Missio canonica

Rechtsgrundlagen: cc. 804 u. 805 CIC 1983; Rahmenordnuung für Religionslehrer, in: ABL. d. Öst. BiKo v. 20. Mai 1998

Bearbeitung: Wilhelm Rees

  1. Begriff
  2. Gesamtkirchliche Bestimmungen
  3. Teilkirchenrechtliche Bestimmungen
    1. Die Stellung der ReligionslehrerInnen
    2. Erteilung und Verweigerung der Missio canonica
    3. Entzug der Missio canonica
  4. Staatskirchenrechtliche Regelung
  5. Befähigung und Ermächtigung zum evangelischen Religionsunterricht
  6. Andere Kirche und Religionsgesellschaften

I. Begriff

Missio canonica ist die kirchliche Sendung und Beauftragung von ReligionslehrerInnen. Dadurch werden sie verbindlich befähigt und für ermächtigt erklärt, am amtlichen Verkündigungsdienst der Kirche teilzuhaben. Sie bildet die Voraussetzung für die Erteilung von Religionsunterricht. Es ist davon auszugehen, dass die Missio canonica auch die von der Kirche erteilte Lehrbefähigung miteinschließt. Ein subjektives Recht auf Erteilung der Missio canonica besteht nicht. Andererseits müssen die Gründe für die Ablehnung bzw. den Entzug dargelegt werden. Rechtsschutzmaßnahmen und Verfahrensnormen sind strikt einzuhalten.

II. Gesamtkirchliche Bestimmungen

Can. 804 des kirchlichen Gesetzbuches (Codex Iuris Canonici) unterstellt den katholischen Religionsunterricht der Autorität der Kirche. Es obliegt der Bischofskonferenz, für den Religionsunterricht allgemeine Normen zu erlassen (c. 804 § 1 CIC/1983). Aufgabe des Diözesanbischofs ist es, diesen Bereich zu regeln und zu überwachen (c. 804 § 1 CIC/1983). Insbesondere verpflichtet der kirchliche Gesetzgeber den Diözesanbischof, um die Anstellung von ReligionslehrerInnen besorgt zu sein, die sich durch Rechtgläubigkeit, durch das Zeugnis christlichen Lebens und durch pädagogisches Geschick auszeichnen (c. 804 § 2 CIC/1983). Mit kaum mehr zu überbietender Deutlichkeit bringt der kirchliche Gesetzgeber in c. 805 CIC/1983 zum Ausdruck, daß, wer immer auf der Welt katholischen Religionsunterricht erteilt, hierzu der kirchlichen Anerkennung oder Beauftragung bedarf. Die Notwendigkeit der kirchlichen Beauftragung ergibt sich aus der Tatsache, daß die Erteilung von Religionsunterricht keine private Veranstaltung des Religionslehrers / der Religionslehrerin ist, sondern Teilhabe an der amtlichen Lehrverkündigung der Kirche im Namen und Auftrag der Kirche. Can. 805 CIC/1983 berechtigt daher den Diözesanbischof, ReligionslehrerInnen wegen ihrer religiösen Lehren oder wegen ihres sittlichen Verhaltens abzuberufen oder ihre Abberufung zu fordern.

III. Teilkirchenrechtliche Bestimmungen

A. Die Stellung der ReligionslehrerInnen

Die österreichischen Bischöfe haben die knappen Bestimmungen des kirchlichen Gesetzbuches in der "Rahmenordnung für Religionslehrer der österreichischen Diözesen (c. 804 CIC)" von 1998 näher ausgeführt und präzisiert. Hierin heißt es: "Mit der missio canonica übernehmen die RL die Verpflichtung, den Unterricht in Übereinstimmung mit dem Glauben und der Lehre der Kirche und gemäß den den Religionsunterricht betreffenden kirchlichen Vorschriften zu erteilen und ihr Leben am Evangelium zu orientieren" (1.2). Die Befähigung und Ermächtigung durch die missio canonica ist zugleich "Grundlage ihrer besonderen dienstrechtlichen Stellung, die dadurch charakterisiert ist, daß die Kirche eine besondere Fürsorgepflicht, der beauftragte RL jedoch im Sinne der Sendung der Kirche eine besondere Loyalitätspflicht übernimmt" (1.3). "Durch die Erteilung der missio canonica stehen alle RL, Laien, Priester, Diakone und Ordensleute in ihrer schulischen Tätigkeit im Sinne einer kirchlichen Dienstgemeinschaft gleichberechtigt nebeneinander und sind zur Zusammenarbeit verpflichtet" (1.4). Alle Rechte und Interessen des Diözesanbischofs, die sich aus der Erteilung der missio canonica oder aus seiner Stellung als Dienstgeber ableiten, werden den RL gegenüber von den diözesanen Schulämtern vertreten (3.1).

B. Erteilung und Verweigerung der Missio canonica

Detailliert regelt die Rahmenordnung Erteilung und Verweigerung der missio canonica. Die Missio canonica wird auf der Grundlage eines Antrags verliehen (4.2.1). Dieser Antrag muß neben den Angaben zur Person des Bewerbers auch die Zusicherung des Antragstellers beinhalten, den Religionsunterricht gemäß den Bestimmungen des Punktes 1.2 (d. h. in Übereinstimmung mit dem Glauben und der Lehre der Kirche sowie den den Religionsunterricht betreffenden kirchlichen Vorschriften und der Orientierung ihres Lebens am Evangelium) zu erteilen (4.2.2). Die Anträge werden, soweit diözesane Regelungen nichts anderes vorsehen, im Auftrag des Diözesanbischofs vom diözesanen Schulamt bearbeitet. In besonderen Fällen möge sich der Diözesanbischof zur Entscheidungshilfe einer eigenen Kommission bedienen, der auch Vertreter der diözesanen Gemeinschaften der RL angehören sollen (4.2.3). Sofern Bedenken gegen einen Antragsteller bestehen, ist dieser über Inhalt und Gewicht der Bedenken vertraulich zu informieren. Ihm ist Gelegenheit zur schriftlichen oder mündlichen Stellungnahme zu geben. Der Antragsteller hat das Recht auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften und Begründung der Ablehnung des Antrags (4.2.4). Er hat das Recht auf Gehör und Verteidigung sowie das Recht auf einen Rechtsbeistand (4.2.5).

C. Entzug der Missio canonica

Die Rahmenordnung verweist darauf, daß die Lehrtätigkeit staatlich vertraglicher oder pragmatisierter ReligionslehrerInnen bezüglich des Unterrichtsgegenstandes "Religion" seitens der Kirche durch den Entzug der missio canonica beendet wird (7.1.1). Die Lehrtätigkeit kirchlich bestellter ReligionslehrerInnen kann "seitens der Kirche durch den Entzug der missio canonica, durch Kündigung oder Entlassung beendet werden" (7.1.2) Näherhin kann die Kündigung oder Entlassung kirchlich bestellter ReligionslehrerInnen "nur nach den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes erfolgen, wobei der Entzug der missio canonica ein Kündigungsgrund ist" (7.1.2). Als mögliche Gründe für den Entzug der missio canonica werden genannt: Abfall von der Kirche durch formalen Akt (Kirchenaustritt), Exkommunikation, Verlust eines sonstigen Kirchenamtes, mit dem auch der Verlust der missio canonica verbunden ist, eine schuldhafte Lebensführung in offenkundigem Widerspruch zu tragenden Grundsätzen christlicher Lebensgestaltung und / oder Handlungsorientierung, eine dem Glauben und der Lehre der Kirche widersprechende Lehrtätigkeit, gröbliche Vernachlässigung der Pflichten mit offenkundigem Nachteil für den Religionsunterricht, sofern der Dienstgeber (z. B. privater Schulerhalter bzw. Gebietskörperschaft) von einem Kündigungs- oder Entlassungsgrund zum offenkundigen Nachteil des Religionsunterrichts keinen Gebrauch macht (vgl. 7.2). Auch im Falle eines erforderlichen Entzugs der missio canonica wird dem Religionslehrer / der Religionslehrerin das Recht auf Gehör, auf Verteidigung, auf einen Rechtsbeistand und auf Information über alle möglichen Rechtsfolgen eingeräumt (7.3.1). Der gute Ruf sowie die Privat- bzw. Intimsphäre aller Betroffener ist in jedem Stadium des Verfahrens zu schützen (7.3.2). Nur im Falle begründeter Verdachtsmomente, daß ein Tatbestand für den Entzug der missio canonica vorliegt, sind Vorerhebungen, Voruntersuchungen und Beweisfeststellungen durchzuführen. Anonyme Beschuldigungen sind grundsätzlich außer acht zu lassen (7.3.3). Ergibt die in 7.3.3 genannte Untersuchung, daß Umstände bzw. vollendete Tatsachen gegeben sind, so daß eine Mahnung nicht möglich oder unangebracht ist, ist das Untersuchungsergebnis dem Diözesanbischof mit einer Empfehlung es diözesanen Schulamtes vorzulegen. In allen anderen Fällen hat das diözesane Schulamt den RL nachweislich zu mahnen. (7.3.4). Die Mahnung muß schriftlich oder mündlich unter Beiziehung von zwei Zeugen mit anschließender Ausfertigung eines Protokolls erfolgen. Sie muß eine Begründung sowie einen Hinweis auf die Folgen im Falle der Fortsetzung des abgemahnten Verhaltens enthalten (7.3.5). Setzt der RL das abgemahnte Verhalten fort, teilt das diözesane Schulamt dies dem Diözesanbischof mit dem Ergebnis der Untersuchung nach 7.3.3 und einer Empfehlung mit (7.3.6). Sofern das in 7.3.3 bis 7.3.6 festgelegte Verfahren den Beweis der inhaltlichen Voraussetzungen für den Entzug der missio canonica erbringt, entzieht der Diözesanbischof dem RL die missio canonica. Der Entzug erfolgt durch Dekret (vgl. cc. 48-58 CIC/1983), das mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist (7.3.7). Das Dekret ist im Wege des Rekurses (vgl. 1732-1739 CIC/1983) anfechtbar. Dem Rekurs kann aufschiebende Wirkung zuerkannt werden (7.3.8). Im Falle des Entzugs der missio canonica soll dem Betroffenen seitens der Diözese eine angemessene Hilfestellung zur Schaffung einer neuen Existenzgrundlage gewährt werden (7.3.9).

IV. Staatskirchenrechtliche Regelung

Die einschlägigen staatlichen Regelungen berücksichtigen die kirchlichen Erwartungen und Vorgaben. Bezüglich der Anstellung von ReligionslehrInnen sind drei Formen zu unterscheiden: Die Anstellung als staatlicher Religionslehrer (des Bundes oder eines Landes) kann im öffentlich-rechtlichen (pragmatischen) Dienstverhältnis, d. h. als Bundes- oder Landeslehrer oder im vertraglichen Dienstverhältnis, d. h. als Vertragslehrer des Bundes bzw. eines Landes erfolgen. Hinzukommen kirchlich bestellte ReligionslehrerInnen.

Gemäß § 3 RelUG werden die ReligionslehrerInnen an den öffentlichen Schulen, an denen Religionsunterricht Pflichtgegenstand oder Freigegenstand ist, entweder von der Gebietskörperschaft (Bund, Länder), die die Diensthoheit über die Lehrer der entsprechenden Schulen ausübt, angestellt oder von der betreffenden gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft bestellt. Die Gebietskörperschaften dürfen nur solche Personen als ReligionslehrerInnen anstellen, die von der zuständigen kirchlichen Behörde als hierzu befähigt und ermächtigt erklärt sind, d. h. für die katholische Kirche, die missio canonica erhalten haben (vgl. § 4 Abs. 2 RelUG; ferner auch Art. I § 3 Abs. 2 SchuV). Im Falle des Entzugs der missio canonica darf ein solcher Religionslehrer /eine solche Religionslehrerin für die Erteilung von Religionsunterricht nicht mehr verwendet werden (§ 4 Abs. 3 RelUG, vgl. Art. I § 3 Abs. 4 SchuV). Für ReligionslehrerInnen, die als Vertragsbedienstete angestellt sind, gilt der Entzug der missio canonica für den Dienstgeber als Kündigungsgrund, sofern nicht nach den Vorschriften des Vertragsbedienstetenrechtes zugleich ein Grund zur Entlassung oder für eine sonstige vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses vorliegt (§ 4 Abs. 4 RelUG). Wird einem im öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis angestellten Religionslehrer die missio canonica entzogen, so ist er, sofern nicht andere Maßnahmen greifen, aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis unter Bedachtnahme auf die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, wie sie im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) enthalten sind, auszuscheiden und so zu behandeln, als ob er Vertragsbediensteter wäre. Hierbei sind die für die Erlangung höherer Bezüge angerechneten Vordienstzeiten hinsichtlich der Höhe des Monatsentgeltes zu berücksichtigen (vgl. § 4 Abs. 5 RelUG). Die anderen, vom Gesetz genannten Maßnahmen können sein: Austritt aus dem Dienstverhältnis, ein auf Entlassung lautendes Disziplinarerkenntnis, ein rechtskräftiges strafgerichtliches Urteil, das den Verlust des Amtes zur Folge hat, Dienstunfähigkeit, Versetzung in den dauernden Ruhestand infolge des Alters bzw. von Gesetzes wegen in den dauernden Ruhestand wegen Erreichung der Altersgrenze. Befähigung und Ermächtigung für die Erteilung von Religionsunterricht ist auch erforderlich für die von den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften bestellten ReligionslehrerInnen (vgl. § 5 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 lit. b RelUG). D. h. auch die von der katholischen Kirche bestellten ReligionslehrerInnen bedürfen der missio canonica. Durch die Bestellung dieser ReligionslehrerInnen wird kein Dienstverhältnis zu den Gebietskörperschaften begründet. Die kirchlich bestellten ReligionslehrerInnen sind somit Bedienstete der betreffenden Kirche, wenngleich sie eine staatliche Vergütung erhalten.

Die Bestimmungen des § 3 Abs. 3 RelUG sowie die des § 4 Abs. 4 und 5 RelUG finden auch auf ReligionslehrerInnen an mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten und sonstigen privaten Schulen Anwendung (§ 7 b Abs. 2 RelUG i. V. m. § 7 Abs. 1 RelUG). Sie gelten unmittelbar für staatliche ReligionslehrerInnen, die im Rahmen der Subventionierung konfessionellen Privatschulen zugewiesen werden (vgl. § 19 Abs. 1 PrivSchG).

Im Vertrag vom 9. Juli 1962 zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von mit dem Schulwesen zusammenhängenden Fragen samt Schlußprotokoll (SchulV) haben die für die katholische Kirche geltenden Bestimmungen eine zusätzliche Absicherung auf völkerrechtlicher Ebene gefunden. Bereits das Österreichische Konkordat 1933/34 (ÖK) hatte die Erteilung des Religionsunterrichts an den Besitz der missio canonica gebunden (Art. VI § 1 Abs. 4 ÖK). Katholische Religionslehrer, welchen die missio canonica entzogen wird, müssen von der Erteilung des Religionsunterrichts entfernt werden (Art. V § 4 Abs. 3 ÖK). Ebenso dürfen nach dem Schule-Kirche-Gesetz als Religionslehrer "nur diejenigen angestellt werden, welche die betreffende konfessionelle Oberbehörde als hiezu befähigt erklärt hat" (vgl. § 6 Schule-Kirche-Gesetz; vgl. § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 RelUG). Die Bestimmungen des ÖK werden durch jene des SchulVs ersetzt: Die ReligionslehrerInnen an öffentlichen Schulen werden entweder vom Staat angestellt oder von der Kirche bestellt (§ 3 Abs. 1 SchulV; vgl. § 3 Abs. und § 4 Abs. 1 RelUG). Die Erteilung von Religionsunterricht ist an den Besitz der missio canonica gebunden. Die Zuerkennung und Aberkennung steht als innerkirchliche Angelegenheit der Kirchenbehörde zu (Art. I § 3 Abs. 2 SchuV; vgl. § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 RelUG). Staatlich angestellte Religionslehrer, denen die missio canonica entzogen wird, werden für die Erteilung des Religionsunterrichts nicht mehr verwendet werden; sie werden nach Maßgabe der staatlichen Vorschriften entweder in eine anderweitige Dienstverwendung genommen oder in den Ruhestand versetzt oder aus dem staatlichen Dienstverhältnis ausgeschieden (Art. I § 3 Abs. 4 SchuV; vgl. § 4 Abs. 3-5 RelUG).

V. Befähigung und Ermächtigung zum evangelischen Religionsunterricht

Gemäß § 4 RelUG dürfen als (evangelische) Religionslehrer nur von der Kirche hierzu für befähigt und ermächtigt erklärte ReligionslehrerInnen angestellt werden. Erteilung und Entzug der missio canonica sind detailliert geregelt.

VI. Andere Kirche und Religionsgesellschaften

Auch gibt RelUG die Grundlage für die Anstellung von ReligionslehrerInnen. Nähere Einzelheiten sind innerkirchlich geregelt.

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