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2. Bedingungslose Zuwendung des gewaltfreien Gottes zum gewaltverhafteten Menschen

Wie die meisten Autoren der Gegenwart, geht Schwager von der Grundannahme aus, das erlösende Handeln Gottes ereigne sich in der jesuanischen Verkündigung und seiner Praxis. Die Basileia-Botschaft entscheidet über die inhaltlichen Konturen eines radikal gewaltfreien Gottesbildes, in ihr wird die Beziehung Gottes zum Sünder ­ als bedingungslose Feindesliebe Gottes, die dem schwachen, verlorenen und ausgegrenzten Menschen nachgeht und ihn zu integrieren sucht ­ radikal zum Ausdruck gebracht, in ihr wird auch das Bild des »erlösten« Lebens in einer Gemeinschaft, in der das Böse und die Gewalt radikal überwunden wurden, gezeichnet.(13)

Die Antwort auf die Frage, ob die »Gottesherrschaft« mitten in einer unerlösten, von der Gewalt gezeichneten Welt greifbar ist, kann auf vielfältige Spuren gerade im Kontext des jesuanischen Lebens hinweisen; mit der Thematisierung dieser Spuren weiß sich Schwager mit den meisten Exegeten und Systematikern der Gegenwart einig.(14)Die Frage, die Schwager aber nicht ganz unter den Tisch fallen lassen will, betrifft die Annahme dieser Impulse durch die Menschen. Weil der allen Menschen zugewandte, gewaltfreie Gott und die Gemeinschaft dieser Menschen nicht nur nachträglich einander zugeordnet werden dürfen, stellt sich die Frage nach dem Ort, an dem die bedingungslose Zuwendung Gottes zum Sünder Wirklichkeit wird, mit ganzer Schärfe. Im Kontext der bedingungslosen Basileia-Botschaft stellt damit die empirisch feststellbare Gewalt nicht nur eine ethische Herausfoderung dar, sie bleibt ein theologischer Stachel im Fleisch dieser Botschaft selbst. Der Teufelskreis von Lüge und Gewalt wird für Schwager zum theologischen Inbegriff der Sünde; er verbaut den Zugang zu Gott! Welchen Sinn hat dann aber die Redeweise von einer bedingungslosen Zuwendung Gottes zum Sünder?

Mit solchen inhaltlichen Zuspitzungen bleibt Schwager nun auf weiten Strecken in der gegenwärtigen Diskussion allein. Für die meisten Autoren der Gegenwart bleibt das durch die Basileia-Botschaft vermittelte Heil theologisch, aber auch biographisch und politisch das letzte Wort einer Erlösungslehre: Jenen, die sich auf Jesu Verkündigung und Reich-Gottes-Praxis einließen und einlassen, wird eine erlösende und befreiende Gotteserfahrung zuteil. Daran kann weder die Tatsache der historischen Verurteilung Jesu durch die Machthaber dieser Welt noch sein gewaltsamer Tod etwas ändern. Diese werden zwar oft als Konflikte politischer, religiöser, ja sogar theologischer Art (als Auseinandersetzung um das Gottesbild) beschrieben, für die Thematisierung dessen, was Gottesherrschaft sei, bringen sie aber nichts Neues hinzu. Sie bilden die von außen her kommenden Gewalthindernisse, an denen der Retter und die sich von ihm Rettenwollenden nur noch zu bewähren haben. Der gewaltsame Tod Jesu selbst wird theologisch meistens im Kontext der Frage nach seiner Gottverbundenheit gedacht; Ostern zeigt den meisten Autoren unmißverständlich an, daß der Heilswille Gottes sich gegen alle Machthaber dieser Welt, die beanspruchen, den göttlichen Willen an einem Gotteslästerer zu vollstrecken, als die letzte Instanz der Geschichte beweise.

Die Frage, die spätestens jetzt aufzuwerfen ist, lautet: Hat dieser Erweis der göttlichen Macht selber auch etwas mit Gewalt zu tun und wenn ja, dann auf welche Art und Weise? Was muß mit den Machthabern dieser Welt ­ geschehen, damit die Hoffnung auf das Heil auch die Befreiung vom Teufelskreis von Lüge und Gewalt beinhaltet? Vor allem dann, wenn nur jene dieses Heils teilhaftig werden, die sich auf die Basileia ­ und zwar entgegen all den Machthabern dieser Welt ­ eingelassen haben, einlassen und einlassen werden? Konzipiert man die Erlösung als eine Erlösung für die Nachfolgenden und durch die Nachfolgenden, so gibt es diese nur auf Kosten der Erniedrigung oder gar Vernichtung der Nichtnachfolgenden. Dies ist aber nicht die Erlösung vom Teufelskreis von Lüge und Gewalt. Sie verbleibt im Rahmen desselben; ihr Verständnis bleibt dem Mechanismus des Sündenbocks verpflichtet, oder es wird nichtssagend fromm. Ein solches Bild der Erlösung hat einige Kirchenväter zur Beschreibung der Freude der Erlösten im Himmel auf Kosten der Verzweiflung der Verdammten in der Hölle animiert; uns läßt es das Bild eines eschatologischen Befreiungskrieges erhoffen oder auch befürchten.

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