Auslandsaufenthalt in Pandemie-Zeiten

von Veronica Rungger (Herbstsemester 2021/22)

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Name: Veronica Rungger
Studiengang: MA Romanistik, Ergänzungsfach Filmwissenschaften
Gasthochschule: Université de Montréal
Aufenthalt: 17.08.2021-31.03.2022 (Herbstsemester an der Uni, im Anschluss Stipendium für
Kurzfristige Wissenschaftliche Arbeiten im Ausland zur Literaturrecherche für die
Masterarbeit)
Kontakt: veronica.rungger@student.uibk.ac.at

 

Alles in allem würde ich nochmals alle bürokratischen Hürden durchgehen, um dieses Erlebnis als Ergebnis haben zu können. Ich empfehle jeder/m, die/der den Gedanken hegt, eine Zeitlang das Studentenleben in Kanada inklusive Erkundung des facettenreichen Landes leben möchte, sich rechtzeitig im Kanadazentrum über die jeweiligen Bewerbungsfristen zu erkundigen und während des bürokratischen Hürdenlaufs nie das Ziel außer Augen zu verlieren! Jeder Schritt ist es wert!

Seit ich mein Französischstudium begonnen habe, war es mein Traum, eine Periode meines Studiums in Québec zu verbringen. Dank den Filmen eines Montréaler Regisseurs habe ich mich augenblicklich ins québécois, das Quebecer Französisch, verliebt und mir als Ziel gesetzt, nicht meine Unikarriere abzuschließen, ohne davor in Québec gewesen zu sein.

Zu Beginn meines Studiums hatte ich leider noch ein zu niedriges Sprachniveau, um an der Université de Montréal (UdeM) einen Austausch antreten zu können, aber als dann einige Zeit vergangen war und ich dann im Master war, konnte mich niemand mehr zurückhalten – außer eine Pandemie. Nach mehreren Bewerbungsanläufen und einem Online-Kurs an der UdeM hat es dann endlich geklappt! Anfang Mai 2021 bekam ich die fröhliche Botschaft, den Austausch an der UdeM antreten zu dürfen! Der ganze Hürdenlauf des Bewerbungsprozesses mit Motivationsschreiben, Empfehlungsschreiben, … lohnt sich auf jeden Fall! Aufgrund der noch grassierenden Pandemie kamen aber noch weitere bürokratische Hürden hinzu: Auch wenn ich nicht länger als 6 Monate an der UdeM inskribiert sein sollte, sollte das Visitors-Visum nicht gelten, weil allgemeine Reisewarnung ausgesprochen war und theoretisch niemand reisen durfte. Daher musste ich mir ein Study Permit zulegen.


Bürokratischer Hürdenlauf aufgrund von Corona: Study Permit beantragen


Um ein Study Permit zu bekommen, muss man seine Fingerabdrücke in der kanadischen Botschaft des jeweiligen Geburtslandes einscannen lassen. Ich musste also einen Termin auf der kanadischen Botschaft in Wien ausmachen, nach Wien fahren, meine biometrischen Daten abgeben und abwarten, dass ich einen positiven Bescheid bekomme. Das pikante an der Situation war, laut Immigration, Refugees and Citizenship Canada IRCC (die sich um Bewerbungen wie das Study Permit kümmern) sollte die Bewerbung bis Mitte Mai bei ihnen in Kanada ankommen, damit sie garantieren können, dass diese bis Anfang August bearbeitet wird. Das Herbstsemester an der UdeM beginnt Anfang September, das heißt, man möchte im besten Fall zwei Wochen früher (also Mitte August) ankommen, um sich an alles ein bisschen zu gewöhnen. Der sehr knappe Zeitplan von IRCC hat alle internationalen Studierenden ins Schwitzen gebracht, mich inklusive, denn ich hatte erst Anfang Mai von der UdeM Bescheid bekommen, dass ich für ihr Herbstsemester akzeptiert worden bin. Bevor man aber überhaupt einen Termin an der kanadischen Botschaft zur Abgabe der biometrischen Daten ausmachen kann, muss man einige Dokumente auf ein Dossier des IRCC hochladen und IRCC schickt dann einem die Zusage, dass man einen Termin ausmachen kann. Kurzum: es war ein Spießrutenlauf. Und das auch noch zu Zeiten von Corona. Ich hatte meinen Termin zur Abgabe der biometrischen Daten erst nach Mitte Mai, weshalb ich sehr erstaunt und doppelt erleichtert und glücklich war, als mich schon Anfang Juni die Nachricht ereilte, dass IRCC mir ein Study Permit für das Herbstsemester 2021 ausstellte!


Vorbereitung auf die Ankunft


Nun war es also fix, dass ich nach Québec einreisen durfte. Ich konnte also meine Flüge buchen und mich nach einer Wohnung umschauen. Andrea Krotthammer vom Kanadazentrum hat mir netterweise ihre damalige Unterkunft weiterempfohlen, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Ich habe vorhin erwähnt, dass ich schon öfters versucht habe, mich für die UdeM zu bewerben, aber mir Corona immer in die Quere gekommen ist. In jener Zeit (2020, also in der ersten Corona-Welle) hatte ich auch schon nach einem Appartement gesucht und auch ein nettes gefunden, nur wollten die Vermittler relativ bald, dass ich die Kaution überweise, weil es anscheinend viele Interessenten für diese Wohnung gab. Mein Tipp: NIEMALS Geld im Vorhinein überweisen/zahlen für Logis oder sonstiges! In der ersten Corona-Welle gab es von Seiten der UdeM noch keine gute Unterstützung für internationale Studierende. Das hatte sich 2021 geändert: Wöchentlich hatte ich Webinare zu unterschiedlichen Themen (Wohnungssuche, Finanzierung des Auslandssemesters, Ablauf des Semesters, aktuelle Einreisedetails aufgrund von Corona-Restriktionen, Auswahl der Kurse, …), die mir sehr geholfen haben.


Einreise in Zeiten von Corona und Sommer in Montréal


Mitte August bin ich dann mit einem Direktflug von Zürich nach Montréal geflogen. Der Ablauf am Flughafen verlief für Pandemie-Zeiten relativ schnell, da ich mich vorab auf der Plattform Accueil-Plus angemeldet habe, die einem die Einreise erleichtern. Für mich hieß es: Bei der Grenzpolizei mein Study Permit abholen und mich dann einem Corona-Test unterziehen. Zudem konnte ich auch direkt am Flughafen meinen europäischen Corona-Impfpass im québecer System eintragen lassen, um dann den québecer QR-Code (Corona-Pass) zu bekommen. Am Stand von Accueil-Plus bekam ich dann auch noch einen Fahrplan der Öffis und ein paar allgemeine Infos zum Leben in der Stadt. Tipp: Wenn euer Koffer während des Fluges beschädigt worden ist, direkt am Ankunftsflughafen zum Lost and Found-Schalter gehen und Anspruch auf Schadensersatz fordern. In den ersten Tagen gewöhnt man sich an das Klima, an die Geräusche der Stadt und vor allem an die neue Zeitzone. Der August 2021 war einer der heißesten und schwülsten, haben mir die Québecer im Nachhinein gesagt. Das war mal ein unerwarteter Willkommensgruß! Wenn man an Kanada denkt, sieht man vor allem den kalten Winter vor sich; den gibt es tatsächlich hier. Aber worauf man nicht vorbereitet wird, ist die schwüle Hitze, die in Montréal und Umgebung in den Sommermonaten herrscht. Tipp: Auch wenn dann der Dezember, Januar und Februar am Plan stehen, unbedingt auch luftige Sommersachen einpacken!
In der Woche vor Unibeginn organisiert die Studierendenorganisation der UdeM Führungen über den Campus, Touren durch die Stadt und den nahegelegenen Mont Royal. Hier hat man die Möglichkeit, neue Freundschaften zu schließen.


Rund ums Wohnen


Ich habe im Viertel Côte-des-Neiges gewohnt, jenes Viertel, in dem auch die Uni liegt. Somit war der Weg zur Uni sehr kurz (10 Minuten mit dem Bus, 15 Minuten zu Fuß). Auch gibt es hier in der Nähe viele Supermärkte und auch kleinere Geschäfte, die alles anbieten (einige bieten auch Studentenrabatte an, während der ganzen Vorlesungszeit und den Ferien dazwischen, außer im Sommer). Bis Anfang November und ab Anfang April hat auch ein sehr kostengünstiger Obst- und Gemüsemarkt nahe der Uni 24/7 offen! Worauf man beim Einkaufen achten muss: Wenn man keine Grundnahrungsmittel kauft, steht nicht der tatsächliche Preis auf dem Preisschild drauf, es kommen noch die taxes hinzu, die den Preis steigen lassen! Daher wundert euch nicht, wenn ein normaler Einkauf im Supermarkt 50$ und mehr kostet. Neben Côte-des-Neiges gibt es natürlich auch noch andere schöne Wohnviertel, wie zum Beispiel das „Prenzlauer Berg“ von Montréal: das Plateau Mont-Royal und die angrenzenden Viertel. Nahe dem centre-ville gibt es auch viele Wohnmöglichkeiten. Um sich ein Bild der aktuellen Wohnsituation in Montréal zu machen, kann man auf den Seiten roomgo oder auf kijiji einen Streifzug machen. Wenn man die Möglichkeit hat, lohnt es sich, für die erste Zeit ein Airbnb zu mieten und sich die Wohnungen, in die man einziehen möchte, persönlich anzuschauen, denn, wie wir wissen: Fotos können trügerisch sein.


Das Herbstsemester 2021 an der UdeM


Ich habe mich sehr auf die Kurse an der UdeM am département d’histoire de l’art et d‘études cinématographiques gefreut. Ich habe die Kurse Cinéma et philosophie und Problématiques de l’intermédialité ausgewählt. Die Unterrichtsweise in Kanada (und speziell in den Master-Kursen) ist eine andere als wir sie in Österreich gewohnt sind: die Kurse dauern 3 Stunden und es ist sehr erwünscht, dass die Studierenden mit den ProfessorInnen ins Gespräch kommen und diskutieren. Ich war bis dato eine von der Sorte Personen, der die Fragen erst nach dem Kurs eingefallen sind. Das hat sich während des Herbstsemesters in Montréal geändert. Angeregt von den Einwürfen der anderen Studierenden habe auch ich mich immer öfter zu Wort gemeldet und zu vielen Diskussionen beigetragen. Im Laufe des Semesters bin ich draufgekommen, dass die ProfessorInnen vor allem an den Gedankengängen und Ideen der Studierenden interessiert sind und sich freuen, wenn man nicht einer Meinung mit ihnen ist. Zweifel, Anregungen, Kritik, Witze, Ideen, … alle Wortmeldungen waren willkommen und haben zu einer entspannten und zugleich spannenden Atmosphäre im Kurs beigetragen. Im Kurs Problématiques de l‘intermédialité hatten wir für die Hälfte des Semesters live-Zuschaltungen von einer Uni in Paris und die Professorin lud ebenfalls einige RegisseurInnen, Filmschaffende und KünstlerInnen zum gemeinsamen Gespräch in den Kurs ein. Im Kurs Cinéma et philosophie haben wir uns das Werk des Philosophen Stanley Cavell angeschaut und mussten seine ziemlich schwierigen Texte entziffern und präsentieren, eine spannende Herausforderung. Am Ende des Herbstsemesters (also kurz vor Weihnachten), mussten wir in letzterem Kurs eine Präsentation zu einem Werk bzw. Denkansatz des Philosophen in Verbindung mit unserer persönlichen Forschung halten und eine philosophische Frage beantworten; im Problématiques de l‘intermédialité-Kurs mussten wir eine 20-seitige Seminararbeit abgeben, nachdem wir auch hier eine Präsentation abgehalten haben. Alles in allem war ich sehr positiv überrascht über die Abhaltung der Kurse und konnte sehr viel lernen, sowohl professionell als auch persönlich. Auch bestanden beide Kurse aus einem Mix aus internationalen und hiesigen Studierenden, woraus tolle Freundschaften entstanden sind. Zudem konnte ich mich sehr glücklich schätzen, zu einem Zeitpunkt nach Kanada zu kommen, wo die Pandemie kurz „Luft holte“ und man ein relativ normales Leben führen konnte: Es fanden viele Veranstaltungen statt, Restaurants und Kulturstätten hatten geöffnet, die Kurse an der Uni konnten in Präsenz abgehalten werden.


Freizeit


Die für Corona-Zeiten sehr gelassene Phase (in Kanada sind die Corona-Fälle erst kurz vor Weihnachten wieder angestiegen) ermöglichte auch den ein oder anderen Roadtrip. Für alle über 22-jährigen gibt es die Möglichkeit, leicht und kostengünstig Autos zu mieten, um Québec außerhalb der Mauern Montréals kennenzulernen. Die Seite Turo bietet zum Beispiel im Airbnb-Stil Autos zur Vermietung an. Aber auch Busunternehmen wie Greyhound und Trailways bieten mehrere Destinationen an. Es lohnt sich, während des Indian Summers Ende September / Anfang-Mitte Oktober einen Ausflug in einen der vielen Nationalparks Québecs/Kanadas zu unternehmen und die atemberaubende Natur zu bestaunen! Und spätestens, wenn es langsam weihnachtlich wird, gilt es, einen Ausflug nach Québec City zu unternehmen, die mit ihrer charmanten Altstadt jeden in ihren Bann zieht. Für längere Städtetrips lohnen sich Toronto und die nahegelegenen Niagara-Fälle oder aber auch New York City, die mit Auto oder Bus für nordamerikanische Distanzverhältnisse auch nicht so weit weg von Montréal liegt.


Noch drei wertvolle Tipps: Handytarife, Bankkonto, Medikamente


Handytarife sind hier in Kanada leider ziemlich hoch. Ich habe die beste Erfahrung mit Fizz gemacht, da kann man sich seinen eigenen Tarif zusammenstellen und auch monatlich umstellen, wenn man merkt, dass man mehr/weniger GB, Minuten oder SMS braucht. Tipp: Sobald man eine kanadische Handynummer / SIM bekommt, umgehend in den Handyeinstellungen Anrufe von unbekannten Nummern stummschalten! Anrufe von Betrügern stehen hier leider auf der Tagesordnung, die rufen dann mit einer Nummer aus Montréal und Umgebung an und sitzen aber irgendwo auf der Welt. Einfach jene kanadische Nummer einspeichern, von denen man eventuell einen Rückruf erwartet und die anderen bitte ignorieren.

Ich habe an mein Auslandssemester noch ein Recherchestipendium für meine Masterarbeit drangehängt, ich bin also länger als 4 Monate in Kanada geblieben und habe aus diesem Anlass zu Beginn meines Aufenthaltes gleich ein Bankkonto eröffnet. Falls auch in eurem Fall ein Bankkonto in Québec spruchreif wird, kann ich euch die Caisse Desjardins empfehlen, die ein
gratis Studentenkonto inklusive Kreditkarte anbietet.

Wenn man weiß, dass man bestimmte Medikamente braucht, die man regelmäßig einnehmen muss, lohnt es sich - wenn möglich - diese vorab in Europa zu kaufen und mit nach Kanada zu nehmen. Es kann schnell sehr teuer werden, wenn man in Kanada Medikamente braucht und keine Gesundheitsversicherung in Kanada hat (die man als internationale Studierende nicht so schnell bekommt). Die UdeM bietet all ihren Studierenden (also auch den internationalen StudentInnen) eine basic Krankenversicherung an, die 300$/Trimester kostet, darin sind aber Produkte/Medikamente für Langzeitbehandlungen/chronische Erkrankungen nicht mit eingeschlossen.

 

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