Ich bin dagegen

Warum fährt die EU mit Artikel 13 und 11 vor, obwohl regelmäßig dagegen protestiert wird?

ANTWORT
von Univ.-Prof. Mag. Dr. Walter Obwexer
Rechtswissenschaftliche Fakultät

Rat und Parlament der EU haben im April 2019 die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt verabschiedet. Sie haben den Vorschlag der Kommission mit einigen Änderungen angenommen, obwohl einzelne Regelungen von Teilen der Zivilgesellschaft heftig kritisiert wurden. Die neue Richtlinie soll das derzeit geltende Urheberrecht in der EU den Anforderungen des digitalen Zeitalters anpassen. Die Mitglied­staaten haben zwei Jahre Zeit, um die neuen Vorgaben in ihr nationales Recht zu übernehmen. Eine Richtlinie ist ein EU-Gesetz, das verbindliche Ziele festlegt, die von den Mitglied­staaten durch Änderungen ihres nationalen Rechts erreicht werden müssen.

Besonders heftig kritisiert wurde Art 13 des Richtlinienvorschlages, der im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens die Nummer 17 zugeteilt erhielt. Darin ist vorgesehen, dass Online-Diensteanbieter wie Facebook oder Youtube verpflichtet werden müssen, keine Nutzerinhalte wie Bilder, Texte, Videos oder Musik hochzuladen, die urheberrechtlich geschützt sind, wenn keine Zustimmung des Rechteinhabers vorliegt. Für Urheberrechtsverletzungen müssen die Online-Plattformen haften.

Die EU kann von einer ihr übertragenen Kompetenz auch dann Gebrauch machen, wenn die geplante Regelung auf Kritik stößt. Das Gesetzgebungsverfahren stellt nämlich sicher, dass unterschiedliche Interessen gewahrt werden und demokratisch im Interesse der Allgemeinheit – wenn auch nicht zwingend zur Zufriedenheit aller – gehandelt wird. Voraussetzung ist nämlich zunächst ein Vorschlag der Kommission, die im Interesse der EU insgesamt zu agieren hat. Dieser Vorschlag muss die Zustimmung des Europäischen Parlaments als Vertretung der Bürger*innen Europas und des Rates als Vertreter der Mitglied­staaten erhalten. Damit ist die Entscheidung zweifach demokratisch legitimiert: zum einen unmittelbar über die Bürger*innen mittels der direkt gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments, zum anderen mittelbar über die Vertreter der Mitglied­staaten im Rat, die den nationalen Parlamenten verantwortlich sind.

Dem folgend ist die EU mit der neuen Urherberrechts-Richtlinie nicht „vorgefahren“ oder gar über die (protestierenden) Bürger*innen „drübergefahren“, sondern hat eine demokratische Entscheidung getroffen.

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