Als „unsichtbare“ Kraft hinter der Lesung von Judith Kuckart


Ein Erfahrungsbericht zur Organisation und Durchführung der Autor:innenlesung von Judith Kuckart und ihrem Buch Café der Unsichtbaren (2022) im Literaturhaus am Inn in Innsbruck.


„Kurz wollte ich nur bleiben, liebe Gemeinde, in diesem Café der Unsichtbaren. Denn wer weiß, ob Unsichtbarsein nicht ansteckend ist.“ (S. 109)

 

Als ich Anfang Oktober an einem Freitagvormittag den Seminarraum im 8. Stockwerk des GeiWi-Turms betrat, hatte ich, gelinde gesagt, keine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Ich war selbst noch nie bei einer Autor:innenlesung gewesen und wusste nicht einmal, dass diese im Literaturhaus neben der Uni praktisch jede Woche stattfinden. Dementsprechend war ich mehr als gespannt herauszufinden, wie so eine Art der Veranstaltung aufgebaut ist.

Die Organisation (sowie die Durchführung) wurde unter der Leitung von Priv. Doz. Dr. Renate Giacomuzzi geführt, die sich mit uns sofort begeistert ins Thema stürzte, von Beispielen aus den letzten Jahren erzählte und ihre organisatorischen Vorstellungen präsentierte. Da unsere Kursgruppe mit knapp 30 Studierenden groß war und doch jede:r eine Rolle in der Lesung spielen sollte, konnten wir uns in Aufgabengruppen aufteilen: Zwei Supervisionsgruppen (eine für allgemeine Anliegen der Lesung, die andere zuständig für die Technik), drei Frageblockgruppen, die die Interviews zwischen den Leseeinheiten mit der Autorin auf der Bühne führen würden, sowie eine Gruppe für die Anmoderation und eine für die Abmoderation. Es klingt vielleicht komplizierter, als es tatsächlich war – es gab Gruppen, die mit Bühnenpräsenz an der Autor:innenlesung teilnahmen, und Gruppen, die eher im Hintergrund arbeiteten. Ich selbst war in der Supervisionsgruppe für allgemeine Angelegenheiten. Innerhalb unserer Gruppen kam es dann zur Rollenaufteilung. Wer keine Rolle als beispielsweise Moderator:in eines Frageblocks hatte, war die Ersatzperson dieser. So wurde unter anderem ich zu einer Ersatzperson und allgemein kann man sagen, dass ein Backup zu Zeiten von steigenden COVID-Fällen in Tirol eine wirklich gute Idee war, da in anderen Gruppen die Ersatzpersonen benötigt wurden.

Als Vorbereitung für die Lesung besprachen wir in den insgesamt drei Kurseinheiten zusammen Judith Kuckarts Buch und beschäftigten uns natürlich ebenfalls mit der Autorin selbst. In Café der Unsichtbaren (2022) erarbeitet sie nicht nur die Lebensgeschichten sieben unterschiedlicher Charaktere, sondern auch die Arbeit beim Sorgentelefon e.V. Dabei werden die Figuren von Themen wie der Vergangenheit und deren Endgültigkeit begleitet, durch welche das Buch zu einem sehr reflektierenden Text gemacht wird. Die Auseinandersetzung in der Kursgruppe war nicht nur für die Organisation, sondern ebenso für mich als Leserin mehr als aufschlussreich. Oftmals versteht man einen Text anders als andere, weshalb es wichtig ist, andere Perspektiven kennenzulernen. So kann eine umfassende Interpretation entstehen, die dann unter anderem ihren Platz in den einzelnen Frageblöcken während der Autor:innenlesung findet.

 

„Jede Situation hat eine Geschichte, die man kennen muss, um das Woher und Wieso zu verstehen, […] jeder Augenblick hat seine Biografie und jede Biografie ihre Rätsel.“ (S. 78)

Natürlich sollte nicht nur theoretisch am Text gearbeitet, sondern ebenfalls die Umgebung erkundet werden, in der die Lesung stattfinden würde: das Literaturhaus am Inn in Innsbruck. Mag. Dr. Maria Piok (Leitung des Literaturhauses) führte uns durch die Szenerie, wie eine Lesung bei ihnen im Regelfall aussieht, und sie freute sich sehr, uns in der Organisation und Durchführung zu unterstützen. Sie stand uns bei jeglichen Fragen zur Seite und klärte uns über wichtige Sachen, wie beispielsweise die verfügbaren technischen Möglichkeiten, auf. Letzteres war besonders für die Technikgruppe wichtig, da zwei Videobeiträge für die Autor:innenlesung geplant waren, und außerdem musste ausgetestet werden, ob die Ausschnitte akustisch im Raum funktionierten. Weiters wurden Mikrofone zur Gänze von den Moderator:innen getestet und Notizen zur Raumaufteilung und -gestaltung gemacht.

Alles in allem konnte ich so sehen, dass das Vorbereiten einer öffentlichen Veranstaltung, wie eben einer Lesung, aus vielen Positionen und Aufgaben besteht, die alle miteinander verknüpft sind, um schlussendlich eine erfolgreiche Durchführung bewerkstelligen zu können. Der Aufwand war aus meiner Sicht größer als gedacht und dies zeigte, wie enorm das Engagement des Literaturhauses ist, um regelmäßig Autor:innenlesungen bei sich anbieten zu können.

 

„Man erlebte die Dinge, wenn sie geschahen, und jedes Mal, wenn einen etwas daran erinnerte, erlebte man sich wieder.“ (S. 17)

Die Autorin Judith Kuckart lernten wir über ein kurzes Online-Treffen kennen, ehe wir sie zur Lesung persönlich begrüßen durften. Sie ist eine sehr nette und sympathische Person, die begeistert mit uns Student:innen arbeitete. Für mich war es äußerst spannend, einer Autorin zu begegnen, da man so die Person hinter dem Buch kennenlernen kann.

Dieses Erlebnis hatten meine Mitstudierenden und ich spätestens bei der tatsächlichen Autor:innenlesung am 18.10.2022, als mit der Anmoderation und den Videos der Technik-Gruppe, die das Publikum mit Aufnahmen von Judith Kuckart  in die Stimmung des Buchs brachte und dabei auf die kreative Ader der Autorin verwiesen, der Abend begann. Die geplanten Leseeinheiten, die eine ganz neue Perspektive des Gelesenen präsentierten, wurden mit Frageblöcken ergänzt, die von den Moderationsgruppen in den Kurseinheiten erstellt wurden. Die Autorin ging sehr offen auf die Fragen ein und antwortete sympathisch ehrlich. Überraschend war für mich, als sie sich weigerte, die letzte Frage zu beantworten. Es ging darum, ihr Buch in fünf Wörtern zu beschreiben. Doch ein ganzes Buch in wenigen Worten zu definieren, ist schwierig, was auch Kuckart auf der Bühne selbst meinte und so die Frage offenließ. Meiner Meinung nach konnte man da sehen, dass nicht alles nach Plan laufen muss und Autor:innen in ihren Lesungen stets ein Vetorecht besitzen.

Auch wenn ich selbst „nur“ eine Ersatzperson in meiner Gruppe war und nicht wirklich davon sprechen kann, während der Lesung eine wichtige Funktion gehabt zu haben, hat man gemerkt, wie viel Energie und Motivation jede:r Studierende in die Organisation und Durchführung der Autor:innenlesung steckte. Natürlich wäre das auch nicht ohne die unterstützende Führung von Priv. Doz. Dr. Renate Giacomuzzi und der Kooperation mit dem Literaturhaus möglich gewesen. Ein großes Dankeschön geht auch an Judith Kuckart selbst, die mit ihrer Zusammenarbeit nicht nur uns Studierenden einen Einblick in eine Autor:innenlesung geben konnte, sondern auch mit ihrem Buch die Veranstaltung erst ermöglichte. Es war ein sehr interessantes Erlebnis für mich und hat meine Vorstellungen nur übertroffen! Es ist ein hartes Stück Arbeit, eine Lesung auf die Beine zu stellen und gerade deshalb können wir alle stolz auf uns sein, diese Veranstaltung erfolgreich organisiert zu haben. Es war eine tolle Erfahrung, die ich innerhalb meines Lehramtsstudiums so vielleicht nie gemacht hätte. Ich kann es allen, die gerne mehr in die literarische Welt der Autor:innen eintauchen möchten, nur weiterempfehlen, einmal selbst ein Teil einer Autor:innenlesung zu werden. Egal, ob als Zuschauer:in oder Organisator:in!

 

 

Zum Buch:

Sieben Charaktere, sieben Lebensabschnitte.

Café der Unsichtbaren (2022) begleitet eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen beim Sorgentelefon e.V. über die Osterfeiertage. Dabei stellen sie sich bei der Arbeit und in ihrer momentanen Lebenssituation die Frage nach der Vergangenheit. Gleichzeitig beschäftigen sie sich aber auch mit der Endgültigkeit des Vergangenen und damit, wie man die Chancen, Situationen noch einmal zu erleben, neu ergreifen kann.

 Zur Autorin: 

Judith Kuckart wurde 1959 in Nordrhein-Westfalen geboren und lebt seit vielen Jahren in Berlin. Ihre künstlerische Seite konnte sie schon früh im Tanz entfalten und gründete so auch die Tanzgruppe Skoronel. Heute arbeitet Kuckart nicht nur als Tänzerin und Choreografin, sondern auch als Regisseurin und Schriftstellerin. Ihre Wahlheimat Berlin ist Handlungsort vieler ihrer Werke sowie ihres aktuellen Buchs Café der Unsichtbaren (2022).

  

 

Judith Kuckart (2020): Café der Unsichtbaren. Roman. DuMont: Köln. 
 
 

 Der Text wurde verfasst von  Julia Pozarnik, im 7. Semester Lehramt Deutsch.

 

 

Nach oben scrollen