Befund des Monats

Februar 2022

Rückkehr aus dem Exil
Wie ein Pochstempel von der Granathütte am Waxeggkees nach 50 Jahren in der Fremde den Weg zurück in seine alte Heimat gefunden hat

 

1969 fand das deutsche Ehepaar Warnebold bei der Suche nach rot leuchtenden Granatkristallen in den Ruinen der Granatstampf am Waxeggkees einen hölzernen Pochstempel mit rostigem Eisenbeschlag. Obwohl der gewichtige Fund kaum in den Rucksack gepasst haben dürfte, nahmen sie das sperrige Fundstück als Andenken an den Sommerurlaub im Zillertal mit nach Darmstadt. Viele Jahre später, nach dem Tod des Finders, wechselte der Fund den Besitzer, landete zunächst in Frankenthal und kam schließlich 2019 zurück ins Zillertal, wo ihn Walter Ungerank dankbar und mit großer Freude entgegennehmen durfte. Für den mittlerweile restaurierten Pochstempel (Abb. 1) ist eine Vitrine in der Ausstellung „Verborgene Schätze“ im Naturparkhaus in Ginzling reserviert.

 

 

Abb. 1

Abb. 1: Der Pochstempel vor und nach der Restaurierung 1

 

Das wohl nur für den Kenner spektakuläre Fundstück besteht aus einem 86 Zentimeter langen, fast 7 Kilogramm schweren Vierkantholz aus Zirbe mit einer noch ansatzweise erhaltenen Aussparung am oberen Ende und einem geschmiedeten Eisenbeschlag am unteren Ende. Es handelt sich um einen von ehemals vermutlich drei Pochstempeln, mit denen der am Rossrugg abgebaute granatführende Glimmerschiefer in einem mit Wasserkraft betriebenen Pochwerk maschinell zerkleinert wurde. Ziel war es dabei, die Granatkristalle aus dem Gestein zu lösen, um die besten Stücke im Anschluss noch in einer Trommel weiter zu verarbeiten. Ein wahrer Glücksfall für die Forschung ist eine Dokumentation von Richard Püttner, der 1872 die sich damals in Betrieb befindliche Granatstampf mit Wasserrad nicht nur gezeichnet (Abb. 2) sondern auch ihre Funktionsweise beschrieben hat.


 

 

Abb. 2

Abb. 2: Die Granatstampf mit Wasserrad am Waxegg-Gletscher, gezeichnet von R. Püttner 1872 2

 

„Ich athmete auf, als wir unten an der gastlichen Klopfhütte ankamen. Hier wurde der Inhalt der Körbe in dem Klopfstübel aufgeschüttet und es ging lustig daran, die herrlichen zwölfflächigen Krystallkörper aus ihrer schimmernden Umhüllung zu befreien. Es kamen Stücke vor, in denen die Granaten faustdick aufeinander saßen. Bald waren die Mulden mit den gewonnenen Steinen gefüllt und wurden in die Stampfmühle hinuntergetragen, deren innere Construction einer Oelmühle gleicht. Die häufig noch mit Glimmer überzogenen Steine wurden in den am Boden aufgestellten schwergezimmerten Kasten geschüttet, das Rad gestellt und dadurch die Stampfer in Bewegung gesetzt, welche nun wacker auf die Steinchen lospochten, während eine in den Kasten eingeleitete Wasserrinne den Zweck hat, den zu Brei gestampften Glimmer durch siebähnliche eingelegte Blechstücke wegzuspülen. Nach einigen Stunden wird das Wasser abgestellt und die Granaten in ihrer wahren schönen Form, von allem Anhängsel gesäubert, dem Kasten entnommen. Bei diesem Proceß ergiebt sich zugleich, welche Stücke überhaupt werth sind, weiter behandelt zu werden, denn die nicht körperlich kräftigen Steine werden von der Stampfe zerschlagen, andere kennzeichnen sich als unvollendet oder mißgestaltet und nur die ganz tauglichen bleiben zurück. Von diesen werden die harten gehalt- und werthvollen ausgelesen und in die wenige Schritte hinter der Stampfmühle gelegene Rollmühle gebracht, ein industrielles Bauwerk, das den Beschauer durch seine Naturwüchsigkeit fast heiter stimmt.“ 3

 

Ein historisches SW-Foto zeigt die Granatstampf noch einmal um 1900 im stillgelegten Zustand und bereits im Verfall begriffen (Abb. 3). Heute ist von dem geschichtsträchtigen Gebäude leider nicht mehr viel übrig. Nur noch ein wilder Haufen aus Steinen und vergangenen Hölzern zeugt von der ehemaligen Anlage (Abb. 4).

 

Abb. 4

Abb. 3: Die Granatstampf mit Wasserrad um 1900 4

Abb. 3

Abb. 4: Die Überreste der Granatstampf im Sommer 2019 5


 

Walter Ungerank, Bianca Zerobin, Gert Goldenberg & Verena Heisters


Fortsetzung folgt!


Quellen:

1 Foto: Bianca Zerobin / Restaurierung: Verena Heisters / Sammlung: Walter Ungerank

2 Richard Püttner 1872, Bei den Tiroler Granatenklaubern. Die Gartenlaube - Illustrirtes Familienblatt, Jahrgang 1872, 505-508, 510

3 Richard Püttner 1872, 508.

4 Foto: Unbekannt, Privatarchiv Walter Ungerank

5 Foto: Gert Goldenberg





Nach oben scrollen