PANEL 26
Jubiläen und Gedenken – der Zweite Weltkrieg in erinnerungskulturellen Praktiken

Chair: Richard Germann (Wien)

Freitag, 17. April 2020, 14:10–15:40, HS 3

Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg stellt noch lange keine „tote Geschichte“ dar. Cui bono? Seit 1945 sind staatliche wie private Erinnerungsräume untrennbar mit Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs durch Generationen hinweg verbunden, und konkrete Gedenkfeierlichkeiten und deren erinnerungskulturellen Prägungen lassen sich anhand von Jubiläen gut sichtbar machen.

Die Beiträge dieses Panels thematisieren Erinnerungspraktiken an den Zweiten Weltkrieg in Österreich, Italien, Slowenien und Kroatien seit 1945, die anlässlich der „Magie der runden Zahl“ von staatlichen Akteuren im öffentlichen Raum Generation(en) später sowohl aktiv evoziert wie auch rezeptiv thematisiert wurden und analysieren deren Schichtungen und Teilaspekte, deren Kontextualisierungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene sowie deren Instrumentalisierung für Nationalmythen. Die internationale Zusammensetzung ermöglicht es, eine Vergleichsebene nationaler Gedächtnislandschaften vorzunehmen.

Ein Tag der Erinnerung und die Mythen der Geschichte

Karlo Ruzicic-Kessler (Bozen)

Um das Thema „Foibe“ ranken sich bis heute Mythen, da mit dem Begriff die leidvolle Erfahrung mit der Besatzung durch die Achsenmächte in Slowenien und Kroatien sowie mit der Vertreibung und Ermordung von Zivilisten und Militärangehörigen in Italien verbunden werden. Die Einrichtung eines „Tages der Erinnerung“ am 10. Februar im Gedenken an die Opfer verhalf der „Foibe“ zu noch größerer Prominenz in der italienischen Öffentlichkeit. Zum Jubiläum der Unterzeichnung des italienischen Friedensvertrages (10. Februar 1947) erinnert somit das offizielle Italien an „seine“ Opfer und verschleiert damit immer wieder das Leid, das „Foibe“ voranging. Damit nährt Italien einen Opfermythos.

Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die Instrumentalisierung von staatlichem Gedenken. Es ist dabei möglich, die Konstruktion von Nationalmythen zu verfolgen als auch die Deutung von Jubiläen durch den Staat zu hinterfragen. Abgerundet wird das Thema durch die internationale Dimension einer nationalen Gedenkkultur.

Opfermythen. Österreichische Erinnerungsdiskurse zum Nationalsozialismus rund um den 12. März 1938 und 1945

Georg Hoffmann (Wien)

Im Gedenkjahr 2005 stand, anlässlich der 60-jährigen Wiederkehr des Kriegsendes, der 12. März als spezifischer Tag im Fokus der österreichischen Öffentlichkeit. Die Besonderheit daran war, dass zwei Jahre gleichzeitig und parallel thematisiert wurden: Steht der 12. März 1938 für den „Anschluss“ Österreichs, so verweist der 12. März 1945, mit der Bombardierung des Philipphofs, auf die Zerstörung „Österreichs“ zu Kriegsende. Um beide Jahre und Ereignisse ranken sich spezifische Opfermythen, die 2005 nicht zum ersten Mal zusammengeführt wurden und dabei Debatten und Erinnerungsdiskurse ausformten.

Der Vortrag thematisiert mit dem 12. März 1938/1945 und dem Zusammenwirken der beiden Daten ein Spezifikum des österreichischen Umgangs mit der NS-Zeit. Er beleuchtet dabei entlang mehrerer Gedenkjahre die Ausformung, Umformung, Schichtung aber auch Persistenz österreichischer Opfernarrative und Opfermythen innerhalb der Erinnerungskultur und setzt diese in einen internationalen Vergleich.

Totengedenken und Geschichtsbilder 25 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs

Petra Mayrhofer (Wien)

Graz im Juni 1970: Zum 25-Jahr-Jubiläum des Endes des Zweiten Weltkriegs wurde im Gedenken an zivile Opfer sowie an Wehrmachtssoldaten am Schlossberg ein Denkmal eingeweiht – dies im Beisein und mit aktiver Unterstützung von Vertretern der steirischen Landespolitik. Das Totengedenken samt begleitendem Totengedenkbuch mit den Namen von Opfern schlug international hohe Wellen und beschäftigte Diplomaten in Wien und Belgrad, wurde doch in Graz den Toten aus dem – respektive im – Gebiet der Štajerska gedacht – eine Region, die im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht besetzt worden war.

Der Beitrag exemplifiziert die Diskurse, die das regionale Weltkriegsgedenken auf nationaler und internationaler Ebene evozierte und legt Schichtungen und Verflechtungen der damalig verankerten nationalen Geschichtsbilder und -mythen und deren Instrumentalisierungen im Kontext der aktuellen Tagespolitik offen.

 

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