PANEL 41
Vermögensentzug und Restitution*

Chair: Noam Zadoff (Innsbruck)

Samstag, 18. April 2020, 14:10–15:40, HS 2

(Zeit-)Historiker*innen im Dienste der Restitution: die Schiedsinstanz für Naturalrestitution. Arbeitsergebnisse – Erfahrungen – Lessons Learned

Susanne Helene Betz (Wien)

2001 wurden auf Basis des Washingtoner Abkommens sowie des Entschädigungsfondsgesetzes der Allgemeine Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und bei ihm eine Schiedsinstanz für Naturalrestitution eingerichtet. Diese Schiedsstelle diente der Prüfung von Anträgen auf tatsächliche Rückstellung von in öffentlichem Eigentum befindlichen Liegenschaften und beweglichen Vermögenswerten jüdischer Gemeinschaftsorganisationen, die während der NS-Zeit entzogen worden waren. 2020 wird die Schiedsinstanz ihre Arbeit beenden. Das bietet Anlass für eine Auseinandersetzung mit dieser rezenten österreichischen Rückstellungsmaßnahme und für eine Diskussion des Beitrags der dort tätigen HistorikerInnen. Die Ergebnisse der 19-jährigen Arbeit am Gebiet der Naturalrestitution, Erfahrungen mit der fallbezogenen historischen Arbeit in einem juristischen Kontext und Lessons Learned werden präsentiert. Gleichzeitig wird die Frage nach der Nachhaltigkeit der Arbeit der Schiedsinstanz und der Gültigkeit der erarbeiteten Befunde vor dem Hintergrund vergangener Rückstellungsmaßnahmen und wandelnder Erinnerungskulturen diskutiert.

Getrennte Lebenswelten? Sozialbeziehungen zwischen Juden und Nichtjuden am Beispiel einer Gemeinde in Niederösterreich 1867–1938

Stefan Eminger (St. Pölten)

Das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Österreich wird oft von seinem katastrophalen Ende her und in Bezug auf städtische Lebenswelten untersucht. Mein Vortrag fragt hingegen nach dem alltäglichen Zusammenleben dieser Bevölkerungsgruppen im ländlichen Kontext vor der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung. Das ist hierzulande noch kaum erprobt worden und erfordert eine längerfristige, mikrohistorische Perspektive. Das Referat versteht sich als Beitrag zur Forschung über das Judentum im ländlichen Raum und als Teil einer kulturwissenschaftlich angereicherten Regionalgeschichte.

Die Analyse fragt nach den Veränderungen im Zusammenleben von Juden und Katholiken in der Gemeinde Wolkersdorf und lotet die Reichweite antijüdischer Diskurse und Handlungen im Alltag aus. Sie zeigt, dass die Verbindungen vielfach recht eng waren und über eine bloße Koexistenz hinausreichten. Sie stellt die Vielfalt der Sozialbeziehungen dar und vermisst sie im Spektrum zwischen Integration und Ausgrenzung.

Vermögensentzug durch die Nationalsozialisten in Südmähren

Christoph Peschak (Wien)

In meiner Dissertation rekonstruiere ich auf Grundlage von Beständen österreichischer Archive sowie regionaler Stadtarchive in der Tschechischen Republik die Auswirkungen der nationalsozialistischen Politik auf die jüdischen und tschechischen Bewohner*innen in der geografischen Region rund um die Landkreise Nikolsburg/Mikulov, Neubistritz/Nová Bystřice und Znaim/Znojmo. Diese wurden im Herbst 1938 in den Reichsgau „Niederdonau“ eingegliedert. Die Dissertation ist eine regionalhistorische Studie, die den strukturellen Aufbau und die Praxis von Enteignungen durch das NS-System in Südmähren im Zeitraum von 1938 bis 1945 analysiert.

Der Fokus des Vortrags liegt darauf, die mit Enteignungen in „Niederdonau“ befassten Behörden, Ämter und politischen Akteure vorzustellen und ihre Arbeitsweise anhand eines Fallbeispiels aus dem Landkreis Znaim/Znojmo zu rekonstruieren.

 

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