PANEL 1
Die Frage der Rückkehr nach Österreich (1850–1950)

Chair (inkl. Kurzkommentar): Dirk Rupnow (Innsbruck)

Donnerstag, 16. April 2020, 09:00–10:30, HS 2

Remigration – definiert als die Rückkehr bzw. Repatriierung von Auswander*innen, Flüchtlingen, Kriegsgefangenen, Exilant*innen, KZ-Überlebenden usw. in ihr Herkunftsland – ist in der historischen Migrationsforschung nach wie vor ein vernachlässigtes Thema. Dieses Panel greift daher verschiedene Aspekte von Rückkehr nach Österreich – von Auswander*innen bis hin zu Vertriebenen, von Remigrationsbewegungen bis hin zu Einzelfällen – auf und beleuchtet diese aus unterschiedlichen Gesichtspunkten: Der Blick der Mehrheitsgesellschaft auf die Rückwander*innen aus Amerika zwischen 1850 und 1950, die Untersuchung autobiographischer Darstellungen unterschiedlicher Remigrant*innen und schließlich die präzise Analyse einer Fallstudie (der kommunistischen Remigrantin Tilly Spiegel). Methodisch kombiniert das Panel dazu Ansätze der digitalen Geisteswissenschaft sowie Auto/Biographie- und Geschlechterforschung.

„Amerikamüde“ – die Rückkehr von Amerika-Auswander*innen nach Österreich zwischen 1850 und 1950

Sarah Oberbichler (Innsbruck)

Zwischen 1850 und 1950 verließen mehr als fünf Millionen Menschen freiwillig Österreich, ein großer Teil von ihnen wanderte nach Amerika aus. Eine nicht unbeachtliche Zahl kam jedoch nach Österreich zurück. Tatsächlich remigrierten zwischen 1860 und 1930 rund ein Viertel der sogenannten „permanenten Emigranten“. Die Gründe für die Rückkehr aus Amerika waren so individuell wie die Menschen selbst, die zurückkehrten. Dennoch gab es vier Hauptfaktoren, die zur Begünstigung der Rückkehr von Menschen aus Amerika beigetragen haben: Wirtschaftskrisen, psychologische Faktoren, Vertreibung, Wehrpflicht und die Förderung durch das Herkunftsland. Wie aber wurden die Heimkehrenden zurück in ihrer Heimat wahrgenommen? Waren sie willkommen in Österreich? Stießen sie auf Ablehnung? Welche Diskurse begleitete die Ankunft der aus Amerika heimgekehrten und veränderten sich Diskurse im Laufe der Zeit? Diesen Fragen wird mit Hilfe von digitalen Zeitungsbeständen der Österreichischen Nationalbibliothek nachgegangen. Archivmaterial dient zusätzlich der Kontextualisierung.

Rückkehr erinnern – Autobiografien von österreichischen Remigrant*innen aus dem nationalsozialistischen Exil

Katharina Prager (Wien)

Obwohl eine Rückkehr nach Österreich in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ein schwieriger und aufwendiger Prozess war, war es für einige Exilant*innen sehr bald klar, dass sie jedenfalls nach Österreich zurückkehren wollten. Zu ihnen zählten unter anderem Rosl Ebner, Ernst Lothar, Hilde Spiel und Berthold Viertel, die alle autobiographische Aufzeichnungen hinterließen. Während Lothars und Spiels autobiographische Erzählungen noch zu ihren Lebzeiten publiziert wurden und sich so in den Diskurs um Remigration einschrieben, blieben Ebners und Viertels Materialien damals unpubliziert. Der Zeitpunkt des Erinnerns, das Alter der Autor*innen, speziell aber auch ihre unterschiedlichen ideologischen Hintergründe, Exilerfahrungen und anderen Zugehörigkeiten sind für ihre autobiographische Erinnerung an sowie ihre Darstellung und Deutung von Remigration von entscheidender Bedeutung. Dies will der vorliegende Beitrag, mit besonderem Fokus auf Ideologie und Geschlecht, zeigen.

Tilly Spiegel – Rückkehr in den politischen Abstieg

Ina Markova (Wien)

Tilly Spiegel, die 1906 als Tochter jüdischer Eltern in der Bukowina geboren wurde, schloss sich 1927 in Wien dem Kommunistischen Jugendverband und wenig später der KPÖ an. Fast zwei Jahre verbrachte sie während der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur im Gefängnis. Spiegel war ab Mai 1938 in Paris, stieg zur politischen Leiterin des dortigen KP-Kreises auf und schloss sich nach 1941 der Résistance an, wo sie in einer führenden Rolle im Travail allemand, im Widerstand deutschsprachiger Kommunist*innen, tätig war. Spiegel überlebte knapp. Nach der Befreiung Frankreichs bis zu ihrer Rückkehr nach Wien im August 1945 war sie Direktoriumsmitglied der Österreichischen Freiheitsfront – kurzum, Spiegel war eine der wichtigsten österreichischen Kommunist*innen in Frankreich. Zurück in Wien ging dieser Aufstieg innerhalb der Reihen fast nahtlos in einen Abstieg über. Warum dem so war, möchte der folgende Beitrag mit Blick auf geschlechterspezifische Ausschlussmechanismen und Verhältnisse nachzeichnen.


 

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