Mein Auslandsjahr an der University of Alberta

August 2014 – Mai 2015, von Julian Degan

Im Rahmen meines Studiums, dem Masterprogramm Applied Economics an der Universität Innsbruck, erhielt ich die Möglichkeit, ein ganzes Studienjahr an der University of Alberta (UofA) in Edmonton, Kanada, zu verbringen. In diesem Erfahrungsbericht möchte ich auf mein vergangenes akademisches Jahr zurückblicken und auf verschiedenste Eindrücke und Erlebnisse eingehen, die meine Auslandserfahrung so wertvoll gemacht haben.

Das Studentenleben an der University of Alberta

Die University of Alberta ist eine Campus-Uni. Daher spielt sich ein Großteil der studentischen Aktivitäten auf dem recht großen Universitätsgelände ab. Direkt neben Lehr- und Forschungseinrichtungen laden eigene Studentencafés und Essensmeilen zum gemeinsamen Mittagessen ein, welches dann in den Räumlichkeiten des Sportzentrums (u.a. Schwimmbäder, Fitnessstudio, Fußball-, Tennis- und Curlingplätze) wieder abtrainiert werden kann. Alternativ verbringt man die freien Minuten in Parkanlagen, Aufenthaltsräumen oder im Kino der Studierendenvertretung. Durch die vielen Aktivitäten und Möglichkeiten am Campus wirkte dieser wie eine eigens errichtete Stadt für Studierende, die dort gemeinsam lernen, forschen und leben. Gleichzeitig hatte ich den Eindruck, dass sich aufgrund der örtlichen Nähe der Fakultäten die verschiedensten Studentengruppen an einer solchen Campus-Uni besser vermischen. Während ich in Innsbruck mit wenig Studierenden aus technischen Studiengängen in Berührung kam, knüpfte ich an der UofA schnell Freundschaften mit Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Fachrichtungen. Durch diese Vermischung erhielten vor allem Gespräche über politische oder weltanschauliche Themen eine neue Dynamik.

Einen Großteil meiner Zeit an der UofA verbrachte ich im International House, einem Studierendenheim am Campus, in dem ich während meines Auslandsaufenthaltes lebte. An meinen direkten Nachbarn im „I-House“, einem Iraner, einer Chinesin und einer Nigerianerin, wird deutlich, dass dieses Heim seinem Namen durchaus gerecht wird. Das Zusammenleben mit Menschen aus verschiedensten Nationen und Kontinenten war ungemein spannend und bereichernd. Ich durfte viel von anderen Kulturen, Denk- und Sichtweisen lernen, ich erfuhr, mit welch unterschiedlichen Hoffnungen und Befürchtungen sich meine Kolleginnen und Kollegen auseinandersetzten und ich erlebte, wie abwechslungsreich das Alltagsleben in einer multikulturellen Wohngemeinschaft sein kann. Die Erfahrungen und Erlebnisse, die ich im I-House erleben durfte, sind für mich die wertvollsten und eindrücklichsten in meinem ganzen Auslandsjahr. Schließlich stehen hinter vielen dieser Erfahrungen neue Freundschaften, die auch nach dem Studienaustausch weiter bestehen werden.

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Die akademische Seite

Neben dem aufregenden Leben abseits der Curricula ist natürlich auch das Studieren an sich ein essentieller Bestandteil eines Studentenaustauschs. Als Visiting Graduate Student war ich dem Department of Economics zugeordnet, an welchem ich auch einen Großteil meiner Kurse absolvierte. Da ich in Innsbruck jedoch auch Religionspädagogik studiere, nahm ich in meinem zweiten Semester an zwei Kursen am St. Joseph’s College, der Katholisch-Theologischen Fakultät der UofA, teil. Dabei ist anzumerken, dass sich viele Forschungsprojekte beider Fakultäten an der dortigen Ölindustrie orientierten. Während man am Department of Economics einige umweltökonomische Lehrveranstaltung besuchen konnte, standen am St. Joseph’s College ethische Überlegungen zur Verwendung von fossilen Rohstoffen im Mittelpunkt. Zudem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Kurskatalog dieser Katholisch-Theologischen Fakultät sehr breit gefächert ist. Wer sich beispielsweise für die theologische Dimension von Tolkiens „Der Herr der Ringe“ interessiert, könnte dort in einer eigens dafür konzipierten Lehrveranstaltung fündig werden. Daneben dürfte ein Auslandsaufenthalt an der UofA vor allem für Theologiestudierende sehr reizvoll sein, da am Campus noch eine zweite theologische Fakultät, das St. Stephen’s College der protestantischen United Church of Canada, beheimatet ist. Da ich mit diesem College leider nicht in Berührung gekommen bin, kann ich leider keine Auskunft über mögliche interkonfessionelle Veranstaltungen geben.

Grundsätzlich fiel mir die Umstellung auf das Kanadische Kurssystem nicht sonderlich schwer. Da mein Masterprogramm in Innsbruck ein englischsprachiges ist, hatte ich keinerlei Probleme in Diskussionen mit Kanadischen Kolleginnen und Kollegen einzusteigen. Selbst mit der dortigen Kursstruktur, die im Vergleich zur heimischen unterschiedlich organisiert ist, hatte ich keinerlei Probleme – im Gegenteil: Dadurch, dass selbst in Kanadischen Vorlesungen durch wöchentliche Arbeitsaufträge das ständige Mitarbeiten eingefordert wird, setze ich mich mit den Themen der Kurse kritischer auseinander. Gleichzeitig fühlte ich mich besser auf Schlussklausuren vorbereitet, da ich durch das kontinuierliche Mitlernen das abgefragte Material besser abrufen und effektiver verknüpfen konnte. Generell ist das Arbeitspensum pro Kurs an der UofA deutlich höher. Neben den genannten wöchentlichen Assignments müssen in den meisten Kursen ein wissenschaftliches Paper verfasst, mindestens eine Präsentation gehalten und zwei Prüfungen geschrieben werden. Dadurch wird zwar das Studieren in der Semesterzeit etwas hektischer, allerdings nimmt man dadurch keine Arbeiten und Prüfungen in die Ferien mit. Dennoch wird ein effizienteres Ressourcenmanagement durch die relativ hohe Arbeitsbelastung unabdingbar. Jedenfalls hatte dieses andere Lernverhalten für mich einen nachhaltigeren Effekt und ist meiner bisherigen Studiertaktik, dem marathonartigen Hineinpressen vor Prüfungswochen, durchaus vorzuziehen.

Was die eigentlichen Inhalte und thematischen Schwerpunkte der Kurse betrifft, so möchte ich zuerst festhalten, dass die Themen selbst und der Anspruch der dortigen Lehrveranstaltungen mit jenen der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik an der Universität Innsbruck vergleichbar sind. Als Austauschstudent habe ich mich nie sonderlich unter- oder überfordert gefühlt und konnte mit meiner bisherigen Ausbildung gut in neue Schwerpunktthemen einsteigen. Was mein spezielles Interessensgebiet, die Wirtschaftsethik, betrifft, so erhoffte ich mir von diesem Austauschprogramm in diesem Bereich Neues zu erfahren. Während ich in manchen Kursen am Department of Economics (wie bspw. in Economic Development) die ökonomische Seite dieses Themengebiets bearbeiten durfte, wurde in anderen Lehrveranstaltungen am St. Joseph’s College (wie bspw. in Business Ethics) die philosophisch-theologische Ebene betrachtet. Die Möglichkeit wirtschaftsethische Problemstellungen von zwei verschiedenen Fachrichtungen aus zu betrachten, verschaffte mir nicht nur einen größeren Einblick, sondern auch neue, aufregende Ideen, die ich in meinem weiteren beruflichen Werdegang weiter verfolgen möchte. Jene akademischen Erwartungen, die ich vor meiner Abreise in das Austauschprogramm gesetzt habe, wurden somit voll erfüllt.

Abseits der Universität

Außerhalb des Universitätsgeländes ist Edmonton leider keine aufregende Stadt. Selbst im Gespräch mit manchen Einheimischen stellte sich heraus, dass diese hauptsächlich wegen der Ölindustrie oder Universität in dieser Gegend wohnen. Die Stadt selbst darf man sich daher sehr nordamerikanisch vorstellen: Da sie erst im 19. Jahrhundert aufgebaut wurde, gibt es keinen klassischen historischen Stadtkern. Zudem bleiben die Wohngegenden durch die rechtwinklige Straßenstruktur sehr steril und austauschbar. Leider ist auch die Innenstadt, Downtown Edmonton, für mich lediglich eine Ansammlung künstlich hochgezogener Hochhäuser mit wenig Flair und überschaubaren Freizeitaktivitäten. Zwar kann man in der größten Mall Nordamerikas gut einkaufen, allerdings war diese für mich auch nur eine Aneinanderreihung bekannter Franchise-Läden. River Valley, die größte Parkanlage der Stadt, lädt zwar zum Spazieren ein, kann der Stadt das fehlende Etwas jedoch auch nicht geben. Da es zudem im Winter sehr kalt werden kann - es ist erstaunlich, wie schnell einem bei -35°C die Nasenlöcher zufrieren können -, verbringt man die wenigen Sonnenstunden meist am Campus.

Stattdessen lohnt sich der Blick nach Westen. Mit den günstigen Mietautos ist man innerhalb einer vierstündigen Fahrt in den Rocky Mountains (Jasper, Banff, Lake Louise, etc.). Im Herbst kann man dann auf Wanderwegen jene Berglandschaften bestaunen, die im anschließenden Winter zum Tiefschnee-Skifahren (Champagne-Powder!) einladen. Dazu organisiert der von Studierenden geführte UofA Outdoors Club monatliche Ausflüge, die sowohl gut geplant als auch gut besucht waren. Beispielsweise bietet der Club mit Veranstaltungen wie Campingwochenenden, Kanufahrten, Skiausflügen und sogar einer Surfreise nach Kalifornien einige Möglichkeiten an, der Stadt zu entfliehen. Neben den vielen geschlossenen Freundschaften und den akademischen Möglichkeiten gehören vor allem die Reisen mit dem Outdoors Club zu den schönsten Momenten meines Auslandsaufenthalts. Schließlich ist an dieser Stelle noch auf die anderen Clubs der Universität hinzuweisen, die die verschiedensten Interessen abdecken. Neben dem Outdoors Club war ich Mitglied im Ski & Board sowie im Music Club. Wer hingegen lieber Verstecken spielt oder gemeinsam Harry Potter liest, der könnte im Hide-and-seek Club oder im Harry Potter Club fündig werden.

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Zum Abschluss

Die Entscheidung, mein Auslandsjahr an der University of Alberta zu verbringen, habe ich zu keiner Sekunde bereut. Nie hatte ich das Gefühl, fehl am Platz oder lieber an einem anderen Ort zu sein. Schließlich stellt diese einmalige Erfahrung nicht nur beruflich, sondern vor allem auch persönlich eine enorme Bereicherung für mich dar. Jenen Kolleginnen und Kollegen, die noch vor ihrem Auslandsjahr stehen, kann ich daher nur anraten das Abenteuer Kanada anzugehen und „The Great White North“ auf eigene Faust zu erkunden.

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