Befund des Monats

März 2023

Von der Schmauchlümmelei
Die Granatarbeiter und das Rauchen

 

Johann Haudeck schreibt 1899 über die Tabakpfeife1 „Der nothwendigste und stete Begleiter, ja geradezu ein unentbehrliches Inventarstück der Volkstracht war und ist noch heute die Tabakpfeife. Wer könnte sich auch einen Bauer, einen Landmann oder einen bäuerlichen Arbeiter ohne Pfeife denken? Sie ist für ihn so nothwendig und unentbehrlich wie Salz und Brot ... Selten liess man die Pfeife ausgehen ...“ (Abb. 1).

 

 

Abb. 1

Abb. 1: Vier Bergführer vor der Berliner Hütte um 1900, drei davon mit Tabakpfeife 2

 

Heinrich Luden zitiert 1847 aus einem persönlichen Gespräch mit Johann Wolfgang von Goethe3: „Goethe verwirft Rauchen und Schnupfen. Wegen des Rauchens hat er Recht; ich rauche auch täglich nur ein Paar Pfeifen. Das Rauchen, sagt er, macht dumm; es macht unfähig zum Denken und Dichten.“ Ob die Granatarbeiter im Zillertal dadurch weniger zur Pfeife griffen, bleibt dahingestellt. Die archäologischen Funde zeigen jedenfalls, dass man(n) dem blauen Dunst nicht gerade abgeneigt war. So schreibt Luden weiter „Für solche ... (zensiert) ... ist der liebevolle Verkehr mit den Pfeifen und der behagliche Anblick der Dampfwolke, die sie in die Luft blasen, eine geistvolle Unterhaltung, weil sie ihnen über die Stunden hinweg hilft.“

Bei den Prospektionen und Grabungen im Zemmgrund konnten u. a. eine Holzpfeife, zwei Pfeifenstopfer und zahlreiche Fragmente von verschiedenartigen Pfeifenköpfen gefunden werden sowie ein „Abguss“ aus Porzellan. Einer der Pfeifenstopfer besteht aus Neusilber4 und trägt den Stempel des Herstellers „Lippert“ (Abb. 2).

 

 

Abb. 2

Abb. 2: Funde von den Granatarbeiterhütten im Zemmgrund: zwei Pfeifenstopfer und eine Holzpfeife 5

 

Der Abguss aus weißem Porzellan ist ein ca. 5 cm großer Behälter mit zwei Öffnungen (Abb. 3). Das abgebildete Stück war ein Bestandteil einer dreiteiligen Gesteckpfeife6 mit Mundstück, Pfeifenrohr und Pfeifenkopf. Der Abguss besteht aus einem senkrechten Eingang für das Pfeifenrohr und einem im 30° Winkel abstehenden Ausgang. Dort wurde der mit Tabak gestopfte Pfeifenkopf eingesteckt. Der Abguss selbst hat mehrere Funktionen. Einerseits wird dort der Speichel des Rauchers gesammelt, der vom Mundstück durch das Pfeifenrohr hinunter rinnt und andererseits wird durch diese Flüssigkeit das Austrocknen des Tabaks im Pfeifenkopf verhindert. Aufgrund dieser Eigenschaften wird der Abguss auch als „Spuckesammler“ oder umgangssprachlich als „Saftsack“ benannt.

 

 

 

Abb. 3

Abb. 3: Der Porzellanabguss einer Gesteckpfeife, umgangssprachlich auch als „Saftsack“ bezeichnet 7

 

Dreiteilige Gesteckpfeifen waren ab 1770 bis weit hinein ins 20. Jahrhundert auf dem Markt. Die Formen und Materialien der Abgüsse änderten sich in dieser Zeit, wodurch sie hervorragend für Datierungen herangezogen werden können. Der Abguss, welcher in der Glimmerschieferhalde unterhalb der jüngeren Granathütte am Fuß des Rossruggs gefunden wurde, erinnert von der Form her an die sogenannten „Berliner Abzüge“. Diese wurden auch als „Eyer-Facon“ bezeichnet und 1821 zum Verkauf angeboten.8

 

Bianca Zerobin & Gert Goldenberg

Fortsetzung folgt!


Quellen:

1 Haudeck, Johann (1899), Volkstracht im Leitmeritzer Mittelgebirge. Zeitschrift für österreichische Volkskunde, Jahrgang 1899, 79-88 (82, 83).

2 Foto: Karl Kaser; ausgestellt in der Berliner Hütte; s. auch Naturpark Zillertaler Alpen und Möbel Steiner (Hrsg.) 2007, Vom Brenner ins Zillertal. Eine Fotoreise zu den Anfängen des Bergsteigens. Mit Texten und Bildern von Dr. Karl Kaser. 82 und 83.

3 Luden, Heinrich (1847), Rückblicke in mein Leben. Hufeland, Knebel und Griesbach über meine Gespräche mit Goethe. Jena 1847, 75-101 (90, 91).

4 Neusilber = eine Legierung aus Kupfer, Nickel und Zink

5 Fotos: Bianca Zerobin

6 Morgenroth, Walter (1989), Tabakpfeifen sammeln. Kunstwerke in Porzellan. Ein Beitrag zur Geschichte des Rauchens (München 1989), 32.

7 Abbildung aus: Das Interessante Blatt, Nr. 17, 28.04.1904, 21 (Österreichische Nationalbibliothek, ANNO Historische österreichische Zeitungen und Zeitschriften); Foto: Bianca Zerobin

8 Morgenroth, Walter (1989), 33 und Abb. 13.





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