Befund des Monats

April 2023

Des Rätsels Lösung
Ein rostiges Stück Blech gibt seine Geschichte preis

 

Bei der Ausgrabung der Granathütte westlich unterhalb der Berliner Hütte wurde das Fragment eines korrodierten, stark verrosteten Eisenblechs geborgen. Nach der Restaurierung kamen zahlreiche eingestanzte Löcher zum Vorschein, deren hervorstehende Ränder auf einer Seite des Blechs dieses wie ein Reibeisen erscheinen lassen1. Erst bei genauerer Betrachtung fallen rötlich leuchtende, in den Löchern eingeklemmte Steinchen auf, bei denen es sich um abgerollte Splitter von Granat handelt. Nach einer kurzen Recherche in der Literatur stellte sich heraus, dass es sich bei dem unscheinbaren Fund um das Fragment eines Lochblechs handelt, das ursprünglich in einer Granattrommel angebracht war und eine wichtige Funktion während des Trommelvorgangs erfüllte. Dieser wird von Richard Püttner 1872 in seinem Reisebericht über den Besuch bei den Tiroler Granatenklaubern am Rossrugg detailliert beschrieben2, wobei auch „durchlöcherte Blechstücke“ Erwähnung finden.

 

 

Abb. 2

Abb. 1: Gelochtes Eisenblech nach der Restaurierung, mit eingeklemmten Granatbruchstücken 1


„Von dem Gletscherstrome, der die vordere Mühle treibt, zweigt sich eine Rinnenleitung ab und ergießt sich auf ein rohgezimmertes Schaufelrad, an dessen verlängerter Welle ein mit verschiebbarer eiserner Kette umschlossener Bretterkasten befestigt ist. In diesen werden jetzt die Granaten zum „Abrollen“ geschüttet, die Deckelwand fest zugeschoben und das Wasser zugelassen, das nun Rad und Kasten zugleich dreht, daß man über das Gesause des Wassers hinaus die armen Dinger in gleichmäßigem Tacte von Wand zu Wand an den Kasten anpoltern hört. Auch hier haben die in den Kasten eingesetzten durchlöcherten Blechstücke den Zweck, die Steine fort und fort zu bewässern; durch dieses Verfahren verlieren sie allerdings ihre äußere schöne Form, denn das Rollen nimmt die weichen Theile weg, dafür aber hat sich der Grad ihres Werthes abermals gesteigert, denn nur der ganz steinharte, schleifbare Kern ist geblieben und wird nun, in Körbe gepackt, in’s Thal nach Meyerhofen getragen, wo der Erbauer der Mühlen und Besitzer der Granatengruben haust. Hier werden sie nach ihrer Größe sortirt und in die Schleifereien nach Prag, Turnau, Deutsch-Brod und Baden versandt, aus denen sie, wegen der Farbe und Reinheit ihres Glanzes besonders beliebt, unter dem Namen Tiroler Granaten in den Handel kommen.“


 

 

Abb. 1

Abb. 2: Trommelkasten zum Abrollen der Granatkristalle mit angeschlossenem Wasserrad, Holzstich von R. Püttner 1872 3

 

Abb. 3

Abb. 3: Eine von drei Hofer’schen Granattrommeln mit gelochtem Blecheinsatz aus Radenthein im Museum für Volkskultur bei Spittal a. d. D. 4

Abb. 4

Abb. 4: Getrommelte Granate von der Granathütte am Waxegg-Kees 6

 

 

Ein anderer Hinweis auf gelochte Bleche im Zusammenhang mit der Granataufbereitung findet sich bei Helmut Prasch 1972 in seinem Buch „Blutstropfen der Nocke“5. Im Kapitel „Die Granatmühle“ werden die Granattrommeln des Hofer’schen Betriebes im Lucknergraben bei Radenthein beschrieben, von denen drei Exemplare im Museum für Volkskultur in Spittal an der Drau ausgestellt sind: „Diese Trommeln ... sind Faßbinderarbeit mit Ausnehmungen am Mantel und Deckel auf der Innenseite. Die Ausnehmungen bestanden aus gelochtem Blech, sodaß der weiße Staub (Schiefer, Talk) herausfallen konnte. Das Lochen der Bleche besorgte Josef Hillgarter mit dem Spitzmeißel und Setzhammer so, daß die Innenseite einem Reibeisen glich.“

Im Falle des Blechfundes unweit der Berliner Hütte kann demnach, zusammen mit den dort aufgefundenen getrommelten Granaten, eine ehemalige Granattrommel rekonstruiert werden. Der genaue Standort konnte zwar noch nicht lokalisiert werden, dürfte jedoch in unmittelbarer Nähe der ausgegrabenen Gebäudereste an einem kleinen Wasserlauf gelegen haben. Abb. 4 zeigt getrommelte Granate von der bei Püttner 1872 beschriebenen „Mühle zum Abrollen der Granaten“ am Waxegg-Kees (Abb. 2).

 

Gert Goldenberg, Bianca Zerobin, Verena Heisters & Josef Hofer


Fortsetzung folgt!


Quellen:

1 Foto: Gert Goldenberg

2 Püttner, Richard (1872), Bei den Tiroler Granatenklaubern. Die Gartenlaube 1872, 505-510.

3 Püttner, Richard (1872), 508.

4 Foto: Gert Goldenberg

5 Prasch, Helmut (1972), Die Blutstropfen der Nocke (Kapitel: Die Granatmühle), 62-64.

6 Foto: Gert Goldenberg






Nach oben scrollen