Auslandssemester an der Université de Montréal (Kanada)

Diana Jung, fall term 2016/17

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In diesem Bericht möchte ich gerne einige Erfahrungen teilen, die ich in meinem Auslandssemester an der Université de Montréal im Herbst/Winter 2016 gesammelt habe. 

Vorbereitungen

Nachdem ich die Nominierung des Kanadazentrums für Montreal bereits eine Woche nach Einreichen meiner Bewerbung im Februar erhalten hatte, lies die endgültige offizielle Zusage der UdeM leider sehr lange (bis zum Sommer) auf sich warten. Um mein Warten angenehmer zu gestalten, versuchte ich mich in der Zwischenzeit mit der Vielzahl an Informationen vertraut zu machen, die besonders vom SAÉ (Service aux étudiants) und speziell dem BEI (Bureau des étudiants internationaux) den (ausländischen) Studierenden auf der Universitätshomepage, Facebook sowie YouTube zur Verfügung gestellt werden. Diese Recherche im Voraus erwies sich als äußerst hilfreich, um mir den Start vor Ort zu erleichtern.

So fand ich beispielsweise eine Gruppe auf Facebook (Udem+1), die jedes Jahr für alle Neuzugänge an der UdeM gegründet wird, um den Studierenden vorab und während des Semesters einen Austausch zu ermöglichen und Fragen zu klären. Außerdem erfuhr ich von der Einführungswoche (Semaine A), die in der Woche vor Studienbeginn nützliche Vorträge, Campustouren, Schnupperveranstaltungen und Freizeitevents für alle neuen Studierenden bot. Dadurch konnte man sich anfangs die Orientierung an der Uni erleichtern und zugleich neue Freundschaften knüpfen.

Wohnen

Bei der Wohnungssuche erwiesen sich neben einer offiziellen Internetseite der Uni (Logement hors campus) auch einige Facebookgruppen (Colocation Montréal) sowie zahlreiche Inserate auf Airbnb und vor allem in den in Kanada sehr gängigen Kleinanzeigenseiten www.kijiji.ca und www.craigslist.ca als hilfreich. Da ich beschlossen hatte, meinen Sommerurlaub vorm Auslandssemester schon in Kanada zu verbringen, entschied ich mich dafür, mir erst vor Ort eine Wohnung zu suchen. Dies erwies sich als schwieriger als gedacht, da sich Lage, Preis, Entfernung von Uni und Innenstadt sowie Attraktivität des Viertels mitunter stark unterschieden. Es ist ratsam in Laufdistanz einer Metro Station der blauen (Uni) oder orangenen (Innenstadt) Linie zu wohnen, denn der Verkehr in Montreal geht besonders zu Stoßzeiten und bei Neuschnee nur sehr stockend voran. Die Preise für ein WG Zimmer liegen vor allem im Stadtteil der UdeM (Côte-des-Neiges) und in den Szenevierteln (Mile End und Plateau) zwischen 350 und 550 € pro Monat. In anderen durchaus ebenso attraktiven Vierteln (Rosemont, StHenri) findet man aber mit etwas Glück auch Zimmer für unter 300 €.

Akademisches

Während Bachelorstudenten an der Université de Montréal vier bis fünf Kurse belegen, wählen Masterstudenten in der Regel zwei bis drei Kurse pro Semester. Die Kurswahl erledigt man vor Ort mithilfe seines fachspezifischen TGDE Betreuers. Erst danach kann man sich seinen Studentenausweis und die OPUS Karte für die Metro ausstellen lassen. Für die Bezahlung der Krankenversicherung (ca. 230 €) hat man anschließend einen Monat Zeit.

Wie schon bereits im Studienführer angekündigt, ist der Arbeitsaufwand an kanadischen Universitäten ein anderer als wir es in Europa vielleicht gewohnt sind. Während sich bei uns die Prüfungszeit meist vor allem gegen Semesterende bemerkbar macht, wurde in Montreal von Tag 1 an eine Arbeitsmoral an den Tag gelegt, die mich staunen ließ. Ein Kurs dauerte meistens drei Stunden, in denen die Studierenden ohne Pause auf ihren Laptops mittippten. Danach ging es umgehend in die Bibliothek oder ins eigene Forschungsbüro, um die empfohlene Literatur für den nächsten Termin vorzubereiten. Referate wurden häufig komplett frei und ohne jegliche Notizen vorgetragen. Neben der Uni engagierten sich viele Studierende noch ehrenamtlich in wohltätigen Universitätsclubs.

Ich habe Kurse aus dem Psychologie Doktoratsstudium besucht, da diese sich teilweise mit den Masterkursen deckten. Dort hatten alle zusätzlich zu ihren Kursen noch ein eigenes Forschungsprojekt zu bearbeiten. Der Arbeitsaufwand in meinen Kursen bestand meistens aus einer Präsentation zu einem zugeteilten oder selbst gewählten Thema und einer anschließenden, umfangreicheren Hausarbeit in Zweiergruppen. Dazwischen gab es teilweise noch kleinere Abgaben oder Projekte für zuhause. Ich fand es sehr angenehm, dass die Arbeitsaufträge und die Punkteverteilung immer im Voraus klar und transparent kommuniziert wurden. Neu für mich war, dass es häufig auch Teilpunkte auf die französische Grammatik oder Aussprache gab, wobei die Professoren in meinem Fall weniger streng waren oder mir auch teilweise das Verfassen der Arbeiten auf Englisch erlaubten. In den Bachelorstudiengängen wird der Stoff häufig auf zwei Examen, in der Mitte und am Ende des Semesters, aufgeteilt.

Freizeit

Bezüglich Freizeitaktivitäten hat sowohl die Uni als auch die Stadt in Montréal sehr viel zu bieten. Neben kulturellen Tanz- und Musik- und Theaterkursen (activités culturelles), ist auch an der Sportstätte Cepsum der UdeM für jeden etwas dabei. Ich habe während des Semesters zum Beispiel die Kletterhalle sowie Angebote wie Poweryoga und Squash genutzt. Außerdem ist die Schwimmhalle für jeden Studierenden umsonst zugänglich. Die Preise pro Kurs sind allerdings etwa doppelt bis dreimal so hoch wie die Gebühren die wir von der Usi gewohnt sind.

Empfehlenswert ist noch die Unigruppe Clef des Champs vom AHC. Diese Studentengruppe organisiert immer wieder kleine Ausflüge in umliegende Nationalparks oder Städte. Allerdings sind sie preislich deutlich teurer als andere Outdoor Clubs (Concordia Outdoors, McGill Outdoors Club), bei denen man häufig ohne Mitgliedsbeitrag und als externer Studiereneder mitfahren darf.

Das Büro des AHC ist auch eine Anlaufstelle für die Beteiligung an Koch- und Spieleabenden, Sprachtandems oder wohltätigen Sammelaktionen. Ebenfalls beim AHC habe ich mir für drei Monate ein günstiges Fahrrad für nur 10 € pro Monat geliehen, welches ich noch bis Ende November fahren konnte.

Eine weitere schöne Studentenaktion ist das wöchentliche Ciné Campus, eine Filmvorführung im eigenen, kleinen Unikino. Dort kann man sich für nur 3 € jede Woche einen neuen, aktuellen und gut ausgewählten Kinofilm in Originalsprache ansehen. Allgemein kann man sich in Montreal vor gemütlicher Bars und cooler Szenelokale kaum retten. Ich habe in der Bar Medley Simple Malt eine Leidenschaft für das Swingtanzen entwickelt. Dort fand jede Woche ein Tanzabend mit gratis Einführungskurs statt.

Finanzielles

Auf den ersten Blick wirkt das Leben in Kanada erst einmal teuer. Beim Einkaufen sind Milch- und Fleischprodukte mindestens doppelt so teuer wie in Österreich und beim Ausgehen überlegt man sich genau, ob man sich ein zweites Bier noch leisten kann. Mit der Zeit findet man allerdings den (Super-)Markt und die Bar seines Vertrauens, in denen man dann vor allem von Sonderangeboten profitiert. Bezüglich der Mietpreise bietet Montreal im Vergleich zu anderen kanadischen Großstädten die günstigsten Mieten. Wenn man sich nicht gerade in internationalen Studentenwohnungen übers Ohr hauen lässt, kann man durchaus günstig wohnen. Mithilfe des Joint Study Stipendiums (400 € pro Monat) konnte ich meine Mietkosten und einen Teil meiner Verpflegung decken. Die meisten Studenten schonen ihren Geldbeutel, indem sie sich ihr vorgekochtes Mittagessen mit zur Uni nehmen und es vor Ort in einer der vielen Mikrowellen aufwärmen.

Fazit

Insgesamt war mein Auslandssemester an der Université de Montréal für mich sowohl akademisch als auch persönlich eine große Bereicherung. In meinen Kursen habe ich eine neue Perspektive auf das Psychologiestudium gewonnen und wichtige Praxisbezüge erfahren. Dabei habe ich es geschafft, sprachliche Hürden zu überwinden und meine wissenschaftliche Arbeitsweise zu vertiefen. Ich habe sehr gute Freundschaften geschlossen und gelernt, mich in einer Großstadt zurecht zu finden. In Montreals vielfältiger Kunst- und Kulturszene habe ich neue Interessen für mich entdeckt und an der Uni außergewöhnliche Sportarten ausprobiert. Alles in allem kann ich eine solche Chance nur jedem Studierenden ans Herz legen. In jedem Fall erweitert man durch ein Auslandssemester in Montreal seinen Horizont und sammelt unvergessliche und einmalige Erfahrungen.

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