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Helmut Hable

29. April 2016

  

Bild von Helmut Hable

  

Alle Himmelsrichtungen der Kompassrose bis auf eine waren in der europäischen Kulturgeschichte bereits Sehnsuchtsorte: der Orient, aus dem Europa entstand, galt – mit einigen Ambivalenzen – bis ins 20. Jahrhundert als benchmark hoher Lebenskultur und eines feinen Geistes; der verführerische Süden, den man in machtvollen Wanderbewegungen „nord-europäisierte“; der Westen jenseits des Atlantiks, der ab dem 19. Jahrhundert mit unendlichem Lebensraum und dem Abenteuer eines Neuanfangs samt verheißungsvoller Hoffnung auf Freiheit und ein besseres Leben lockte.
  
Bild von Helmut Hable


Allein der Norden galt stets als abweisend, kalt und barbarisch. Dass dieser Norden in Form der Europäischen Union in unseren Jahrzehnten zu einem neuen Sehnsuchtsort auf dem Kompass der Verzweifelten geworden ist, ist eigentlich die schönste Auszeichnung für diesen historischen Lichtblick auf einem Kontinent, auf dem seit Jahrhunderten die blutigsten Kriege und brutalsten Verfolgungen tobten.

Die angeblich so christlichen Europäer indes wollen von dieser Ehre nichts wissen. Die vor Krieg und Verfolgung aus ihrer in Trümmern liegenden Heimat Fliehenden treffen auf kein vereintes stolzes Europa, sondern auf die Fratze eines überholt geglaubten Nationalismus mit seinen einfältigen Parolen. Die Verzweifelten stehen vor Stacheldrahtverhauen und blicken in das Angesicht pöbelnder Menschen und feindseliger Politiker.

Helmut Hable ist einer von jenen, die das Schicksal der Vertriebenen aufwühlt und beschämt und er hat es zu seinem Thema gemacht. Voller Engagement und schonungslos thematisiert er den Leidensweg der Flüchtenden.

Bild von Helmut Hable

Wie jeder Künstler bei der Darstellung von Leid und Verzweiflung stand auch er vor der Frage nach der Darstellungsform, damit vor der alten Gleichung: Mimesis oder Expression. Man kann das auch mit bekannten Namen belegen: Alfred Hrdlicka oder Peter Eisenman. Das Problem: Kann man Leid und Verzweiflung mimetisch abbilden? Helmut Hable geht künstlerisch den anderen Weg. Er, der sich seit vielen Jahren der informellen Malerei verschrieben hat, beim befreundeten Hermann Nitsch Anregungen erhielt, will die Verzweiflung und das Leid der in die Flucht Geschlagenen für die Betrachterin nachvollziehbar machen. Das gelingt, wenn man die großen Formate aus nächster Nähe betrachtet, sich in sie und damit in die Wasserwege, Landwege, Strudel und Trichter versinken lässt. Seine Malerei ist aufgeladen mit expressiver Emotionalität und operiert mit ausdrucksstarken Zeichen.

 Bild von Helmut Hable

Dass dies nicht etwa nur als ästhetisches Spiel von Zeichen abgetan werden kann, dafür sorgen Porträt-Fotografien, die von den Zeichen der Verzweiflung machtvoll überlagert werden, Porträts, die in diesen Codes buchstäblich untergehen.

Aus dem vermeintlichen Symbol Europas, dem christlichen Zeichen des Kreuzes, wird das Symbol des Todes auf dem Wasserweg, es wird zu einem Symbol der Absperrung und ein Durchkreuzen der letzten Hoffnung.

Ausstellungseröffnung Hable

Hable intoniert mit energischem Gestus des Pinsels, mit kraftvollen Schüttungen Irrwege und die Ausweglosigkeit von Sackgassen und seine mit Farbexplosionen aufgeladenen Löcher lassen die Sehnsucht von Menschen nach einem sicheren Leben ins Bodenlose stürzen, verwandeln Träume in Albträume.

Der lange Weg des Kunstganges ermöglicht es, die Stationen von Hables Interventionen beinahe wie bei einem Kreuzweg abzuschreiten und sich selbst durch spiegelnde Oberflächen gleichsam in das Schicksal von Zuflucht-Suchenden zu versetzen. Es ist dies auch ein Spiegel für das ärgerliche Versagen Europas – unserer Heimat.

Ausstellungseröffnung Hable

 

bis 27. Mai
Text:Bernhard Braun

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