Schriftliche Gesetze bilden nie die praktische Realität einer Gesellschaft ab. Diese These gilt sowohl für die historische Forschung als auch für die Gegenwart. Die Frage, wie nah einzelne Gesetze nun dem gelebten Alltag sind oder nicht, birgt ein großes Potenzial für die Forschung in sich. Pauschale Urteile lassen sich hier klarerweise nicht fällen. Je nach Region, politischer Konstellation und Normierungsbereich stellen sich die einzelnen Situationen höchst unterschiedlich dar.
Die Darstellung des Normierungsvorganges der Waldnutzung basiert dabei auf Waldordnungen und Waldbereitungen und wird durch Informationen aus einzelnen Mandaten, Befehlen und Instruktionen ergänzt. Der Implementationsvorgang kann durch höchst spannende Quellen über Jahrzehnte hinweg nachvollzogen werden. Es sind dies vor allem unterschiedlichste Beschwerden über Holzverschwendung, Waldschäden, Unsicherheiten bei der Bedarfsdeckung und Streitereien um alte Holzbezugsrechte, die von den neuen, obrigkeitlichen Waldordnungen eingeschränkt werden. Denn der Großteil der Untertanen empfindet die neuen Waldnutzungsregeln, die sämtliche Wälder Tirols zum landesfürstlichen Eigentum erklären, als Missachtung jahrhundertealter Gewohnheitsrechte und letztlich als Enteignung. Und all das zur Sicherung des enormen Holzbedarfs im Bergbau. Doch die Untertanen wehren sich, wovon die Quellen sehr anschaulich berichten.
In der Dissertation soll dieser Prozess eines Aushandelns von gesetzlichen Spielräumen zwischen Obrigkeit und Untertanen dargestellt und analysiert werden. Dabei stehen Fragen nach der Durchsetzbarkeit der aufgestellten Normen sowie nach der Effizienz und Stabilität des aufgebauten Waldnutzungssystems im Vordergrund.