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TWF-Projekt: Lavezabbau am Pfitscherjoch in den Zillertaler Alpen, Nordtirol
Prospektionen - Ausgrabungen – Analysen

 

Gefördert vom: Tiroler Wissenschaftsfonds TWF   TWF
  
Laufzeit: 01.06.2016 - 31.03.2017

Projektleitung: Thomas Bachnetzer, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck

Projektmitarbeiter: Daniel Brandner


Projekt Kurzfassung

Lavez, unter anderem auch Speckstein genannt, ist ein sehr weiches Gestein, das sehr leicht abbau- und bearbeitbar ist. Es speichert sehr gut Wärme, ist feuerfest und wirkt isolierend. Aufgrund dieser Eigenschaften handelt es sich um einen idealen Naturwerkstoff, der schon seit der Jungsteinzeit zur Herstellung von verschiedensten Objekten wie gedrechselten Gefäßen verwendet wird.
Im Rahmen des länderübergreifenden Interreg-IV-Projektes „Pfitscherjoch grenzenlos, Geschichte und Zukunft eines zentralen Alpenüberganges“ zwischen Italien und Österreich (Nordtirol und Südtirol) konnten nun am Pfitscherjoch in den Zillertaler Alpen bislang neun obertägige Lavezbrüche ausfindig gemacht werden.

Es handelt sich hierbei um die ersten jemals dokumentierten Specksteinabbaustellen Tirols bzw. ganz Österreichs sowie die östlichsten der Alpen. Die Abbaustellen befinden sich in einer Höhenlage zwischen 1971-2422 m und zeigen eindeutige, teils massive Abbauspuren in Form von kreisrunden Vertiefungen, aber auch noch im Fels vorhandenen rundlichen Gefäßrohlingen. Zahlreiche rundlich zugearbeitete Halbfabrikate, die oberflächlich in den Halden aufgelesen werden können, sind eindeutig der Gefäßproduktion zuzuordnen. Zwei 14C-analysierte Holzkohleproben aus der Halde von Lavezbruch 7 und einem Brandhorizont mit Lavezgefäßfragmenten bei einem Felsunterstand datieren in das frühe Mittelalter und zeugen von reger bergmännischer Tätigkeit bereits im 7. Jh. n. Chr.

Die bislang gängige Meinung, dass gedrechselte Lavezgefäße ausschließlich aus der Ostschweiz und Norditalien als Importware in das Gebiet des heutigen Bundeslandes Tirol gelangten muss grundlegend überdacht werden. Die neuesten Untersuchungen am Pfitscherjoch belegen nun, dass die Vorkommen in Tirol bereits im ersten Jahrtausend n. Chr. bekannt waren und zumindest zur regionalen Versorgung von Lavezgefäßen beigetragen haben müssen.
Systematische Untersuchungen der Tiroler Specksteinlagerstätten auf Abbauspuren wurden bis in die Gegenwart noch nicht durchgeführt. Dieses Projekt hat sich zum Ziel gesetzt durch archäologische Prospektionen und Ausgrabungen sowie die mineralogische Charakterisierung des Rohmaterials diese Forschungslücke zu füllen um so die Grundlage für weiterführende Untersuchungen zu schaffen. In der Folge soll es erstmals möglich sein, durch die mineralogische Unterscheidung der verschiedenen zum Abbau herangezogenen Laveztypen aus Tirol, Norditalien und der Ostschweiz, freigelegte Lavezgefäße von der Römerzeit bis in die Neuzeit den Tiroler Specksteinlagerstätten zuzuweisen.

Aufgrund der archäologischen Vorarbeiten innerhalb des länderübergreifenden Interreg-IV-Projektes „Pfitscherjoch grenzenlos“ und eines bereits ausgeführten TWF-Projektes über die mineralogische Charakterisierung von Lavez aus der Ostschweiz sowie der Einbindung in das an der Universität Innsbruck angesiedelte Forschungszentrum HiMAT sind die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches interdisziplinäres Forschungsprojekt gegeben.

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Topografie

Das Pfitscherjoch, ein breiter und mit 2.246 m relativ nieder gelegener inneralpiner Übergang, verbindet das Nordtiroler Zillertal mit dem Südtiroler Pfitschertal und fungiert somit als Bindeglied der beiden Regionen. Der Bereich nordöstlich des Joches gehört politisch zur Gemeinde Finkenberg in Nordtirol, der südwestlich zur Gemeinde Pfitsch in Südtirol. Das Gelände befindet sich oberhalb der Baumgrenze und ist durch ausgedehnte Weideflächen, mehrere kleine Gebirgsseen sowie unzählige Gesteinsbrocken gekennzeichnet.

 

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Abb. 1: Das 2.246 m hoch gelegene Pfitscherjoch verbindet das Nordtiroler Zillertal mit dem Südtiroler Pfitschertal. Foto: T. Bachnetzer.

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Lavez – Begriffserklärung, Verwendung und Vorkommen

Der Begriff Lavez wird in der Regel nur zur Benennung archäologisch relevanter Objekte im deutschsprachigen Raum verwendet, ist aber auch in der südlichen Schweiz und in Norditalien bekannt.
Lavez ist ein sehr weiches Gesteinsmaterial, das meist zu großen Teilen das Mineral Talk enthält. Es ist mit dem Fingernagel ritzbar und daher auch sehr leicht abbau- und bearbeitbar. Lavez speichert sehr gut Wärme, ist feuerfest und wirkt isolierend. Aufgrund dieser Eigenschaften handelt es sich um einen idealen Werkstoff, der schon in der Jungsteinzeit zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen wie kleineren, einfachen ausgekratzten Gefäßen und Schmuck verwendet wurde. Ab der Bronzezeit folgen beispielsweise Gussformen, unter anderem für Nadeln und Rasiermesser. Von der Eisenzeit bis in die früheste Neuzeit werden etwa Spinnwirtel aus Lavez hergestellt. Ab römischer Zeit wird Lavez auch zu Gefäßen gedrechselt. Die Formen reichen von Schalen, Schüsseln bis zu großen Töpfen und Pfannen sowie deren Deckeln. Besonders ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. werden Lavezgefäße durch den Einsatz von wasserbetriebenen Drehbänken in großem Stil hergestellt. Im Mittelalter vom 6. bis 10. Jahrhundert erfährt das Lavezdrechselhandwerk seine Blütezeit. Das Gestein wird in späterer Folge auch für den Bau von größeren Objekten wie Hausaltären, Weihwasser- und Taufbecken sowie zur Konstruktion von Öfen, Fenstern und Türen, herangezogen. Lavez wird bis in die Gegenwart sowohl zu vielerlei Kunstobjekten und zu Ofenplatten für Specksteinöfen verarbeitet, als auch in gemahlener Form als Talkpulver in der Industrie eingesetzt.
Lavez kommt weltweit vor. Die bedeutendsten Vorkommen befinden sich in Ägypten, Brasilien, Kanada, China, Frankreich, Finnland, Indien, Italien, Norwegen, Russland, Südafrika, Schweiz und Ukraine. In Zentraleuropa sind besonders die Vorkommen in der Schweiz, Norditalien und Ostfrankreich bekannt, die in unterschiedlichem Ausmaß seit römischer Zeit zum Abbau herangezogen wurden. Lavez wird in den Alpen, wenn auch nur mehr in sehr geringem Umfang, bis in die Gegenwart in der Schweiz für die Produktion von Gebrauchsgegenständen abgebaut.

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Lavezbrüche am Pfitscherjoch

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Abb. 2: Kartenausschnitt der Lavezlagerstätten in den Alpen. Blauer Kreis: Untersuchungsgebiet Pfitscherjoch, Talggenköpfe, Greiner. Matthias Breit, Firma Rath & Winkler; nach Bachnetzer, 2015.

Die Prospektionen im unmittelbaren Nahbereich des Pfitscherjochs erbrachten schließlich auch den bislang einzigen Nachweis für einen Lavezabbau in Österreich.
Nachdem die beim Abri 2 freigelegten Lavezgefäßfragmente einen ersten archäologischen Berührungspunkt mit diesem Gestein im Umfeld des Pfitscherjochs lieferten, gelangte ein am Pfitscherjoch auf Nordtiroler Seite aufgelesener Lavezkern, das Abfallprodukt aus der Produktion von Lavezgefäßen, an das Institut für Archäologien (Abb. 4).
Im Folgenden bestätigte der Mineraloge Michael Unterwurzacher, dass im Einzugsgebiet des Pfitscherjochs Talklagerstätten primär anstehend sind. Diese immer wieder an die Oberfläche tretenden Vorkommen ziehen sich von der Rotbachlspitze entlang des Hanges, vorbei an den ehemaligen österreichischen und italienischen Grenzhäusern bis zum Langen See auf Südtiroler Seite.
Weitere Nachforschungen des Sprachwissenschaftlers Peter Anreiter in Bezug auf die Etymologie der Flurbezeichnung Lavitzalm haben ergeben, dass dem Terminus Lavez und dem Toponym Lavitz möglicherweise derselbe Wortursprung zu Grunde liegt.
Die anschließend von 2012 bis 2016 ausgeführten Geländebegehungen erbrachten im Bereich der Lavitzalm zwischen 1971-2450 m Höhe bislang neun obertägige Lavezbrüche (Abb. 3).

 

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Abb. 3: Die Lavezbrüche 1 – 9 sowie der Abri 2 im direkt nordöstlich an das Pfitscherjoch angrenzenden Zamser Grund (hinteres Seitental des Zillertales). Foto, Grafik: T. Bachnetzer.

Die Abbauspuren zeigen sich in Form von teils kreisrunden bis zu 50 cm großen Kuhlen sowie oberflächlichen länglichen und punktförmigen Vertiefungen, die durch den Abbau mit Pickeln und Meißeln entstanden sind. Aufgrund der vorwiegend geringen Humusbildung in den hochalpinen Lagen können zudem halbfertige bzw. zu Bruch gegangene rundliche Rohlinge an den Oberflächen der Halden ausfindig gemacht werden. Es handelt sich hierbei um am Ort des Abbaus hergestellte Vorformen für Gefäße und Gefäßdeckel, die später an anderer Stelle mit Hilfe von wasserkraftbetriebenen Drechselbänken zur Verarbeitung gelangten. Aus einem Rohling wurden meist mehrere immer kleiner werdende Gefäße herausgearbeitet. Neben Gefäßrohformen können aber auch bearbeitete plattenähnliche Halbfertigprodukte beobachtet werden, die eventuell Ofenkachel- bzw. Ofenplattenrohlinge für Specksteinöfen oder Gussformrohlinge.

 
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Abb. 4: 1 Lavezkern aufgelesen direkt im Bereich des Pfitscherjochs; 2 zwei zueinander passende Lavezgefäßfragmente aus frühmittelalterlichem Brandhorizont bei Abri 2 im Bereich der Lavitzalmhütte.

Abb. 5: Lavezbruch 2 im Bereich des Rotbachls weist die massivsten Abbauspuren auf. Fotos: T. Bachnetzer.

 

Wie die bisherigen Untersuchungen gezeigt haben, gelangte am Pfitscherjoch jeder noch so kleine Lavezausbiss, der eine abbauwüdige Gesteinsqualität aufwies, zum Abbau. Dies lässt sich sehr gut am Lavezbruch 6 veranschaulichen, der eines der geringsten Abbauausmaße aufweist. Die massivsten Abbauspuren zeigt eindeutig Lavezbruch 2. Die Bergmänner bauten dort einen von Gletscherschliff geprägten Felsrücken auf beiden Längsseiten ab (Abb. 5). Auch bei den Brüchen 1, 3, 4 und 8 kann eine Vielzahl an Abbauspuren in Form von Kuhlen, Pickspuren oder noch im Fels vorhandenen Rohlingen beobachten werden (Abb. 6). Im Gegensatz zu den Lavezbrüchen 1-6 sowie 8 und 9, die an primären Lagerstätten angelegt wurden, handelt es sich bei Abbau 7 um einen von mehreren sekundär verlagerten Felssturzblöcken aus dem Bereich der Rotbachlspitze (Abb. 3).

Dem Lavezbruch 1 vorgelagert befindet sich eine verfallene, mit Steinplatten trockengemauerte rechteckige Hüttenstruktur, die eventuell einen der Plätze markiert an dem der erste Fertigungsprozess von Gefäßrohlingen stattfand. Rund um die Hütte liegen zahlreiche Lavezbrocken sowie gebrochene Gefäßrohlinge, die auf einen intensiv genutzten Verarbeitungsplatz hinweisen.

 

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Abb. 6: Lavezbruch 3 mit rundlichen Pickspuren und Rohlingen im Fels.
Abb. 7: Lavezrohlinge aufgelesen in den Halden der Lavezbrüche. 1 Gefäßdeckel- oder Tellerrohling, 2 Gefäßrohling, 3  Ofenplatten- oder Gussformrohlin. Fotos: T. Bachnetzer.

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Zeitliche Einordnung

Die Datierung der einzelnen Brüche erweist sich auf grund der noch nicht erfolgten archäologischen Ausgrabungen bislang als sehr schwierig. Jedoch zeigte sich bei Abbau 7, der von Abri 2 ca. 200 m talauswärts entfernt liegt, eine durch Kuhtritt und Erosion an die Oberfläche gelangte und Holzkohle führende Schicht. Eine Holzkohleprobe, die direkt bei einer zu Bruch gegangenen rundlich zugearbeiteten Lavezgefäßrohform entnommen wurde, weist laut 14C-Datierung in den Zeitraum des frühen Mittelalters (7. Jahrhundert n. Chr.) Eine zweite 14C-analysierte Probe, die aus der Holzkohle führenden Schicht mit den zwei Lavezgefäßfragmentenvom Abri 2 stammt, datiert ebenfalls in das 7. Jahrhundert n. Chr. Es kann also angenommen werden, dass die Bergmänner, die am Lavezbruch 7 ihre Arbeit verrichteten, sich zeitweise unter dem Abri aufhielten. Den frühesten Nachweis einer Verarbeitung des Gesteins zu Gefäßen am Pfitscherjoch liefert eine Lavezabfallschicht mit Lavezgefäßfragmenten in einer Hütte, die Teil einer Almwüstung zu sein scheint. Zwei 14C-datierte Holzkohleschichten weisen diese Werkstätte ins 1.-3. Jahrhundert n. Chr und zeugen von reger bergmännischer Tätigkeit bereits in der römischen Zeitperiode.

Schriftliche Überlieferungen über Lavezbrüche im Umfeld des Pfitscherjochs für die Gefäßproduktion sind bislang noch nicht bekannt geworden. Es sollte allerdings erwähnt werden, dass in einer von Erzherzog Ferdinand an Balthasar Tasser aus St. Lorenzen im Pustertal ausgestellten Schurfberechtigung vom 16. Dezember 1581 geschrieben steht, dass es diesem erlaubt sei „Federweiß“ unter anderem am Pfitscherjoch zu gewinnen und damit Handel zu treiben. Auch im 1558 erschienenen „Tiroler Landreim“ wird Talk und Federweiß als Tiroler Naturprodukt genannt.

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Literatur

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  • T. Bachnetzer; W. Leitner; C. Posch (2014): OG Finkenberg, OG Pfitsch (Italien); Bericht zu den archäologischen Untersuchungen des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck am Pfitscherjoch 2013. Fundber. Österr. 52, 2013, 356 – 357; D4116 – D4129.
  • T. Bachnetzer; W. Leitner; C. Posch (2013): KG Finkenberg, OG Finkenberg, OG Pfitsch (Italien); Bericht zu den Grabungsarbeiten des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck am Pfitscherjoch 2012. Fundber. Österr. 51, 321 – 323; D2656 – D2670.
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3D-Modelle

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Lavezbrüche - Pfitscherjoch/Tyrol/AUT

Copyright: Daniel Brandner & Manuel Scherer-Windisch

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