so auch die der Fremdbetreuung von Kindern, aus Aneignungs- und Bewältigungsformen sozialer Lagen hervorgehen, inwiefern und wie diese sozialen Lagen und kulturellen Erfahrungsräume verschiedene soziale Zugehörigkeiten bedingen (Klasse, Migration, Geschlecht), sodass soziale Ungleichheiten sich auf kultureller Ebene manifestieren; durch Untersuchungen, wie Fremdbetreuung von Kindern sich sozialstrukturell und interkulturell im Kontext von Migrationsgesellschaften herausgebildet haben, welche sozialen Funktionen ihnen zu kommen und wie kulturelle Faktoren mit sozialstrukturellen und institutionellen Bedingungen zusammenwirken; durch Studien zu Ursachen und Folgen so wie Wandel und Kontinuität von Gewalt in unterschiedlichen institutionellen Fremdbetreuungsverhältnissen; durch Untersuchungen der Legitimationsfiguren und Selbstdeutungen von Menschen in ihren Betreuungsfunktionen und -positionen als z.B. Mütter, Väter, Eltern, als ErzieherInnen, als Kinder­gärtnerInnen, Nannies, Au_Pairs. Care wird als Frage der Anerkennung und Gerechtigkeit, der Geschlechterdemokratie und sozialen Inklusion, der Entscheidungsfreiheit und Vielfalt von Lebensentwürfen, der Konstruktion von Autonomie und Bindung, der sozialstaatlichen Rahmung und zivilgesellschaftlichen Kohärenz thematisiert. (2009-2013)

 

Betreuung und Pflege in Österreich – eine geschlechterkritische Perspektive. Kooperationsprojekt des Forschungsnetzwerkes Gender, Care & Justice der Interfakultären Forschungsplattform Geschlechterforschung, Universität Innsbruck.

Gefragt wird nach den Ursachen und Folgen der Ungleichverteilung von unbezahlter wie bezahlter Sorgearbeiten zwischen Frauen und Männern so wie der Konservierung dieser Arbeitsteilung (privater Patriarchalismus) durch die Arbeitsteilung zwischen Sozialstaat und Frauen (öffentlicher Patriarchalismus), der Institutionalisierung der tradierten Geschlechterdifferenz in Care-Institutionen, der nachhaltigen Vergeschlechtlichung von Erziehung & Bildung und von Care-Kulturen im Öffent­lichen wie Privaten, der historischen Kontinuitäten von Politiken und Care-Kulturen sowie der not­wendigen Konzeptualisierung einer Care-Ökonomie, welche Care als gesellschaftlich notwendige Arbeit berechnet. (2008-10).

 

Konglomerationen. Alltagspraktiken subjektiver Absicherung. Kooperationsprojekt von elf habilitierte WissenschaftlerInnen verschiedener Universitäten in Österreich und Deutschland. Themengebiet meines Projektteiles: Elterliche Erziehungspraxis im Spannungsfeld von Sozialem Erbe, Entgrenzung von Bildung und der Rückkehr sozialer Unsicherheit.

In einem Gefüge von elf untereinander kommunizierenden Teilprojekten, die mit je verschiedenen Inhalten und Verfahren der Vielfalt moderner Lebensformen entsprechen, wird nach Fähigkeiten gegenwärtiger Menschen gesucht, die es ihnen ermöglichen, inkonsistente und widersprüchliche gesellschaftliche Angebote und Anforderungen mit Alltagspraktiken subjektiver Absicherung zu beantworten und sie so zu einer individuell alltagstauglichen Lebenssicherheit zusammenzuführen. Zu ihrer subjektiven Absicherung verwenden Alltagsmenschen, so die zentrale Hypothese des Projekts, alle brauchbaren Fragmente kultureller Semantiken. Sie greifen sowohl auf sozial konstruktive als auch auf sozial destruktive Elemente zurück und bilden im Umgang mit ihnen konglomerierende Praktiken aus. Moderne Individuen sichern ihre alltägliche Existenz sozusagen „mit allen Mitteln“ ab, nicht bloß durch Akte der Identifikation, sondern ebenso durch Akte der „Alienation“, der Distanzierung. Nicht bloß durch Anlehnung und Ähnlichkeit sondern ebenso durch Ablehnung und Alterität. In „identitätsarmen“ Gesellschaften scheinen die Menschen destruktive Identifikationen zur Herstellung einer pragmatischen Lebenssicherheit zu benötigen, sich nicht bloß durch Mitmenschlichkeit, sondern auch durch Gegenmenschlichkeit zu stabilisieren. Die in so gut wie allen westlichen Gesellschaften neben prosozialen Verhaltensweisen bereits habituell gewordenen antisozialen Tendenzen zur Vorurteilsbildung, zu Feindbildern und abwertender bis verachtender Abgrenzung, zu alltäglicher und politischer Verfolgung, zu Alltagsrassismus und -sexismus, zu Fremden-, Frauen- Kinder-, Behinderten­feindlichkeit oder zur sozialen Diffamierung (etwa von Arbeitslosen oder SozialhilfeemfängerInnen) werden so als integrale Bestandteile „normaler“ Alltagsidentitäten statt als „abweichendes Verhalten“ konzipierbar und analytisch wie politisch bearbeitbar. (2007-2010; Einstellung des Projektes aufgrund mangelnder Projektförderung).

 

Doctoral Programme „Gender, Care and Justice. The Politics of Human Needs“. Interdisziplinäres Kooperationsprojekt (gem. mit sieben habilitierten KollegInnen der Forschungsplattform Geschlechterforschung, Universität Innsbruck).

The research area of the doctoral programme GENDER, CARE AND JUSTICE concerns specific aspects and problems of human life that have to be solved in all societies. The construction of gender relations as well as the organisation of care is determined by historical traditions, cultural discourses, economic resources and processes, profit-oriented enterprises and non-profit organisations, political decisions, social institutions and by legal frameworks. Until now the production of knowledge about care and gender has proceeded predominately along different disciplinary tracks, each with its own particular perspectives. The doctoral programme will offer the possibility to link these different aspects and study the often hidden assumptions of the scientific disciplines. This doctoral programme will integrate the research in a broader and interdisciplinary context and thus allow a deeper under­standing of the problem and introduce better conditions for looking towards new problem solutions. (2005-2006) Projektantrag eingereicht beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Keine Förderzusage.

 

Lebendigkeit und Erziehung. Zum Verhältnis von Pädagogik und Eugenik. Förderstelle: Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), APART (Austrian Programme for Advanced Research and Technology).

Pädagogik und Eugenik werden als zwei in einem Traditionszusammenhang stehende Disziplinierungs­versuche des menschlich Lebendigen in der Geschichte der Moderne analysiert. Den Erziehungs- wie den Biotechniken ist die Idee der "Verbesserung des Menschen" inhärent und beide setzen eine Entmystifizierung des menschlich Lebendigen als dem auch Vorgegebenen und Unverfügbaren voraus, die von einem hohen medizinischen Manipulations- und pädagogischen Kontrollaufwand abhängig ist. Im Zentrum für solche Verbesserungskonzepte steht die Mutterschaft als Dreh- und Angelpunkt der Entstehung von Leben und dessen "Aufzucht". Das Forschungsprojekt hat daher sowohl zu einer Geschichte der Mutterschaft in ihrer Beziehung zu pädagogischer und medizinischer Sozialisation, als auch zur Geschichte der Kindheit beigetragen. (2000-2003).

 

Eugenisierung der Mutterschaft. Wissenschaftsdiskurse zur Neuordnung der Reproduktion am Beispiel Österreich 1900-2000.

In meiner Habilitationsschrift „Eugenisierung der Mutterschaft. Wissenschaftsdiskurse zur Neuordnung der Reproduktion am Beispiel Österreich 1900-2000“ habe ich Ursachen und Folgen von eugenischen Eingriffen in die reproduktive Kultur unserer Gesellschaft durch die Medizin des 20. Jahrhunderts untersucht. Wissenschaftliche Eingriffe, welche an der Wende zum 21. Jahrhundert biotechnische Selektionen am Lebensbeginn gesellschaftsfähig und zur Aufgabe von Familienbildung gemacht haben. In der Arbeit verfolge ich eine für die Geschlechterforschung paradigmatische Fragestellung, die am Beispielfall „Eugenik“ historisch-systematisch bearbeitet wird: Die Frage nach dem kulturellen und gesellschaftlichen Umgang mit der generativen Natur des Menschen und nach den historisch geschaffenen Beziehungen und Praktiken, die zur Hervorbringung und Herstellung einer Generationenfolge notwendig sind. Da Frauen und ihre generative Potenz die Bedingung der Möglichkeit sind, dass das an die leibliche Form gebundene menschliche Leben sich entwickeln und zur Welt gebracht werden kann, stehen Frauen, ihre generative Potenz und ihre Sexualität im Zentrum des kulturellen Umgangs mit der existentiellen und gesellschaftlichen Aufgabe, für Nachkommende zu sorgen. Geschlechter-Ordnungen einer jeweiligen Gesellschaft und Kultur resultieren damit immer auch aus der sozio-kulturellen Gestaltung der Aufgabe menschlicher Gemeinschaften und Gesellschaften, den Tod auszugleichen und für Nachkommende zu sorgen. Sie sind immer auch eine implizit und explizit historisch jeweils gegebene gesellschaftliche Antwort auf die existenzielle Herausforderung von Leben und Tod.

Mit der Herstellung einer Generationenfolge ist das Geschlechterverhältnis untrennbar verbunden. Eine die Erkenntnis leitende Frage war deshalb immer auch, welche Idealbilder von Familie, Elternschaft, Mutterschaft und Vaterschaft sowie Kindheit die eugenischen Eingriffe in die reproduktive Kultur unserer Gesellschaft durch die Medizin des 20. Jahrhunderts mit hervor gebracht bzw. mit unterstützt haben und wie diese vergeschlechtlicht werden. Dazu werden diese wissenschaftlichen Konzepte zugleich einer geschlechterreflektierenden Analyse unterzogen und transparent gemacht, welche Konzepte von Geschlecht, von Männlichkeit und Weiblichkeit, in die Entwicklung von Biotechniken der Zeugung und Selektion selbst eingearbeitet werden.

Damit ist ein Gegenstand der Studie und die mit ihm verbundenen Eugenisierungsprozesse im Hinblick auf Vererbung, Zeugung, Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt das des Geschlechts, das von der Tatsache der „Natalität“ oder davon, „dass Menschen bis heute alle durch Geburt in die Welt kommen“ (Hannah Arendt), nicht getrennt werden kann. Indem die Tatsache der Natalität in ein zentrales Verhältnis zum Geschlecht, zu den Geschlechterverhältnissen und zur Aufgabe von Erziehung gesetzt wird, klingt eine zentrale Spur der Arbeit an: das mit dem Geschlechterverhältnis verbundene Generationenverhältnis und die Fragen von Erziehung und Vergesellschaftung vor dem Hintergrund der Verletzlichkeit und Endlichkeit menschlicher Existenz. Dazu vermag die Studie zu zeigen, wie und wozu Elternschaft naturwissenschaftlich rationalisiert und modernisiert wird, mit welchen Anforderungen an eine gelingende Erziehung und Bildung Eltern dadurch in den letzten Jahrzehnten zunehmend konfrontiert werden, welche Pflichten im Namen des Kindeswohls daraus für Mütter hervorgehen und inwieweit biotechnische Selektion am Lebensbeginn heute eine allgemeine Einflussgröße von Kindheit darstellt.

Hinsichtlich der Frage, welche Faktoren im 20. Jahrhundert für die Transformation der „reproduktiven Kultur“, von Familie, Elternschaft und Kindheit in der westlichen Gesellschaft und Kultur ausschlaggebend waren, wird neben ökonomischen und politischen v.a. wissenschaftlichen Faktoren eine hervorragende Bedeutung als Bestimmungsgrund des Wandels zugewiesen – allen voran der Naturwissenschaft. “Modernity’s natural science has been modernity’s most effective social science” (Lawrence Hazelrigg). Die diskursanalytische Studie vermag so auch einen Beitrag zu leisten zur Wissens- und Wissenschaftsgeschichte der Eugenik aus Perspektive der Geschlechterforschung.

Die Untersuchung orientiert sich an einer historisch-soziologischen Wissenschaftsforschung, die wissenschaftssoziologische und wissenssoziologische Aspekte unter einem sozial- und geschlechterkritisch Standpunkt verbindet. Wissenschaft wird damit als eine gesellschaftliche Tatsache untersucht, indem die tatsächliche Geschichte der Wissenschaft in ihrem Verhältnis zur Reproduktion der Gattung und damit zu den generativen und regenerativen Aspekten von Gesellschaftsbildung, in ihren Wissensbeständen erforscht wird. Methodologisch sind neben dem Bezug auf Konzepte der gesellschaftstheoretischen Geschlechterforschung und einer kritischen Wissenschaftsforschung die Konzepte einer „Historischen Soziologie“, wie sie seit Ende der 70er Jahre vor allem im angloamerikanischen und französischen Raum diskutiert werden, maßgeblich. (2003-2005)

Publikation „Eugenische Vernunft. Eingriffe in die reproduktive Kultur durch die Medizin 1900-2000, Böhlau Verlag Wien (2008), 818 Seiten – gefördert vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). (2005-2007)

 

Nachmoderne Geschlechterbeziehung

In meiner Dissertation „Quasi irrsinnig. Nachmoderne Geschlechterbeziehung“, die in der Reihe „Schnittpunkt Zivilisationsprozess“ des Centaurus Verlages publiziert wurde (1995) befasse ich mich im Kontext der Individualisierungsdebatte in den Sozialwissenschaften, in der u. a. argumentiert wird, dass soziale Beziehungen einer zunehmenden Enttraditionalisierung unterliegen und in die Herausforderung einer radikalisierten Gestaltung des eigenen Selbst münden, mit der Krise der Geschlechter-Beziehung. Von Interesse ist, ob und wie der Abbau der Geschlechterordnung der bürgerlichen Moderne in den Paarbeziehungen der Gegenwart aus Sicht von Frauen wirkmächtig wird. Was passiert, wenn "Weiblichkeit" und "Männlichkeit" keine projektive Entlastung mehr ermöglichen, wenn zentrale Positionen, die den "Anderen" in der Geschlechter-Beziehung organisieren, erodieren. Methodisch wurde die Untersuchung anhand eines Gruppendiskussionsverfahrens umgesetzt. Zusammengefasst zeigt sich, dass das in der Moderne wirksam gewordene Geschlechterwissen der Identitätsdiskurse den "Geschlechterrollen" von Frauen und Männern noch immer ihren Text vorschreibt, während es im individuellen Sprechen von Frauen und Männern heute zum Nachhall eines Diskurses geworden ist, deren Imperative nicht mehr bindend sind. Das "Sprachgeröll" wird zwar noch mitgeschleppt, obwohl dessen Symbolisierungen auf die Beziehungsereignisse der Gegenwart kaum mehr anzuwenden sind. Gleichwohl bestehen die Symbolisierungen der modernen Geschlechter-Ordnung selbst dann noch, wenn ihnen auf der Ebene des Realen fast nichts mehr entspricht. Darin tritt die Fragilität eines geschlechtlich identifizierten Subjekts offen zutage, da es sich nicht mehr auf eine stabilisierende Geschlechter-Ordnung als kultureller Überich-Gemeinschaft stützen kann.

 

Weibliche Lebensplanung. Mittäterschaft von Frauen im Prozess ihrer Vergesellschaftung

In meiner Diplomarbeit "Weibliche Lebensplanung. Eine feministische Arbeit zur Mittäterschaft von Frauen im Prozess ihrer Vergesellschaftung" (1987) befasse ich mich mit der Frage der Lebensplanung von Frauen und ihrer damit in Zusammenhang stehenden Identitätsarbeit. Die Arbeit steht im Kontext der feministischen Opfer-Täter-Debatte und der Mittäterschaftsdebatte, welche die selbsttätigen, den weiblichen Status in der Geschlechterordnung und den Geschlechterverhältnissen bestätigenden Dimensionen weiblicher Vergesellschaftung diskutieren und theoretisieren. Methodisch wurde die Untersuchung qualitativ-empirisch umgesetzt, konkret anhand der „Kollektiven Erinnerungsarbeit“ (Frigga Haug), mit der die jeweils konkreten individuellen Aneignungen manifester und latenter gesellschaftlich formierter Selbst-, Fremd- und Wunschbilder der Probandinnen in ihren widersprüchlichen Fassungen herausgearbeitet werden.


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