Rundschreiben an die Bischofskonferenzen über den „Namen Gottes“

(Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz, Nr. 47 vom 2. März 2009, II. 1.)

Congregatio de Cultu divino et disciplina sacramentorum

Prot. N. 213/08/L

Rundschreiben an die Bischofskonferenzen über den „Namen Gottes“

Hochwürdigste Eminenz/Exzellenz, auf Anordnung des Heiligen Vaters und in Übereinkunft mit der Kongregation für die Glaubenslehre hält es die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung für angebracht, folgende Darstellung bezüglich der Übersetzung und der Aussprache des göttlichen Namens, der mit dem heiligen Tetragramm bezeichnet wird, in der Liturgie den Bischofskonferenzen mitzuteilen. Dieses Schreiben enthält im zweiten Teil verschiedene Bestimmungen.

I – Auslegung

1 – Die Worte, die im Alten und Neuen Testament der Heiligen Schrift enthalten sind, drücken Wahrheiten aus, die die Grenzen von Zeit und Raum übersteigen. Sie sind Wort Gottes in menschlichen Worten und der Heilige Geist führt durch diese Worte des Lebens die Gläubigen in die Kenntnis der ganzen Wahrheit ein und bewirkt, dass das Wort Christi mit seinem ganzen Reichtum in den Gläubigen wohnt (vgl. Joh 14,26; 16,12–15). Damit das Wort Gottes, welches in den Heiligen Schriften niedergeschrieben ist, vollständig und treu bewahrt und überliefert wird, muss jede moderne Übersetzung der biblischen Bücher sich vornehmen, eine treue und genaue Übersetzung der Originaltexte anzufertigen. Ein solches literarisches Vorhaben erfordert, dass der Originaltext in größter Vollständigkeit und mit größter Genauigkeit übersetzt wird, ohne dabei Unterlassungen oder Hinzufügungen zum Inhalt vorzunehmen und ohne Glossen oder erklärende Paraphrasen einzuführen, die nicht zur Heiligen Schrift gehören.

Wenn es sich um den heiligen Eigennamen Gottes handelt, muss die Treue und der Respekt der Übersetzer am größten sein. Besonders, wie die Nr. 41 der Instruktion Liturgiam Authenticam zitiert, „nach der seit unvordenklicher Zeit überlieferten Tradition, die ja schon in der genannten Septuaginta-Übersetzung sichtbar ist, soll der Name des allmächtigen Gottes – hebräisch das heilige Tetragramm, lateinisch Dominus– in jeder Volkssprache durch ein Wort derselben Bedeutung wiedergegeben werden“ („iuxta traditionem ab immemorabili receptam, immo in supradicta versione ‚LXX virorum’ iam perspicuam, nomen Dei omnipotentis, sacro tetragrammate hebraice expressum, latine vocabulo ‚Dominus‘, in quavis lingua populari vocabulo quodam eiusdem significationis reddatur“).

Trotz dieser klaren Festlegung hat sich in den letzten Jahren der Brauch verbreitet, den Eigennamen des Gottes Israels auszusprechen, der als ein heiliges bzw. göttliches Tetragramm bekannt ist, insofern er mit vier Konsonanten des hebräischen Alphabets in der folgenden Form geschrieben wird: יהוה , JHWH. Der Brauch seiner Vokalisierung wird sowohl bei der Lesung der biblischen Texte, die dem Lektionar entnommen sind, als auch bei Gebeten und Gesängen angetroffen und erfolgt in verschiedenen schriftlichen und sprachlichen Formen wie z.B. „Yahweh“, „Yahwè“, „Jahweh“, „Jahwè“, „Jave“, „Jehovah“, etc. Daher ist es die Absicht dieser Kongregation, mit diesem Schreiben einige wesentliche Daten darzulegen, die die oben angeführte Norm motivieren, sowie einige Bestimmungen zu erlassen, die zu befolgen sind.

2 – Die ehrwürdige biblische Tradition der Heiligen Schrift, als Altes Testament bekannt, bezeugt eine ganze Reihe von göttlichen Anreden, unter anderem den heiligen Namen Gottes, der sich im Tetragramm JHWH ( יהוה ) offenbart. Insofern dieses Tetragramm die unendliche Größe und Majestät Gottes ausdrückt, wurde es als unaussprechlich angesehen und wurde daher beim Lesen der Heiligen Schrift durch eine alternative Anrede ersetzt: „Adonai“, was „Herr“ bedeutet.

Die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die so genannte Septuaginta, die auf die letzten Jahrhunderte vor der christlichen Ära zurückgeht, hatte regelmäßig das hebräische Tetragramm mit der griechischen Vokabel Kyrios übersetzt, was ebenfalls „Herr“ bedeutet. Da die Septuaginta die Bibel der ersten christlichen Generationen griechischer Sprache bildete, in der auch alle Bücher des Neuen Testaments geschrieben wurden, haben die ersten Christen der Anfänge niemals das göttliche Tetragramm ausgesprochen. In analoger Weise geschah dies für die Christen lateinischer Sprache, deren Literatur vom Ende des zweiten Jahrhunderts an begann, wie dies zuerst der Vetus latina und folgend die Vulgata des Heiligen Hieronymus bezeugen: Auch in diesen Übersetzungen wurde das Tetragramm regelmäßig durch das lateinische Wort „Dominus“ ersetzt, welches dem hebräischen Adonai wie auch dem griechischen Kyrios entspricht. Dies gilt auch für die jüngst erschienene Nova Vulgata, die die Kirche in der Liturgie übernommen hat.

Diese Tatsache hatte wichtige Auswirkungen für die neutestamentliche Christologie. Als nämlich der Heilige Paulus bezüglich des Gekreuzigten schreibt, dass „Gott (ihn) über alle erhöht und ihm den Namen verliehen (hat), der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,9), hat der Heilige Paulus nichts anderes gemeint, als den Namen des „Herrn“, denn er sagt anschließend: „und jeder Mund bekennt: ‚Jesus Christus ist der Herr‘“ (Phil 2,11; vgl. Jes 42,8: „Ich bin der Herr, das ist mein Name“). Die Anwendung dieser Bezeichnung auf den auferstandenen Christus ist gleichbedeutend mit der Proklamation seiner Gottheit. Dieser Titel wird in der Tat austauschbar zwischen dem Gott Israels und dem Messias des christlichen Glaubens, während dieser Titel übrigens gar nicht zum Titel des israelitischen Messias gehörte. Im engen theologischen Sinne begegnet dieser Titel z.B. schon im ersten kanonischen Evangelium (vgl. Mt 1,20: „Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm [Josef] ein Engel des Herrn im Traum“) und er taucht regelmäßig in den alttestamentlichen Zitationen auf (vgl. Apg 2,20: „Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln ... ehe der Tag des Herrn kommt, der große und herrliche Tag“ [Joël 3,4]; 1 Petr 1,25: „Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit“ [Jes 40,8]). Im eigentlich christologischen Sinne, neben der schon zitierten Stelle von Phil 2,9–11, kann man Röm 10,9 anführen („Denn wenn du mit deinem Mund bekennst: ‚Jesus ist der Herr’ und in deinem Herzen glaubst: ‚Gott hat ihn von den Toten auferweckt‘, so wirst du gerettet werden“), 1 Kor 2,8 („... so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt“), 1 Kor 12,3 („... keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“) und die häufig vorkommende Formel bezüglich des Christen, der „im Herrn“ lebt (Röm 16,2; 1 Kor 7,22; 1 Thess 3,8; usw.).

3 – Dass die Kirche die Nennung des Tetragramms des Namens Gottes unterlässt, hat also seine Daseinsberechtigung. Neben einem rein philologischen Grund gibt es auch jenen, der kirchlichen Tradition treu zu bleiben, zumal ab dem Moment, in dem das heilige Tetragramm im christlichen Umfeld niemals ausgesprochen, noch in irgendeiner Sprache übersetzt wurde, in der die Bibel übersetzt wurde.

II – Bestimmungen

Im Lichte dessen, was hier dargelegt wurde, wird Folgendes angeordnet:

1 – In den liturgischen Feiern, den Gesängen und den Gebeten darf der Name Gottes in der Form des Tetragramms JHWH weder verwendet noch ausgesprochen werden.

2 – Für die Übersetzung des biblischen Textes in moderne Sprachen, die zum liturgischen Gebrauch bestimmt sind, soll dem Folge geleistet werden, was schon in der Nr. 41 der Instruktion Liturgiam Authenticam vorgeschrieben ist, d.h. dass das göttliche Tetragramm mit einem gleichbedeutenden Begriff zu Adonai / Kyrios zu übersetzen ist: „Herr“, „Signore“, „Lord“, „Seigneur“, „Señor“, usw.

3 – Bei der Übersetzung von Texten für den liturgischen Gebrauch, in denen nacheinander sowohl der hebräische Begriff Adonai wie auch das Tetragramm YHWH vorkommt, wird der Begriff Adonai mit „Herr“ übersetzt und für das Tetragramm wird der Begriff „Gott“ verwendet, in Analogie, wie dies in der griechischen Übersetzung der Septuaginta und in der lateinischen Übersetzung der Vulgata erfolgt.

Vom Sitz der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, den 29. Juni 2008.

+ Francis Kardinal Arinze

Präfekt

+ Albert Malcolm Ranjith

Erzbischof Sekretär

Die Bestimmungen dieses Rundschreibens der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung sind in den liturgischen Texten, soweit möglich, von den Zelebranten zu beachten.

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