Konferenzen

Internationale Forschungskonferenz 
Die Wirklichkeit lesen – Political Literacy in der Migrationsgesellschaft

Donnerstag, 24. Oktober 2019, 14:00 – 17:45 Uhr
19:00 – 21:00 Uhr Abendvortrag mit Prof. Dr. Roland Reichenbach
Haus der Begegnung, Rennweg 12, Innsbruck

Freitag, 25. Oktober 2019, 9:00 – 16:00 Uhr
Universität Innsbruck, Institut für Erziehungswissenschaft, Kursraum im
Erdgeschoß, Liebeneggstraße 8, A-6020 Innsbruck

Das Konferenzprogramm im Detail

Die Forschungskonferenz wurde im Rahmen des D-A-CH-Projektes „Political Literacy in der Migrationsgesellschaft – PLIM“ veranstaltet.

Internationale Tagung [ Zürich, Bielefeld, Innsbruck ]
Migration, Bildung und das Politische

Donnerstag, 10. Juni, 13:00 - 19:00 Uhr
online (Zoom)

Freitag, 11. Juni, 09:00 - 14:00 Uhr
online (Zoom)

Anmeldungen bitte an
n.burri@ife.uzh.cch

Das Konferenzprogramm im Detail

Die Forschungskonferenz wird im Rahmen des D-A-CH-Projektes „Political Literacy in der Migrationsgesellschaft – PLIM“ veranstaltet. 

 

Aufmachertext zur Internationalen Tagung Migration, Education, and the Political Sphere

Nach Jahrzehnten der zunehmenden globalen Vernetzung, welche einerseits durch technologische Entwicklungen vorangetrieben worden ist, und andererseits durch eine Politik, welche die Märkte weltweit für Handel und Investitionen geöffnet und Arbeits- wie Bildungsmigration befördert hat, entstehen nicht erst mit der Corona- Pandemie auf allen Kontinenten politische Kräfte im Zeichen und mit der Orientierung der De-Globalisierung und Re-Nationalisierung. Das Unbehagen an der Globalisierung wird durch das neue Unbehagen an der De-Globalisierung ersetzt bzw. ergänzt. Beide Tendenzen kennen sowohl destruktive als auch konstruktive Erscheinungsformen. Zu diesen gehören die Intensivierung von Wirtschaftsbeziehungen wie auch das Aufblühen des nationalen Protektionismus, eine neue Mobilisierung und nie dagewesene Mobilität, die Vermehrung transnationaler Räume ebenso wie die Hinderung der Bewegungsfreiheit durch neue/alte nationale oder supranationale Grenzregime, die Verschärfung von Landnahme, Ressourcenverbrauch und Klimawandel, aber auch die Bemühung, dieselben mit internationalen Abkommen zu mildern. Die damit verbundenen politischen, ökonomischen und ethischen Probleme (Konflikte) und Ambivalenzen stellen eine Herausforderung für die demokratische und politische (Grund-) Bildung aller Mitglieder der als Migrationsgesellschaft kennzeichenbaren Gegenwartsgesellschaft dar. Migration ist zwar kein ausschließlich modernes Phänomen; gleichwohl gelten gegenwärtig spezifische Bedingungen: Noch nie waren weltweit so viele Menschen bereit, aufgrund von Umweltkatastrophen, (Bürger-) Kriegen und anderen Bedrohungen gezwungen und aufgrund der technologisch bedingten Veränderung von Raum und Zeit in der Lage, ihren Arbeits- oder Lebensmittelpunkt auch über große Distanzen hin zu verändern: Wir leben, so die mittlerweile breit geteilte Diagnose, im Zeitalter der Migration (Stephen Castles). Dass grenzüberschreitenden Wanderungsbewegungen für Gesellschaften und Individuen weltweit gegenwärtig eine besondere Bedeutung zukommt, hängt hierbei auch mit der nicht zuletzt aufgrund von Migrationsphänomenen expandierenden, programmatisch ‚modernen‘ Idee zusammen, dass Menschen befugt und in der Lage sind, Einfluss auf ihr eigenes, nicht zuletzt auch mit dem jeweiligen geographischen, ökologischen, politischen und kulturellen Ort verbundenes Schicksal zu nehmen. Die globale Gegenwart geht auch damit einher, dass Menschen verstärkt deshalb Grenzen politischer Ordnungen überschreiten, weil sie nicht nur davon ausgehen, dass sie dies könne, sondern auch, dass Ihnen dies zusteht. Migration ist somit nicht allein ein Prozess des Überschreitens von (z.B. nationalen) Grenzen, sondern ein Phänomen, das die Thematisierung von symbolischen und materiellen Grenzen der Zugehörigkeit nach sich zieht, welche dadurch problematisiert, gestärkt und zuweilen auch überhaupt erst erschaffen werden. Gerade weil Migrationsphänomene gesellschaftliche und institutionelle Wirklichkeiten sowohl mit Bezug auf funktionale wie normative Aspekte in Frage stellen, geht mit diesen einher, dass die politische Dimension des Sozialen besonders deutlich in Erscheinung tritt.
Das „Politische“ – im Gegensatz zur Politik als systemischfunktionaler Zusammenhang des Staatsapparates und seiner Institutionen – kann hierbei als eine grundlegende Dimension des Sozialen verstanden werden, in der die Auseinandersetzungen um die Angemessenheit und Legitimität der sozialen Ordnung durch Be-Gründungen stattfinden (vgl. etwa Marchart 2010). Das Politische verweist auf Auseinandersetzungen, Einsätze und Kämpfe um die Frage der „allgemeinen guten Ordnung“. Auch deshalb zeigt sich auf der Ebene der öffentlichen und medialen Diskurse sich eine komplexe Gemengelage von Motiven und Gründen der Anerkennungs- und Verteilungskämpfe zwischen sozialen Gruppen, kulturellen Milieus, zwischen Ein- und Mehrheimischen, während die Handlungsmöglichkeiten der Individuen auf der Ebene der Lebenswelt von systemischen Widersprüchen und De- respektive Privilegierungserfahrungen gekennzeichnet sind. Während das Ideal der öffentlichen Auseinandersetzung und Diskursivität weiterhin die Existenz oder wenigstens die Möglichkeit einer res publica voraussetzt respektive unterstellt, kann eine gemeinsame Welt weniger in ihrer Faktizität als vielmehr nur ihrer Normativität, Fiktionalität oder auch Widersprüchlich- keit verstanden, behauptet und vielleicht verteidigt werden. Der medial verstärkte Oberflächenrealismus und zahlreiche ideologische „Vereindeutigungstendenzen“ in Politik und Kultur bezeugen eine migrations- gesellschaftliche Krise der Imagination, welche im Kern sowohl eine Krise des Politischen als auch eine Krise der Bildung darstellt. Sie fordert heraus Gesellschaft neu zu denken, einen Umgang mit den Verschiedenen zu finden, Solidaritäten zu entwickeln, die nicht auf die uns jeweils ähnlichen beschränkt bleiben, wie insgesamt den Möglichkeitssinn und die Vorstellungskraft zu befördern hinsichtlich dessen, was heute noch das Politische sein könnte. Damit verbunden ist ein Nachdenken über Bildung und Erziehung in der Migrationsgesellschaft, das sich deren Ambivalenzen stellt und ihren politischen Potentialen zu nähern sucht.
Die internationale Tagung stellt den Abschluss des tri-nationalen – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) und dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) unterstützten – Forschungsprojekts Political Literacy in the Migration Society (2018-2021) dar und ist der grundsätzlichen Befragung des Politischen und der Bildung in der Migrationsgesellschaft gewidmet.

Prof. Dr. Paul Mecheril (Universität Bielefeld) Prof. Dr. Michaela Ralser (Universität Innsbruck) Prof. Dr. Roland Reichenbach (Universität Zürich) Prof. Dr. Erol Yildiz (Universität Innsbruck)

 

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