Die Römerzeit im Oberen Vinschgau. Ein Beitrag zur römischen Siedlungsgeschichte einer alpinen Gebirgsregion.

 

Eckdaten zum Projekt

Zeitraum: 01. 02. 2011 – 31.01.2014

Projektleiter: Assoz.-Prof. Dr. Gerald Grabherr

Wissenschaftl. Mitarbeiter: Mag. Stephan Leitner

Kooperationspartner: Amt für Bodendenkmäler Bozen

Fördergeber: Amt für Hochschulförderung, Universität und Forschung der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol


Die Bedeutung des Vinschgaus in der Römerzeit lag nach derzeitigem Wissensstand vorwiegend in der Funktion als Region des transalpinen Verkehrs. Die günstigen naturräumlichen Gegebenheiten, wie ein sanft ansteigendes, von nur wenigen markanten Niveausprüngen unterbrochenes Geländerelief und eine niedrige Scheitelhöhe des Reschenpasses spielten natürlich auch im Verkehrskonzept der Römer eine gewichtige Rolle. Gerade die ganzjährige Befahrbarkeit unterschied den Übergang wesentlich von den benachbarten Bündner Pässen.

Durch den Bau der römischen Staatsstraße Via Claudia Augusta, die in Altinum am Po beginnend, über Trient, Bozen, den Vinschgau und den Reschenpass nach Nordtirol und in der Folge nach Augsburg (Augusta Vindelicorum) weiterführte, wurde eine wichtige Nord-Südverbindung geschaffen.

Im Gegensatz zum Streckenabschnitt in Nordtirol waren im Vinschgau lange Zeit weder der detaillierte Verlauf dieser wichtigen Magistrale noch die zugehörige Infrastruktur exakt lokalisierbar.

Erst im Jahr 2008 konnten eindeutige Siedlungsspuren im Talbodenbereich nachgewiesen werden. Auf Malser Gemeindegebiet im Oberen Vinschgau wurden im Zuge der Maßnahmen zur Einrichtung einer großflächig angelegten Beregnungsanlage auf engstem Raum drei bisher völlig unbekannte römerzeitliche Siedlungen angeschnitten. Hierzu zählen eine von den Ausgräbern als Straßenstation interpretierte Siedlung auf der Malser Haide knapp unterhalb des Haider Sees, eine weitläufige Niederlassung hinter dem Dorf Laatsch am Eingang zum Tauferer Tal und Gebäudereste in Mals bei der Kirche des hl. Benedikt.

Seit Februar 2011 beschäftigt sich ein am Institut für Archäologien /Fachbereich Provinzialrömische Archäologie angesiedeltes Forschungsprojekt mit der Auswertung der Grabungsergebnisse. Die veränderte Quellenlage ermöglicht eine Neubeurteilung der römerzeitlichen Siedlungsgenese des Vinschgaus, die im Zuge des Forschungsvorhabens im Besonderen für die Siedlungskammer Mals vorgenommen werden soll. Kernpunkt der Untersuchungen, die in Kooperation mit dem Amt für Bodendenkmäler Bozen durchgeführt werden, bildet die neu entdeckte Siedlungsstelle beim Paulihof im Zentrum von Mals (G.P. 141 K.G. Mals), die in zwei Grabungskampagnen in den Sommermonaten 2011 und 2012 flächig ergraben werden konnte. Auf ca. 800 m² wurde dabei der Teilbereich einer mehrperiodischen ländlichen Siedlung im hochalpinen Raum freigelegt, die vom letzten Drittel des 1. Jahrhunderts n. Chr. bis weit in das 5. Jahrhundert. n. Chr. hinein bestanden hat. Anhand der gewonnenen Grabungsdaten lassen sich exemplarisch die relevanten Siedlungsabläufe im Arbeitsgebiet nachvollziehen.

Ein Forschungsschwerpunkt innerhalb des Projektes sind topografische Überlegungen zum Trassenverlauf der Via Claudia Augusta sowie den damit verbundenen Infrastruktureinrichtungen, die gerade im Raum Mals als wichtigen Verkehrsknotenpunkt vorhanden gewesen sein mussten. Hier trafen sich nämlich die Via Claudia Augusta und eine vorwiegend ab spätantik/frühmittelalterlicher Zeit bedeutsame West-Ost-Verbindung, die von Chur über mehrere Alpenpässe führte und bei der neu entdeckten Fundstelle hinter Laatsch in den Vinschgau mündete.

Derzeit findet die Vorbereitung der Endpublikation statt.


Literatur:

H. Steiner, Neue archäologische Entdeckungen im Oberen Vinschgau: Römerzeit und Frühmittelalter, in: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Pfalz – Kloster – Klosterpfalz St. Johann in Müstair. Historische und archäologische Fragen. Tagung 20.–22. September 2009 in Müstair. Acta Müstair, Kloster St. Johann 2 (Zürich 2010) 29–52.

H. Steiner/I. Harb, Römische Straßenstation an der Via Claudia Augusta auf der Malser Haide (Vinschgau). Vorbericht, in: G. Grabherr/B. Kainrath (Hrsg.), conquiescamus! Longum iter fecimus. Römische Raststationen und Straßeninfrastruktur im Ostalpenraum. Akten der Kolloquiums zur Forschungslage zu römischen Straßenstationen, Innsbruck 4.und 5. Juni 2009. Ikarus 9 (Innsbruck 2010) 190–213.

Stephan Leitner, Streifzug durch die römerzeitliche Vergangenheit des Vinschgaus. Südtirol in Wort und Bild Jahrg. 56/1, 2012, 8-15.

Stephan Leitner, Ein Leben an der Straße. In: S. Hye/A. Naso (Hrsg.), Atrium - Aktuelle Forschungen des Zentrums für alte Kulturen 2011, 21.

Stephan Leitner, Die Römer im Oberen Vinschgau. Ein Beitrag zur Siedlungstopografie einer alpinen Gebirgsregion (in Druckvorbereitung für 2013).

H. Steiner/G. Grabherr/S. Leitner, Mals Paulihof. In: Denkmalpflege in Südtirol 2011 (Bozen 2013) 162–164.

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