Befund des Monats

November 2021

Nachtlager und Wohnhütte der Granatler am Waxeggkees

Arbeiten in Hochgebirgslagen waren und sind auch heute noch ein äußerst mühsames und kraftzehrendes Unterfangen. Das „Steinklauben“ und der Abbau von Granat stellten in dieser Umgebung ein besonders schwieriges und hartes Tagwerk dar. Es ist wenig verwunderlich, dass die Spuren jener Arbeit im Hochgebirge aufgrund des unwirtlichen Klimas und einer raschen Verwitterung nicht lange erhalten blieben. So stellt sich die Frage, wo die „Granatler“ den Sommer über Quartier bezogen, da es nur schwer möglich war, nahe der Abbaustellen im Bereich der steilen Wände des „Rossruggs“ (der Rossrücken im heutigen Zemmgrund) einen sicheren und warmen Unterschlupf zu finden. In den 1840er Jahren ließen die Granatgrubenbesitzer Kreidl eine Hütte bauen, die über mehrere Jahrzehnte als zentraler Wohn- und Arbeitsplatz der Granatarbeiter diente. Diese mussten täglich von den Abbaugebieten auf bis zu 2.850 m Seehöhe zur Hütte absteigen, um sich dort zu verpflegen und zu nächtigen.

Von der einstigen Granathütte am Fuß des Rossruggs ist eine Darstellung von Walter Püttner überliefert (Abb. 1), wobei offenbar ein älterer Holzstich seines Vaters Richard Püttner aus dem Jahr 1872 als Vorlage diente.

 

Abb. 1 Granathütte Rossrugg
Abb. 1: Ausschnitt aus einem Holzstich von W. Püttner mit der Granathütte (obere Hütte) und der „Granatstampf“ am Bach 1

 

Von dieser Granathütte existieren wenige Fotografien aus der Zeit des frühen Alpintourismus im Bereich der nahegelegenen 1879 errichteten Berliner Hütte. Das Aufnahmedatum des Postkartenmotivs (Abb. 2) mit der Granathütte im Vordergrund kann mit Hilfe der Ausbauphase der Berliner Hütte im Hintergrund „nach 1892“ datiert werden. Auf einer Karte der Zillertaler Alpen von 1899 ist die Hütte bereits als „Granathtt (verfallen)“ eingezeichnet (Abb. 3).

 

Abb. 2
Abb. 2: Postkartenmotiv (undatiert, um 1900) – Granathütte im Vordergrund, Berliner Hütte (2.042 m) im Hintergrund, markant die pyramidenförmig aufragende Zsigmondyspitze (3.089 m) 2

 

Abb. 3 Meyers Reisebücher 1903
Abb. 3: Karte der inneren Zillertaler Alpen, 1899 (Originalmaßstab 1 : 100.000). Die Hütte (Bildmitte) ist dort als „Granat-Htt. (verfallen)“ ausgewiesen 3

 

Das Grundbuch der Gemeinde Finkenberg aus dem Jahre 1921 weist Franz und Karl Kreidl als damalige Besitzer dieser Parzelle aus 4.  Die Hütte ist noch bis in die 1950er Jahre auf Karten zu finden, allerdings decken sich die Quellen nicht immer mit dem tatsächlichen Standort und dem Erhaltungszustand der Hütte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass jüngere Kartierungen meist auf Basis von bereits vorhandenem Kartenmaterial erstellt wurden und sich Übertragungsfehler eingeschlichen haben. Beispiele dafür sind die Geologisch-petrographische Karte des oberen Zemmgrundes von Eduard Christa aus dem Jahre 1931 (Originalmaßstab 1 : 15.000) und die Österreich-Karte der US-Army aus dem Jahre 1952 (Originalmaßstab 1 : 25.000). Im ersten Fall wird ein falscher Standort der Hütte angegeben und im zweiten wird die Hütte noch als existent angenommen. Heute zeugen nur noch eine Lawinenmauer aus Steinblöcken und verwitterte Balkenreste von der einstigen Granathütte am Fuß des Rossruggs (Abb. 4).

 

Abb. 4 Granathütte 2021
Abb. 4: Überreste der Granathütte der Kreidls am Fuß des Rossruggs während der archäologischen Dokumentation 2021 – verwitterte Holzreste und Lawinenmauer 5

Roland Köchl, Gert Goldenberg, Bianca Zerobin & Walter Ungerank

Fortsetzung folgt!


Quellen:

1Privat-Archiv Ungerank, W. – publiziert (unkolloriert) in: Bei den „Granatnern“ im Schwarzensteingrund (Tirol). Das Buch für Alle – Illustrierte Familien-Zeitung, 1894, 263-265 (W. Püttner, nach einer Vorlage von R. Püttner, publiziert in: Die Gartenlaube, 1872, 507).

2Privat-Archiv Ungerank, W.

3Karte aus: Pfurtscheller, L. / Hess, H. (Meyers Reisebücher): Der Hochtourist in den Ostalpen. Zweiter Band: Kaisergebirge, Salzburger und Berchtesgadener Kalkalpen, Oberösterreichische und Steirische Alpen, Zillertaler Alpen, Hohe und Niedere Tauern, Leipzig-Wien 1903, 149.

4 Tiroler Landesarchiv, Grundbuchanlegungsprotokoll BG Zell 11 (45/47) 4 – Erhebungs-Protokoll Finkenberg, 1921, 202.

5 Foto: Weiskopf, K. (September 2021)

Nach oben scrollen