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Ein Blick hinter die Kulissen: Claudia Schreiner, Assistenzprofessorin am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung

Claudia Schreiner beschäftigt sich als Assistenzprofessorin am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung mit pädagogischer Diagnostik und Kompetenzmessung, evidenzorientierte Qualitätsentwicklung, Bildungsstandards und Chancengerechtigkeit.

 

Claudia SchreinerWenn Schule als Ort des Lernens verstanden wird, stehen die Schüler*innen im Mittelpunkt. Das Lernen der Schüler*innen zu verbessern, verbindet als gemeinsames Ziel die verschiedenen Ebenen des Schulsystems – und prägte in gewisser Weise meine verschiedenen beruflichen Stationen. So bildet die Perspektive der evidenzorientierten Entwicklung eine wesentliche Grundlage für meine gesamte bisherige Arbeit in der Bildungsforschung. Sie fand in der Projektmitarbeit am Zentrum für vergleichende Bildungsforschung an der Universität Salzburg ihren Anfang. Dieses Zentrum war für die Implementation der OECD-Studie PISA (Lese-, Mathematik-, Naturwissenschaftskompetenz bei den 15-/16-Jährigen) in Österreich zuständig. Später kamen die Grundschulstudien PIRLS (Lesen) und TIMSS (Mathematik/Naturwissenschaft) sowie die Lehrer*innen-Befragungsstudie TALIS dazu. Die Mitarbeit an den internationalen Studien erwies sich für mich hinsichtlich Projektplanung und -management sowie der statistisch-methodischen Konzeption als gute Schule: In Österreich waren wir als sehr kleines Team für alle Aufgaben rund um die Studien verantwortlich. Diese reichten von der Entwicklung, Übersetzung und Anpassung von Befragungs- und Testinstrumenten über den Kontakt mit den teilnehmenden Schulen, die Logistik der Datenerhebung, die Bewertung von Schüler*innen-Antworten und die Datenverarbeitung bis zur Analyse und Aufbereitung der Daten sowie die Publikation und Dissemination der Ergebnisse. Gleichzeitig stellte die internationale Anbindung die Anwendung höchster wissenschaftlicher Standards sicher. Seit damals ist meine Arbeit von einer Affinität zu Zahlen und Daten geprägt, aber auch von der Überzeugung, dass ein genaues und systematisches Hinschauen, bevor Entscheidungen getroffen werden, wichtig ist.

Während die Arbeit an den internationalen Studien in Form von System-Monitoring auf die Perspektive des Bildungssystems als Ganzes gerichtet war, verlagerte sich der Fokus bei meiner nächsten Station auf die Qualitätsentwicklung einzelner Schulen. Mit der Einführung der Bildungsstandards für das Ende der 4. und 8. Schulstufe in Deutsch, Mathematik sowie Englisch sollten dem Lernen und Lehren verbindliche Ziele gesetzt werden. Das Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE), in welchem ich zuerst als Departmentleiterin und später als Direktorin tätig war, hatte die Aufgabe, ein umfassendes System an Standardüberprüfungen zu entwickeln. Dieses sollte allen Ebenen – vor allem den verantwortlichen Akteurinnen und Akteuren an den Schulstandorten – datenbasierte Rückmeldungen über das Erreichen der Bildungsstandards, also über die Lernergebnisse ihrer Schüler*innen, geben. Nach mehrjähriger Konzeptions- und Entwicklungsarbeit wurde in Österreich im Frühjahr 2012 die erste flächendeckende Standardüberprüfung in der 8. Schulstufe durchgeführt, im Jahr darauf kam auch die 4. Schulstufe dazu. Dabei wurden die Kompetenzen aller Schüler*innen einer Schulstufe (ca. 80.000) jeweils an einem österreichweit festgelegten Tag in einem Fach mit zentral entwickelten Tests überprüft.

Einerseits sollen zusammenfassende Auswertungen der Ergebnisse in Bundes- und Landesergebnisberichten und dem nationalen Bildungsbericht eine Basis für Qualitätsentwicklung auf Ebene der Bildungspolitik und -verwaltung sein. Andererseits  wurde aufgrund der flächendeckenden Durchführung der Erhebung jedoch auch ermöglicht, allen Schulen Rückmeldung über die Kompetenzen ihrer Schüler*innen zu geben und für die Lehrpersonen Ergebnisberichte über das Abschneiden der Schüler*innen ihrer Klasse zu erstellen. Damit war die große Herausforderung verbunden, Modelle des Umgangs mit diesen Rückmeldungen zu entwickeln und die Akteur*innen auf den verschiedenen Ebenen, vor allem Schulaufsicht, Schulleitungen und Lehrer*innen, dabei zu unterstützen, die Kompetenzen der Schüler*innen (auch) als Rückmeldung über ihre Arbeit und als Impuls für die Weiterentwicklung der Qualität von Schule und Unterricht wahrzunehmen.

Seither beschäftigt mich in meiner Forschungstätigkeit vor allem die Frage, welche Prozesse es braucht, damit Daten Bedeutung erlangen, und wie aus Daten handlungsrelevantes Wissen entstehen kann. Das verstehe ich als die grundlegende Frage der Pädagogischen Diagnostik, die mein Forschungsbereich als Assistenzprofessorin an der Universität Innsbruck ist. Dabei zeigt sich auf allen Ebenen – vom Schulsystem über die Schulen und Lehrpersonen bis hin zu einzelnen Lernenden –, wie wichtig es ist, Daten im Kontext zu interpretieren, Reflexionsprozesse anzustoßen und die betroffenen Personen als aktiv an der Verarbeitung der Evidenzen beteiligte Akteure zu stärken. Schulleitungen und Lehrpersonen müssen die Verantwortung für die Qualitätsentwicklung vor Ort haben und die Schüler*innen die Verantwortlichen für ihr Lernen sein.

Neben der grundlegenden Forschungstätigkeit spielt die Pädagogische Diagnostik auch in meiner Beteiligung an Projekten des Instituts für LehrerInnenbildung und Schulforschung sowie in meiner Lehrtätigkeit eine wichtige Rolle. So besteht meine Aufgabe im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Modellregion Bildung Zillertal vor allem darin, das Projekt um die Erhebung (quantitativer) Daten zu ergänzen und diese an die Akteure in der Region als Basis für Qualitätsentwicklung zurückzuspielen. Das passiert in Workshops mit Schulleitungen und Lehrpersonen genauso wie in Form von schriftlichen Rückmeldeberichten für die Region und die einzelnen Schulen. In den bildungswissenschaftlichen Grundlagen des Lehramtsstudiums im Verbund West bin ich als Modulleiterin (gemeinsam mit meiner Kollegin von der PH Tirol) für die laufende Weiterentwicklung und Qualitätssicherung des Moduls zur Diagnostik, Beratung und Leistungsbeurteilung zuständig. Als Lehrende begleite ich die Studierenden ein Stück ihres Wegs in die Profession des Lehrberufs. Auch hier geht es darum, Evidenzen zu generieren, die den Studierenden Rückmeldung zu ihrem Lernprozess geben, und sie dabei zu unterstützen, diese Evidenzen für ihre professionelle Entwicklung zu nutzen.

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