Historischer Abriß der Innsbrucker Theologischen Fakultät

Inhalt:

I. In alter Zeit: 1669-1822
II. In neuerer Zeit: 1857-1938
III. In den letzten Jahrzehnten: 1945-1995

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I. In alter Zeit: 1669-1822

Die Vorgeschichte der Universität und ihrer Theologischen Fakultät beginnt schon damit, daß auf Betreiben Kaiser Ferdinands I. der hl. Petrus Canisius als Provinzial der Jesuiten hier 1562 ein Kollegium mit einem Gymnasium eröffnen konnte. Bald danach kam ein Konvikt für arme Schüler hinzu. Schon damals war die Gründung einer Universität in Aussicht genommen; sie kam aber erst ein Jahrhundert später zustande. Das Land Tirol setzte sich beharrlich dafür ein, Kaiser Leopold I. gab 1669 dazu die Bewilligung. Die Geldmittel dafür sollte ein Preiszuschlag auf das Haller Salz aufbringen. So kann 1669 als das Gründungsjahr der Universität gelten, obwohl erst nach dem Aufbau der vier Fakultäten 1677 die feierliche Gründungsurkunde des Kaisers und die Bestätigungsbulle des Papstes ausgestellt werden.

Die Philosophische Fakultät, damals nur für vorbereitende Studien, konnte sogleich - aus dem Gymnasium der Jesuiten hervorgehend - 1670 die Lehrtätigkeit aufnehmen. Im nächsten Jahr folgte die Theologische Fakultät. Seit 1671 waren zwei Jesuiten Professoren für Dogmatik, einer für Moraltheologie und einer (an der Juridischen Fakultät) für Kirchenrecht, daneben zwei Weltpriester für die Hl. Schrift und für Kontroverstheologie. Die Fakultät kam auf etwa 200 Studenten, hatte aber seit der Mitte des 18. Jahrhunderts durch Eingriffe der absolutistischen Regierung in Wien manche Rückschläge zu erleiden; im Geist der Aufklärung wurde der Einfluß der Jesuiten zurückgedrängt. 1773 verfügte Papst Klemens XIV. die Aufhebung der gesamten Gesellschaft Jesu. Damit war auch hier dem Wirken der Jesuiten ein Ende gesetzt.

Es folgten turbulente Jahrzehnte. Die Jesuiten wurden durch möglichst "aufgeklärte", dem Staatskirchentum des Josephinismus ergebene Professoren eingesetzt. Doch hob Kaiser Joseph II. 1783 die Universität Innsbruck auf und setzte sie zu einem "Lyceum" (ohne Promotionsrecht) herab. Darin blieb aber das Theologiestudium für das "Generalseminar" zur staatlichen Priesterausbildung erhalten. Dieses wurde 1790 aufgelöst und 1791 die Universität wiedererrichtet, in napoleonischer Zeit unter bayrischer Herrschaft nochmals aufgehoben und das Studium der Theologie wieder an einem "Lyceum" fortgeführt. Diese wechselvolle Zeit markiert auch den Tiefstand der Theologie, sowohl an wissenschaftlicher Arbeit als auch an rechtgläubiger Lehre. Daher bestanden die Bischöfe, vor allem von Brixen und Trient, auf der Wiedererrichtung ihrer Diözesanseminare zur Priesterausbildung, zu deren Gunsten das Theologiestudium in Innsbruck 1822 völlig aufgelassen wurde.

Doch stellte Kaiser Franz I. 1826 die Universität Innsbruck wieder her; daher ihr Name "Leopold-Franzens-Universität" (Universitas Leopoldina Franciscea). Sie hatte aber vorerst noch keine Theologische, auch keine Medizinische Fakultät; diese wurden erst später neu begründet.

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II. In neuerer Zeit: 1857-1938

Die neuere Entwicklung setzt damit ein, daß 1857 Kaiser Franz Joseph I. die Theologische Fakultät wiedererrichtet und dem Jesuitenorden übertragen hat. Der österreichische Provinzial konnte Professoren einsetzen und abberufen, auch den Dekan ernennen. In dieser Rechtsform nahm die Fakultät ihre Arbeit auf und fand schon in den ersten Jahren ihres Bestehens einen beachtlichen Zustrom von Studenten. Die außergewöhnliche Sonderstellung der Fakultät wurde aber nach politisch heftigen Kämpfen gegen die "Jesuitenfakultät" 1873 dahin geändert, daß sie den anderen Fakultäten der Universität angeglichen wurde (Habilitation, Berufung der Professoren durch den Staat u.a.), aber ihre Eigenart grundsätzlich erhalten blieb. Diese Eigenart, besonders hinsichtlich der Zusammensetzung des Lehrkörpers, wurde schließlich auf Verlangen des Kardinal-Staatssekretärs Pacelli, des späteren Papstes Pius XII., im österreichischen Konkordat von 1933 festgehalten.

Gleich nach der Wiedererrichtung der Fakultät wurde schon 1858 ein Theologenkonvikt eröffnet, das heutige Canisianum, das viele Studenten, auch aus dem Ausland, aufnahm. Der Zustrom nach Innsbruck hatte darin seinen Grund, daß im Einklang mit solid spiritueller Ausbildung der Priesterkandidaten im Jesuitenkolleg wie im Theologenkonvikt die Theologische Fakultät ein sehr gründliches, noch durchaus scholastisches Studium bot, das aber nie eng thomistisch, sondern mehr durch die Ordenstradition (von Suarez, Molina u.a. her) geprägt war und in eifriger wissenschaftlicher Arbeit fortentfaltet wurde. Hier sei nur an die Namen Stentrup, Hurter, Nilles bis zu Stufler, Noldin, Donat und Lercher erinnert.

Nachdem das Philosophiestudium der Scholastiker SJ 1911 von Preßburg nach Innsbruck verlegt worden war, wurde der Kurs philosophischer Studien ausgebaut. 1913 wurde das "Institutum Philosophicum Oenipontanum" mit dem Recht zur Verleihung der kirchlichen akademischen Grade der Philosophie begründet. Dieses Institut, z.B. durch L. Fuetscher und J. Santeler vertreten, trug manches zum Ansehen der Theologischen Fakultät bei.

Daß aber scholastische Philosophie und Theologie, wie sie bisher betrieben wurden, allein nicht genügen, wurde zunehmend mehr empfunden. Dies führte in den 30er Jahren zum Anliegen einer "Theologie der Verkündigung" (oder "kerygmatischen Theologie"). Sie ging besonders von J.A. Jungmann aus und wurde von H. Rahner, F. Lakner, auch F. Dander, obwohl nicht unumstritten, aufgenommen und in Publikationen vertreten.

Dem allem war ein Ende gesetzt durch die staatliche Aufhebung der Theologischen Fakultät unter Hitler 1938, der Beschlagnahme des Canisianums im selben Jahr und des Jesuitenkollegs 1939. Die päpstlich errichtete "Facultas Theologica Canisiana" konnte mit einigen Professoren aus Innsbruck in Sitten (Wallis/Schweiz) bescheiden überleben und kehrte 1945/46 nach Innsbruck zurück.

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III. In den letzten Jahrzehnten: 1945-1995

Sogleich nach Kriegsende, schon im Herbst 1945, nahm die Theologische Fakultät an der Universität Innsbruck ihre Lehrtätigkeit wieder auf. Nach schwierigen Anfängen der Nachkriegszeit erfuhr sie einen beträchtlichen Aufschwung, der besonders durch die bekannten Namen des Pastoraltheologen und Liturgiewissenschafters Josef A. Jungmann, des Patrologen und Kirchenhistorikers Hugo Rahner und seines Bruders, des weltbekannten Dogmatikers Karl Rahner, gekennzeichnet ist und auch durch Arbeiten anderer Professoren aller Fächer der Theologie und der Philosophie mitgetragen wurde. Schon in den 50er Jahren erreichte die Fakultät über 500 Hörer aus allen Erdteilen.

Das II. Vatikanische Konzil, an dem auch die Innsbrucker Professoren Josef A. Jungmann und Karl Rahner maßgeblich mitwirkten, brachte eine Neuorientierung der Kirche in der heutigen Welt und wurde richtungsweisend für eine lebendige Erneuerung der Theologie. Dazu kam der allgemeine Umbruch der Zeit, der tiefgreifende Veränderungen der kirchlichen wie der staatlichen Studienordnung auch unserer Theologischen Fakultät mit sich brachte. Gemäß der Apostolischen Konstitution "Sapientia christiana" (1979) waren neue Statuten auszuarbeiten und zur Approbation in Rom einzureichen. Auf staatlicher Seite wurde nach dem "Allgemeinen Hochschul-Studiengesetz" (1966) ein eigenes "Bundesgesetz über katholisch-theologische Studien" (1969) erlassen, das u.a. neben der fachtheologischen eine selbständige und eine kombinierte religionspädagogische und eine philosophische Studienrichtung vorsieht. Dadurch sind auch die Studien am 1913 kirchlich errichteten "Philosophischen Institut" in die staatliche Studienordnung integriert und die akademischen Grade, bisher nur nach kirchlichem Recht, nun auch staatlich gültig zu verleihen.

Aus diesen Änderungen und Erweiterungen der Fakultät ergab sich in der Folgezeit ein enormer Anstieg der Hörerzahl; sie wuchs in den 80er Jahren auf 1000 an und liegt heute bei rund 1200. Zwar geht die Anzahl der Priesterkandidaten bedeutend zurück; umso mehr scheint aber das Interesse von "Laien" am Studium der Theologie zu wachsen, auch in Hinblick auf Religionsunterricht und andere pastorale Aufgaben.

Daß heute die Theologische Fakultät Innsbruck, wenn auch unter veränderten Umständen, im Dienst des Glaubens und der Kirche ihr Bestes leistet, würden Namen bekunden, die weit über Innsbruck hinaus, z.T. weltweit bekannt sind; sie müssen, weil sie die Gegenwart betreffen, hier nicht genannt werden. Alle sind gemeinsam bemüht, christliche Philosophie und katholische Theologie aus ihrer großen Tradition, zugleich im Geist des II. Vatikanischen Konzils und offen für die Probleme unserer Zeit, in der Lehrtätigkeit wie in wissenschaftlicher Arbeit den Glauben zu begründen und lebendig wirksam zu machen: zum Heil der Menschen und zur Ehre Gottes.

 

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