Erfahrungsbericht:
Mein Auslandssemester in Montréal

 Nora Bohler, Sommersemester 2020

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Eishockey, Ahornsirup und Minusgrade – all das ist bei einem Aufenthalt in Kanada unumgehbar. Schnell wird einem bewusst, dass sich sportlich hier (fast) alles ums Eis dreht, man tatsächlich alle möglichen Gerichte mit Ahornsirup finden kann und man die Skiunterwäsche nicht in Innsbruck vergessen sollte… wie ich. Aber zurück auf Anfang.

Nachdem ich im Frühling letzten Jahres die frohe Botschaft der Universität Innsbruck erhalten hatte, dass sie mich für einen Austausch mit der Université de Montréal (UdeM), mit denen eine Partnerschaft besteht, nominieren würden, konnte der Bewerbungsprozess an der kanadischen Uni beginnen. Praktischerweise mussten fast die gleichen Dokumente eingereicht werden, die auch bereits von der Uni Innsbruck angefragt worden waren, so dass die Bewerbung schnell abgeschlossen war. Mitte September kam dann die Rückmeldung der UdeM, mit der Zusage, dass ich ab Januar 2020 offiziell für ein Semester an der UdeM studieren dürfte. Das war dann auch mein persönlicher Startschuss für die Anfrage auf ein Stipendium und die Wohnungssuche – wenn auch etwas früh, aber ich gehöre zu jenen Menschen die lieber zu früh dran sind als zu spät. Erstmal habe ich wochenlang die Facebookgruppen durchstöbert, ohne wirklich fündig zu werden, bis ich dann auf eine Art Firma gestoßen bin, die Wohnungen hauptsächlich an Studierende aus dem Ausland vermietet. Da habe ich dann auch schon den Mietvertrag online abschließen können und musste mir darum keine Gedanken mehr machen.

Was das Visum betrifft, war es eine recht schnelle und einfache Angelegenheit, da mein Aufenthalt weniger als sechs Monate andauern sollte. Innerhalb von wenigen Tagen kann man dies elektronisch erhalten, aber Achtung: wenn man während seines Aufenthalts Kanada per Flugzeug verlässt, muss man es erneut anfragen. Sonst bekommt man bei der Rückkehr böse Blicke am Immigrationsschalter und könnte möglicherweise auch die Einreise verweigert bekommen.

Auch meinen Flug hatte ich recht zügig gebucht nachdem ich die Bestätigung aus Kanada bekommen hatte. Leider hatte ich mir den falschen Tag zur Anreise gebucht: an jenem Tag herrschte ein Schneesturm in Montréal, durch welchen der Flughafen zu gemacht werden musste was dazu führte, dass ich in Toronto strandete. Was für ein Start ins lang ersehnte Auslandssemester. Als ich dann endlich mitten in der Nacht anstatt am frühen Nachmittag in Montréal landete, machte sich der Jetlag bemerkbar. Unabhängig davon, dass ich schon seit ca. 30 Stunden auf war, vergönnte mir mein Körper nur vier magere Stunden Schlaf. Aber um die positive Seite zu betrachten: dadurch hatte ich dann mehr Zeit zum Entdecken der Nachbarschaft und später am Tag dann die Altstadt.

Für mich ist Montréal eine sehr attraktive Stadt. Für mich war es eine neue Erfahrung in einer Millionenmetropole zu leben, und ich bin positiv überrascht wie gut es mir gefallen hat. Natürlich hat man hier ebenfalls das klassische, immer stressige und laute Großstadtleben, dem kann man aber sehr gut entfliehen. Nicht nur gibt es einige ruhigere Viertel die einen gerne an kleinere Städte erinnern, es gibt auch eine hohe Zahl an Stadtparks, allen voran der Mont Royal, in dem man sich an verschneiten Tagen fast wie in den Alpen fühlt, wenn man sich die Langlaufski anschnallt oder nach dem Eislaufen einen Glühwein mit Sicht über die Stadt genießt. Was natürlich im Gegenzug zu kleineren Städten ein riesiger Unterschied ist, ist dass die Stadt nie schläft. Überall gibt es 24-Stunden Supermärkte, der öffentliche Transport ist ganz anders organisiert und es herrscht einfach eine ganz andere Stimmung. Leider bringt dies aber auch negative Aspekte mit sich. Durch die vielen Menschen herrscht hier einfach eine größere Anonymität, der Einzelne geht in der Masse etwas unter. Negativ muss ich hier anmerken, dass sich dies leider oft auf die Zuverlässigkeit der Leute ausgewirkt hat, häufig wurden Termine beziehungsweise Abmachungen nicht eingehalten. Aber ich denke dies ist kein Phänomen das spezifisch in Montréal auftritt.

Auch die Architektur, besonders im Alten Hafen ist mir im Gedächtnis geblieben. Wunderschöne Fassaden erstrecken sich hier direkt neben modernsten Wolkenkratzern, wo oft die Grenzen zwischen europäischem und amerikanischem Flair verschwinden. Die Orientierung in Montréal gestaltet sich durch den Mont Royal ziemlich einfach. Man hat ständig einen Orientierungspunkt, egal in welchem Viertel man sich befindet. Interessant ist auch, dass jedes Viertel ein spezielles Flair hat, abhängig von seiner Lage rund um den Mont Royal. Das macht Montréal trotz seiner Größe zu einer sehr übersichtlichen Stadt.

Die Unierfahrung war außergewöhnlich. Als Studentin der Universität Innsbruck, kann ich mich echt nur über die Partnerschaft mit der UdeM freuen. Für ausländische Studenten ist es nämlich normalerweise eine finanzielle Herausforderung, da die Semesterbeiträge im vierstelligen Bereich liegen, was in Amerika ja eigentlich nicht unüblich ist. Sehr schnell stellt man fest, dass diese Beträge auch dementsprechend investiert werden. Damit meine ich verschiedenste parauniversitäre Einrichtungen wie juristische Beratung, psychologische Unterstützung oder eine Vielzahl an Vereinen beziehungsweise sogenannten „Associations“, welche sich nach Studienrichtung zusammenfinden. Mein persönlicher Lieblingsort am Campus war ganz klar das riesige Sportszentrum, das jedes Sportlerherz höherschlagen lässt. Olympisches Schwimmbecken, Squashplätze, Kraftraum, Laufbahn – jeder wird hier fündig und kann von den größtenteils in den Studiengebühren enthaltenen Angeboten profitieren. Ein super Ausgleich zum stressigen Unialltag. Um kurz auf letzteren einzugehen: aus meiner Perspektive war es schon eine ganz andere Art, zur Uni zu gehen. Fast alle meine Kurse waren wie eine Art Mischung aus Vorlesung, Seminar und Übung. Jede Veranstaltung hat um die hundert Besucher und wird wie eine Vorlesung gehalten. Dennoch gibt es wöchentliche Lektüre und/oder Aufgaben, ebenso wie eine „Midterm“- und eine Abschlussprüfung. Aber all dem, seinen Vor- und Nachteilen könnte man noch einen ganzen Bericht widmen.

Schnell war ich komplett in die Kultur, welche sich vor allem durch die englisch- französische Mischung charakterisiert, eingetaucht. Länger habe ich gebraucht, um mich an den im Québec üblichen Akzent beziehungsweise Dialekt zu gewöhnen – der war nämlich echt weit weg von meinem Schul- und Alltagsfranzösisch. Für mich neu war auch das WG-Leben, natürlich sehr international geprägt, was ich in Innsbruck noch nicht kannte und auch definitiv eine wertvolle Erfahrung war.

Traurigerweise musste ich mein Auslandssemester durch die Pandemie frühzeitig beenden – anderthalb Monate früher als geplant musste ich meine Koffer packen. Natürlich hätte ich in der Zeit noch viel vorgehabt, man muss aber realistisch bleiben und feststellen, dass durch die Viruseinschränkungen kaum noch ein normales Weiterführen möglich gewesen wäre. Umso mehr Grund, bald einmal, nach Rückkehr zur Normalität, nach Montréal zurückzukehren und die ausgebliebenen Erfahrungen nachzuholen.


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