Österreichische Geschichte



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Habsburg history has become known as a laboratory for creative innovation in historical studies.

P. M. Judson 2015, The Habsburg Empire, Harvard Univ.-Press, S. 11. 

 

Österreichische Geschichte? – Heute!

Hatte man vor 1914, von Wien ausgehend, danach getrachtet, ein umfassendes und im Wesentlichen supranationales österreichisches Geschichtsverständnis zu propagieren – das Verhältnis zur ungarischen Reichshälfte blieb dabei bis zuletzt ungeklärt – so verschrieben sich die Historiker der Ersten Republik zu weiten Teilen einer gesamtdeutschen Ideologie, die sich am Deutschen Reich orientierte, oder aber einer monarchisch-habsburgischen Nostalgie, die auf einen neu bzw. wiedererweckten „mitteleuropäischen“ Donauraum abzielte.

Grenze Ungarn nach 1945
Ansichtspostkarte 1950er Jahre, Blick auf die österreichisch-ungarische Grenze (sic!), Sammlung Institut.

In den unsicheren ersten Jahren der Zweiten Republik stellte sich für die österreichische Geschichtswissenschaft neuerlich die Frage des Bezugsraumes und der Einordnung des Eigenen in ein größeres Ganzes. Wiederum kreiste der Versuch von Selbstdefinition und Legitimierung eines souveränen Österreich um unterschiedliche Pole. Die Idee des kleinen Staates und die vermeintlich Jahrhunderte lange Tradition seiner Kernterritorien, ausgehend von den ‚Ländern‘ des Mittelalters (Alfons Lhotzky) bestimmte über Jahrzehnte das Konzept der Österreichischen Geschichte an den Universitäten und im Schulunterricht (Erich Zöllner). Mit der nun politisch instrumentalisierten „Ostarrîchi-Urkunde“ konnte 1946 auf eine angeblich 950jährige „österreichische“ Geschichte zurückgeblickt werden. Stimmen, die bereits damals den größeren Raum und die damit verbundene Vergangenheit (Hugo Hantsch) – wenngleich aus der erwähnten habsburgischen Nostalgie heraus – ins Blickfeld rücken wollten, blieben vielfach ungehört. Spätestens nach den Erfahrungen der „gemeinsamen“ Geschichte im Dritten Reich wurde nun vollends auch jeglicher Zusammenhang mit der Geschichte des „Alten Reiches“ ausgeblendet.

Loiblpass

Ansichtspostkarte 1960er Jahre, Staatsgrenze Österreich-Jugoslawien, Verlag Leon Klagenfurt, Sammlung Institut.

In den 1980er Jahren gab es erstmals Versuche, aus dieser räumlichen Enge historiographischer Betrachtung auszubrechen (Herwig Wolfram). Die Idee einer Österreichischen Geschichte, die multiperspektivisch auf viele Räume – in jeweils unterschiedlichen Epochen – zugreift (Arno Strohmeyer), drang allmählich am Beginn der 1990er Jahre ein. In Innsbruck betraf diese Erweiterung insbesondere die Einbeziehung der italienischen Gebiete des historischen Österreich sowie die Anknüpfung an die Tradition der vormaligen, in Innsbruck durchaus präsenten „österreichischen Reichsgeschichte“ (Hans von Voltelini). Im Zusammenhang mit den „Tausendjahrfeiern“ des Jahres 1996, d.h. mit der Frage, was eigentlich (und wann?) unter „Österreich“ zu verstehen sei, erlangte das Fach ein neues bisher wenig entwickeltes theoretisch-methodisches Reflexionsniveau.

Der europäische Aufbruch mit dem Fall des Eisernen Vorhangs verlieh auch der österreichischen Geschichtswissenschaft eine neue Dynamik und erschloss weitere Perspektiven, die weit über die Grenzen der heutigen Republik hinausgehen. Analytisches Selbstverständnis einer gegenwärtigen Österreichischen Geschichte sowie der Auftrag ihrer Historiographie sind daher stets multiperspektivisch und mehrdimensional zu sehen.


Kurt Scharr

Brigitte Mazohl

 

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