Judit Barth-Richtarz/Helmuth Figdor Was bringt die gemeinsame Obsorge? Studie zu den Auswirkungen des KindRÄG 2001, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien (2008), ISBN 987-3-214-03267-8, 246 Seiten, 52 Euro 


 In einer interdisziplinären Studie wurde das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz (KindRÄG) 2001 von mehreren Forschungsteams vier Jahre nach seinem Inkrafttreten evaluiert. Mit dem KindRÄG 2001 wurde in Österreich die Obsorge beider Eltern – langläufig bekannt als ‚gemeinsame Obsorge‘ – als Wahl-Modell für nicht-verheiratete und geschiedene biologische Eltern eines Kindes eingeführt. Das vorliegende Buch präsentiert einen Teil der Evaluationsstudie – nämlich die sogenannte Eltern-Kind-Untersuchung. Alle Eltern mit gemeinsamen minderjährigen Kindern, die sich zwischen September und November 2004 in Österreich rechtskräftig scheiden ließen, wurden in die Untersuchung einbezogen. Im ersten Teil des Buchs werden auf 36 Seiten die Studie und ihre methodischen sowie theoretischen Grundannahmen vorgestellt. Im zweiten Teil sind die Ergebnisse auf zirka 130 Seiten anschaulich und allgemein verständlich dokumentiert. Untersucht wurde, wie die biologischen Eltern die Möglichkeit der Obsorge beider Eltern auf- und annehmen; wie sich die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge auf die Eltern-Kind-Beziehung und auf die Beziehung zwischen den Eltern auswirkt. Ebenso wurde erhoben, was Kindern im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Eltern besonders wichtig ist. Im dritten Teil – der gut zwanzig Seiten umfasst – sind die wesentlichen Ergebnisse vereinigt und werden Empfehlungen an die Politik gerichtet.

 

Die Ergebnisse beinhalten gerade aus feministischer Sicht einige Überraschungen. So vor allem, dass die Obsorge beider Eltern auch von jenen Eltern gewählt wird, die in einer Hochkonflikt (Gewalt-)Beziehung gelebt haben. Die Obsorge beider Eltern wurde entweder von beiden Eltern von Anfang an gewollt oder war ein gemeinsamer Kompromiss, um ‚dem Kindeswohl zu dienen‘. Durch die Obsorge beider Eltern bringen sich beide Eltern mehr in die Erziehung ein. Auch Probleme mit dem Hereinbringen des Unterhalts sind weniger häufig als bei der alleinigen Obsorge eines Elternteils. Kontaktabbrüche zwischen dem nicht-hauptbetreuenden Elternteil und dem Kind sind weniger häufig als bei der alleinigen Obsorge. Die Konflikte zwischen den Eltern nehmen nicht zu. Kurz: Das Buch enthält Überraschungen, die anschaulich dargestellt sind. Die Ausgangshypothesen des Forschungsteams wurden überwiegend entkräftet. All jene, die Eltern auch in Obsorgefragen beraten, sollten unbedingt einen Blick in das Buch werfen. Diskussions- und Nachdenkbedarf sind garantiert!

Caroline Voithofer.

Ursprünglich erschienen in AEP-Informationen 1/2011, 49-50.

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