Gustav Mahler (* 7. Juli 1860 in Kalischt, Böhmen; † 18. Mai 1911 in Wien) Ambivalent, kontrastreich, rätselhaft: So hat die Siebte Symphonie Mahlers in immer wachsendem Maße im Laufe ihrer strittigen Rezeptionsgeschichte gewirkt, während deren Kritiker und Musikwissenschaftler den Ton des Werks oft hinterfragt haben. Einige Jahrzehnte nach der Erstaufführung 1908, insbesondere ab den 60er Jahren, hat sich allmählich die Deutungshypothese bzw. -richtung entwickelt, die als Ausgangspunkt dieser Dissertation fungiert hat, und zwar dass verschiedene Elemente bzw. Merkmale dieser Symphonie einer ironischen, selbst-distanzierten Haltung des Komponisten gegenüber dem Werk zuzuschreiben seien. Laut dieser Annahme könnte die „Doppelbödigkeit” des musikalischen Texts die Ursache sowohl der Vielfalt, als auch der Widersprüchlichkeit der kritischen Einstellungen und der Auslegungen, die sich um das Werk versammelt haben.

Die Ironie der Siebten soll jedoch nicht als schieren Humor betrachtet werden, obwohl eine begriffliche Abgrenzung voneinander nicht immer konturenscharf sein kann. Sie ist nämlich subtilerer Art als die Ironie früherer Werke wie z.B. die der Ersten und der Vierten Symphonie oder der Wunderhorn-Lieder, wo die humoristische Wirkung primär durch scharfe Kontraste zwischen unterschiedlichen musikalischen Sprachebenen oder durch parodistische Effekte übermittelt wird. Ironisch sind, im Fall der Siebten, keine spezifische musikalische Inhalte oder „Ereignisse” sondern Merkmale, Tendenzen, die eigentlich mit dem Verhältnis des Komponisten mit dem eigenen Werk zusammenhängen. Die Theoretisierung einer solchen Ironie geht jedoch nicht auf Mahlers Lebzeiten zurück, sondern stammt aus Fragmenten und Beobachtungen frühromantischer Philosophen und Schriftsteller wie Friedrich Schlegel, Karl Wilhelm Ferdinand Solger, Adam Müller und Novalis. Die zeitliche Distanz zwischen der Theoretisierung der sogenannten „romantischen Ironie” und der Komposition der Siebten spielt aber keine bedeutende Rolle, weil verschiedene ihrer Kategorien und Tendenzen (Selbstreflexion, Intertextualität, Selbst-Distanzierung, die oben erwähnte Ambivalenz usw.) mehr als ein Jahrhundert später, grundsätzlich unverändert, in die Moderne münden.

Nach einigen Vorbemerkungen über die romantische Ironie, als sie im literarisch-philosophischen Kontext entstanden ist, und den notwendigen Begriffsbestimmungen gehe ich gründlich die Rezeptionsgeschichte der Symphonie durch. Ein Vergleich der sorgfältig gesammelten Rezensionen und Analysen aus der ganzen Rezeptionsgeschichte ermöglicht mir, den rätselhaften, widersprüchlichen Charakter des Werks deutlich zu aufzuzeigen. Durch die Erörterung dieser Quellen lässt sich allmählich klarer beweisen, wie verschiedene Merkmale und Tendenzen des Werks, als sie von Kritikern, Musikern und Musikwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts schon eingeführt und diskutiert worden sind, auf Verfahren der romantischen Ironie zurückgeführt werden können.

Eine ausführliche, hermeneutisch geprägte Analyse zeigt anschließend an welchen Stellen und vor allem auf welche Weise diese Verfahren sich in der Partitur manifestieren. Konkrete Beispiele werden dem Text der Symphonie herausgelöst, um deren selbst-reflektierende, intertextuelle, ambivalente oder selbst-distanzierte Momente aufzuzeigen. Damit wird das Formkonzept der musikalischen Ironie in der Siebten gerade aus ihrer eigenen Partitur hergeleitet, wodurch sich neue Möglichkeiten ergeben, das Werk neu zu begreifen und auszulegen.

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