... nur allzu­leicht Mißver­stand und Miß­deu­tung ...

Bei Wieder­eröffnung der Univer­sität 1792 waren die Ideen der Französischen Revolution und der Ameri­kanischen Verfassung im Land präsent. Kaiser Franz II. fühlte sich von diesen Ideen in Herrschafts­legitimation und Herrschafts­verständnis bedroht und suchte mit rigiden Maßnahmen von Kontrolle, auch Versetzung gegen­zusteuern. Nach dem Wiener Kongress wurde die Situation nicht besser.
Symbolbild Professoren
Bild: Symbolbild Professoren. Montage (von links): Rektorsgemälde Hieronymus Leopold Bacchettoni (18. Jh.), Büste von Franz Xaver Jellenz (18. Jh.), Prof. Carl Heider (Ferdinadeum Sign. FB16339–013). (Credit: Universität Innsbruck/Ferdinandeum)

Schreiben des Studienkonsess an die Jurid. Fakultät v. 7. März 1795. UAI, JurFak 1771–1817.

Schreiben des Studienkonsess an die Jurid. Fakultät v. 7. März 1795. UAI, JurFak 1771–1817.

Transkription:

Der juridischen Fakultät.

Die hohe Landesstelle hat mit Dekret vom 6ten Februar [1795] folgendes an den Studienkonseß erlassen:

Seine Majestät haben auf die Vorstellung des Herrn Landesgouverneurs über die Mittel zur Abhilfe der Gebrechen bey der Universität zu Innsbruck in Folge k:k:en Hofdirektorialdekrets vom 17ten Dezembers 1794. No 1698. Folgende höchste Entschliessung unter andern zu schöpfen geruhet:

  1. Der Gebrauch der wegen so mancherley möglichen Unfug schädlich erkannten Skripten ist den Lehrern allgemein verbothen.
  2. Die Professoren sollen sich der öffentlichen Erörterung solcher Gegenstände, worinn gleichsam eine Vorzeichnung der von der Staatsverwaltung zu befolgenden Grundsätze zu liegen scheint, enthalten, und mehr bey eigentlich gelehrtem Stoff und solchen Materien, die zu den Wissenschaften, welche sie zu lehren haben, gehören, mit kluger Bescheidenheit stehen bleiben, um so mehr, da sie bey solchen politischen Abhandlungen, wenn sie auch noch so gründlich und wohlgemeint sind, kaum hier und da einem gewißen Aufsehen, und übler Auslegung ausweichen können, und überhaupt das gefährliche der heutigen sogenannten Aufklärung darin zu liegen scheint, daß heutiges Tages Untersuchungen politischer Gegenstände, wozu mehr Weltkenntnis, Reife an Verstand und Erfahrung, als zu eigentlich gelehrten Materien gehöret, in zu großer Anzahl erscheinen, und die Grübeleyen über solche Dinge die Neugierde und viele der Sache gar nicht gewachsene Köpfe unnöthiger Weise, und allzusehr mit Vernachlässigung der BerufsStudien und Arbeiten beschäftigen; aus dieser Rücksicht, und in Verbindung mit den alle Vorsichtigkeit erfordernden Zeitläuften, und der weitern Betrachtung, daß in solchen Dingen nur allzuleicht Mißverstand oder Mißdeutung bey den Zuhörern entstehen kann, hat dann auch das Gubernium an alle Lehrkörper eine glimpfliche Warnung zu erlassen. Um übrigens künftig allen Anstössigkeiten in den öffentlichen Reden der Professoren vorzubeugen, so sind dieselben anzuweisen, jede öffentlich zu haltende Rede 4. Wochen vorher dem Studienkonsesse in der Handschrift vorzulegen, welche solche nach 8. Tägen mit seinem Gutachten, wobey Zeiten, Umstände und Stimmung nicht zu übersehen sind, ihm Gubernium zu überreichen hat, damit dieses sodann über Zulassung oder Versagung, oder Abänderung einer oder der andern Stelle, oder gewisser Ausdrücke den Redner belehren könne. [...]

Von dem k:k: Studienkonsesse
Innsbruck den 7ten März 1795
S Milbacher Aktuar mpria

Schreiben des Studienkonsess an die Jurid. Fakultät v. 7. März 1795. UAI, JurFak 1771–1817.

 

An das philosophische Studien-
Directorat    dahier.

Es ist zu meiner Kenntniß gekommen, daß der Professor v Lichtenfels es gern dem eigenen Nachdenken seiner Schüler überläßt, die scheinbaren Widersprüche zwischen den Lehrssätzen [sic] der Religion und Philosophie zu lösen, Profeßor Albertini dagegen mit besonderem Interesse bey jenen hystorischen Momenten zu verweilen, und sich darüber in subtile Reflexionen zu verlieren pflegt, die geeignet sind, die Wahrheiten der Religion, und die geläuterten Grundsätze der Politick in ein zweifelhaftes Licht zu setzen.

Ich wünsche, daß der Herr Studien Director die beyden Herrn Profeßoren, ohne ihnen jedoch den gegenwärtigen Erlaß mitzutheilen, oder zu eröffnen, auf diese Unzukömmlichkeiten ihrer Lehrmethode auf eine unaufsichtige [sic] Weise aufmerksam machen, und erinnern, daß sie ihren Vortrag über Gegenstände, deren Erörterung mit Recht nur dem im Denken geübteren, reiferen Alter vorbehalten bleiben muß, dem Faßungs Vermögen ihrer Schüler mehr anzupaßen haben. [..]

Innsbruck am 20ten August 1824
Chotek

Gouverneur Chotek an phil. Studiendirektorat v. 20. August 1824. UAI, PhilFak 1822–1824.
 

Zur Zeit der Jakobinerprozesse in Wien und der Verhaftung Verdächtiger in Innsbruck wurden die Professoren an die Kandare genommen. Sie hatten sich auf die Vermittlung lediglich von Fachwissen zu beschränken. Dies schien unverdächtig. Anregungen zum Nachdenken sollten nicht gegeben werden. Zu kritischem Denken waren die Studenten nicht zu erziehen. Stattdessen wurden 1804 der Religionsunterricht und eine spezielle Sonntagspredigt in der Philosophischen Fakultät eingeführt. Reflexion sollte Männern in reiferem Alter vorbehalten bleiben.

Besonders vorsichtig hatte man, gerade nach den Karlsbader Beschlüssen von 1819, in der Unterrichtung von Geschichte und Kirchengeschichte zu sein – und sich sehr genau zu überlegen, auf welche historische Ereignisse und Persönlichkeiten man wie einging. Ein weiteres Minenfeld war die Diskussion von Fragestellungen aus philosophischer bzw. theologischer Perspektive.

Unbeabsichtigt gibt das zweite Schreiben auch Auskunft über Denunziationen und Heimlichtuerei. Es sollte mit der Maßregelung ja kein Aufsehen erregt werden; damit blieb es den Betroffenen überlassen, wen sie verdächtigten, und es wurde Misstrauen gesät.

​(Margret Friedrich)

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