Im Rahmen von Rosalyn D’Mellos Büchsenhausen Felloswhip-Projekt In the Name of the Mother findet am 7. Juni 2022 um 19:00 Uhr im Künstlerhaus Büchsenhausen sowie online ein Gespräch zwischen der in Kanada lebenden Autorin und Forscherin Lauren Fournier, bekannt durch ihre kürzlich erschienene Monografie Autotheory as Feminist Practice in Art, Writing, and Criticism (MIT Press 2021), und D’Mello statt. Die Veranstaltung ist eine Kooperation mit dem Zentrum für Kanadastudien Innsbruck. Die Autorinnen und Künstlerinnen-Kuratorinnen werden die Verbindungen zwischen dem Körper, der Transformation und ihren kritisch-kreativen Praktiken (Schreiben, Kunst, Forschung) diskutieren. Das Gespräch wird sich um „fermenting feminism“ und „Autotheorie“ drehen; Begriffe, die von Fournier in ihren Veröffentlichungen und kuratorischen Projekten eingeführt wurden und die für die Arbeit der beiden Gesprächspartnerinnen von zentraler Bedeutung sind.
Fermenting feminism ist ein kuratorisches Projekt, das Künstler:innen einbezieht, deren Arbeiten sich mit der Zusammenkunft von Fermentation und Feminismus in einem gemeinsamen kritischen Diskurskontext auseinandersetzen. Es handelt sich um Arbeiten, die Fermentation aus intersektionalen und transinklusiven feministischen Perspektiven behandeln, aber auch um solche, die sich den Feminismen durch die Metapher und materielle Praxis der Fermentation nähern. Als gleichermaßen Metapher und physischer Prozess, verkörpert die Fermentation Bioverfügbarkeit und Zugänglichkeit, Konservierung und Transformation, speziesübergreifende Symbiose und Koevolution, Biodiversität und Zukunftsfähigkeit, Schadensbegrenzung und Fürsorge.
Der Begriff Autotheorie wurde in den 2010er Jahren in der Literaturszene populär. Er diente der Beschreibung von Büchern, in denen Memoiren und Autobiografie mit Theorie und Philosophie verschmelzen. Lauren Fournier erweitert die Bedeutung des Begriffs und wendet ihn auf andere Disziplinen und Praktiken an. In ihrem Buch gibt sie einen bisher fehlenden Überblick über die Autotheorie und verortet diese als eine Form zeitgenössischer künstlerischer Praxis nach 1960, die sich dem feministischen Schreiben, der Kunst und dem Aktivismus verpflichtet fühlt. Anhand einer Reihe von Werken von Autor:innen und Künstler:innen, darunter Chris Kraus und Adrian Piper, beschäftigt sie sich mit den politischen, ästhetischen und ethischen Aspekten der Autotheorie.
In ihrer spekulativen künstlerischen Investigation In the Name of the Mother konzentriert sich Rosalyn D‘Mello auf das autotheoretische „Studium“ der „Kunst“ von sogenannten Hausfrauen, Hebammen, Hexen, Mystikerinnen und „alten Jungfern“. Teils strukturiert, teils intuitiv, teils durch Verkörperlichung, ermöglicht D‘Mellos Methodik generations- und kontinentübergreifende Gespräche zwischen „Außenseiterinnen“ sowie autodidakten bzw. ausgebildeten Künstlerinnen, deren Praktiken nie oder nur verspätet anerkannt wurden, und deren Vermächtnis die Kunstgeschichte meist nicht berücksichtigte. Ihre Studie betrachtet das Kunst- und Lebenswerk von Hausfrauen, Hebammen, Hexen, Mystikerinnen und „alten Jungfern“ neu und stellt einen Zusammenhang mit der Arbeit zeitgenössischer feministischer Künstlerinnen und Theoretikerinnen her, um auf diese Weise beide Vermächtnissysteme sichtbar zu machen, zu kontextualisieren und dadurch die verlorengegangene weibliche Subjektivität neu zu verorten. Dabei möchte sie kontinuierlich einen Dialog innerhalb der nicht-linearen Parameter von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft führen, um Kritik daran zu üben, was von wem als Kunst bezeichnet werden durfte, und welche historischen Auslöschungen durch rassistische, herrschende Körpernormen reproduzierende sowie hetero-patriarchale kunsthistorische Diskurse vorgenommen wurden. In the Name of the Mother zielt darauf ab, zu verstehen, wie diese Künstlerinnen in Außenseiterinnenposition Wege fanden, sich selbst zugehörig zu werden, als sie ihre intellektuellen und kreativen Fähigkeiten in der „Privatsphäre“ des Hauses ansiedelten.
Rosalyn D’Mellos Forschungsdisplay In the Name of the Mother ist bis zum 16. Juli 2022 im Rahmen der Gruppenausstellung Corporeality Repair Conciliation : Investigating Ways Into Better Coexistence in der Neuen Galerie Innsbruck zu sehen.
Lauren Gabrielle Fournier ist eine Schriftstellerin und Forscherin, die an der Schnittstelle zwischen Kunst, Natur- und Geisteswissenschaften arbeitet. Als Studentin und Wissenschaftlerin der ersten Generation drehen sich ihre Texte und ihre Lehre um hybrides und genreübergreifendes Schreiben als Praxis des Geschichtenerzählens und der philosophischen Investigation. Ihre Forschung manifestiert sich in Büchern und Publikationen, Ausstellungen und Filmvorführungen, Öffentlichkeitsarbeit sowie öffentlichen Programmen. Sie erhielt einen Doktortitel in englischer Literatur und absolvierte ein SSHRC-Postdoktorand:innenstipendium für Visuelle Studien an der Universität Toronto. Ihre Debüt-Monografie Autotheory as Feminist Practice in Art, Writing, and Criticism (The MIT Press, 2021) ist die erste umfassende Studie über „Autotheorie“, die den literarischen Begriff im Lichte längerer, intersektionaler und transmedialer feministischer Kunstgeschichten historisiert. Ihre Novelle The Barista Boys erscheint demnächst bei Fiction Advocate (San Francisco, 2022). Als Kuratorin und Programmgestalterin hat sie Ausstellungen zeitgenössischer Kunst und Filmvorführungen an Orten wie der Königlich Dänischen Kunstakademie und dem Medizinischen Museion in Kopenhagen organisiert. Sie ist die Gründerin des laufenden, in engem Austausch mit dem jeweiligen Ort weiterentwickelten Forschungsprojekts Fermenting Feminism (2016-).
https://www.laurenfournier.net
Rosalyn D‘Mello wuchs als „Bombay Goan“ in Mumbai auf. Sie schloss ihr Studium der Englischen Literatur am St. Xavier’s College, Mumbai, ab und erhielt ihren Master-Abschluss am Centre of English Studies, Jawaharlal Nehru University, Delhi. Nach einer kurzen Tätigkeit als Theaterkritikerin in Mumbai lebte sie ab 2010 für fast zehn Jahre in Delhi, bevor sie nach Tramin, einer Alpenstadt in der autonomen Provinz Südtirol in Italien, zog. In ihrer zehnährigen freiberuflichen Karriere hat sie als feministische Autorin, Kunstkritikerin, Kolumnistin, Essayistin, Redakteurin, Forscherin, Beraterin und Lektorin in verschiedenen Branchen gearbeitet. Derzeit ist D‘Mello eine TBA21 Ocean Fellowship 2021 Mentorin. Sie ist die Autorin der von der Kritik gefeierten Memoiren A Handbook for my Lover. Sie ist außerdem Empfängerin eines Forschungsstipendiums der India Foundation for the Arts (2019-2020), das ihre laufenden Recherchen für ihr bei Oxford University Press, Indien, erscheinendes Buch unterstützt, das auf ihren Besuchen in indischen Künstlerateliers basiert. Seit Januar 2016 schreibt sie eine wöchentliche feministische Kolumne für mid-day, die auf ihren Memoiren basiert. Sie schreibt vierzehntägig Kunstkolumnen für STIR, und ihre Kritiken erscheinen häufig in der indischen Wochenzeitschrift Open. Ihre Texte sind in zahlreichen literarischen Anthologien erschienen, darunter Dress (HarperCollins India, 2018), Walking towards Ourselves: Indian Women Tell their Stories (HarperCollins India, 2016; Hardie Grant Australia, 2016) und Sammlungen von Kunstrezensionen, darunter Critical Writing Ensembles: Dhaka Art Summit 2016 (Office for Contemporary Art, Norwegen; Mousse Publishing, 2016) und Navigating the Planetary (Verlag für moderne Kunst, 2020). Zuvor war sie Herausgeberin von BLOUINARTINFO India (2012-2014) und wurde 2014 für den Forbes‘ Best Emerging Art Writer Award nominiert. Außerdem stand sie auf der Shortlist für den Prudential Eye Art Award for Best Writing on Asian Contemporary Art im Jahr 2014. Sie war Gutachterin für das Andy Warhol Foundation Art Writers Grant im Jahr 2020.
https://www.rosalyndmello.com/
Datum: 07.06.2022
Zeit: 19.00 CEST (UTC+2)
Ort: Künstlerhaus Büchsenhausen und online:
Eventbrite (Anmeldung für Zoom): Link
In Kooperation mit dem Zentrum für Kanadastudien der Univ. Innsbruck