Verschwörungstheorien

Wie ist es möglich, dass Menschen an die wildesten Verschwörungen glauben?

Wintersemester 2021/22: Markus Bertsch und Lina Süss

”Die Mondlandung fand nie wirklich statt – sie wurde in Hollywood gedreht.“ ”Die Erde
ist eine Scheibe.“ ”Impfen tötet.“ ”An allem sind die Juden schuld.“
Das sind einige von vielen Verschwörungstheorien, die heutzutage in der Welt kursieren.
Die Menschheitsgeschichte ist eng verknüpft mit solchen und anderen Mythen. Durch
Verschwörungstheorien wurden Kriege begründet, Menschen verfolgt und Gesellschaften gespaltet.
Aber wie kann erklärt werden, dass Menschen an diese skurrilen Konstrukte glauben und durch
sie beeinflusst werden? Für viele Menschen mögen diese Behauptungen realitätsfern erscheinen.
Jedoch gibt es einige, die sich von diesen Mythen beeinflussen lassen und ihnen Vertrauen schenken.
Mit Hilfe von Biases wollen wir die Welt der Verschwörungstheorien genauer durchleuchten
und Licht ins Dunkle bringen (Franzetti 2020).

Die Zusammenhänge in der Welt sind für Anhänger von Verschwörungstheorien zu
komplex, deshalb versuchen sie die Realität einfach und verständlich zu erklären. Bei
diesen Vereinfachungsprozessen werden wesentliche Informationen nicht berücksichtigt
und somit falsche Schlüsse gezogen. Bspw. wurde die Welt im Mittelalter als Scheibe
gesehen, da dies die einfachste Lösung für die damalige Zeit war. Die Menschen sahen
den Horizont als ”Ende der Welt“ und somit musste die Erde eine Scheibe sein. Jedoch
wurde dies durch wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegt. Heutzutage gibt es immer
noch Menschen, die daran glauben, dass die Erde eine Scheibe ist. Dies mag aufgrund der
heutigen Informationslage und deren einfachen Zugänglichkeit erstaunen. Mit Hilfe der
folgenden Biases versuchen wir, dem auf den Grund zu gehen.

Der Confirmation-Bias kann hierbei eine Rolle spielen. Die Anhänger von
Verschwörungstheorien informieren sich überwiegend in Blasen von Gleichgesinnten.
Besonders beliebt sind dabei soziale Medien wie Facebook, Telegram oder auch YouTube,
auf denen sich Halbwissen angeeignet wird. Problematisch hierbei ist, dass die Algorithmen
der sozialen Medien auf ähnliche Beiträge aufmerksam machen und man somit weiter in
diesen Teufelskreis der Fehlinformation gezogen wird. Hierdurch fühlen sich die Individuen
weiter bestätigt. Andere Informationsquellen, die andere Meinungen beinhalten, werden
ausgeblendet (Oswald & Grosjean 2004, Dunning 2011, Jahng 2021).

Die Informationen sind meist einfach zugänglich und zahlreich vorhanden. Andere
Meinungen werden dabei nicht berücksichtigt, bzw. werden diese gar nicht erst angezeigt.
Somit sind andere Sichtweisen nicht verf ¨ ugbar. Die vorhandene Information wird
übergewichtet, wodurch eine Verfügbarkeitsheuristik entsteht (Schwarz et al. 1991, Folkes
1988). Die Kreise der Verschwöungstheoretiker bestehen hauptsächlich aus Gleichgesinnten.
Andere Meinungen sind nicht willkommen. Der Freundeskreis wird auf die gleiche
Weltanschauung beschränkt. Hierdurch werden Feindbilder geschaffen. Wird in dieser Blase
bspw. davon gesprochen, dass ”Juden die Weltherrschaft“ erlangen wollen, so tendieren die
Gruppenmitglieder eher dazu, dies als wahr anzunehmen. Je mehr Menschen einer Idee
folgen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen dieser Idee ebenfalls
folgen. Dies kann mit dem Mitläufereffekt erklärt werden (Schmitt-Beck 2015, Wang et al.
2015).

Betrachtet man die Reichweite dieser Blasen, dann spielen soziale Medien eine große
Rolle. Auf diesen Kanälen präsente Verschwörungstheoretiker können ihren Einfluss
erweitern und ihre Behauptungen verbreiten. Dabei muss kein Fachwissen vorhanden
sein, um diesen Personen Glauben zu schenken. Ein Beispiel dafür ist der Sänger Xavier
Naidoo, der ein fanatischer Verfechter von diversen Verschwörungstheorien ist. Bereits als
Sänger hatte dieser eine große Reichweite. Menschen, die seine Musik schätzen, schließen
fälschlicherweise auf seine Glaubwürdigkeit in anderen Themengebieten. Wenn dieser über
Corona etc. postet, so wird ihm Glauben geschenkt, obwohl er dazu keinerlei Expertise
hat. Dieses Phänomen kann mit dem Halo-Effekt beschrieben werden, bei dem von einer
Fähigkeit auf weitere Fähigkeiten geschlossen wird (DerStandard 2021, Gabrieli et al. 2021).

Es gibt noch zahlreiche weitere Biases mit denen die Existenz und die Verfestigung von
bizarren Verschwörungen erläutert werden können. Auffällig hierbei ist, dass sich Personen,
die an Verschwörungstheorien glauben, überwiegend in gleichgesinnten Gruppen aufhalten.
Es werden dann nur mehr Informationen verarbeitet, die die eigene Weltanschauung
bestätigen, andere Informationsquellen werden ausgeblendet. Soziale Medien spielen bei
diesen Prozessen eine besondere Rolle. Die Algorithmen von sozialen Medien sind so
programmiert, dass nur mehr Meldungen angezeigt werden, die zur eigenen Gesinnung
passen. Hierdurch enden die Verschwörungstheoretiker in einer ”falschen Wirklichkeit“
(Jahng 2021, Pulido et al. 2020).

Schlussendlich glauben diese Menschen die skurrilsten Geschichten, da sie sich
nicht die Mühe machen, um nach anderen Meinungen bzw. Darstellungen zu suchen.
Wahnwitzige Verschwörungstheorien zu glauben ist für unsereins nicht nachvollziehbar.
Verhaltenswissenschaftlichen Effekte können Erklärungsansätze liefern, weshalb
Verschwörungen auf so viel Resonanz treffen. Jedoch stoßen diese Erklärungsansätze auch
an ihre Grenzen und können nicht jede Verschwörungstheorie erklären. Manchmal ist der
Fanatismus eines Verschwörungstheoretikers manchmal vielleicht doch eher durch eine
psychische Erkrankung, als durch einen Bias zu erklären (Klosterkötter 2020, Semle et al.
2021).


Literatur

DerStandard (2021), ‘Xavier Naidoo: Geimpfte schuld an baldiger Zombie-Apokalypse’, Der
Standard 24.11.2021.URL: https://www.derstandard.at/story/2000131380255/xavier-naidoo-geimpfteschuld-
an-der-baldigen-zombie-apokalypse

Dunning, D. (2011), The dunning–kruger effect: On being ignorant of one’s own ignorance,
in ‘Advances in Experimental Social Psychology’, Vol. 44, Elsevier, pp. 247–296.

Folkes, V. S. (1988), ‘The availability heuristic and perceived risk’, Journal of Consumer
research 15(1), 13–23.

Franzetti, A. (2020), ‘Alternative wirklichkeiten? wie fake news und verschwörungstheorien
funktionieren und warum sie aktualität haben’, ComSoc Communicatio Socialis
53(3), 413–414.

Gabrieli, G., Lee, A., Setoh, P. & Esposito, G. (2021), ‘An analysis of the generalizability and
stability of the halo effect during the covid-19 pandemic outbreak’, Frontiers in Psychology
12, 547.

Jahng, M. R. (2021), ‘Is fake news the new social media crisis? examining the public
evaluation of crisis management for corporate organizations targeted in fake news’,
International Journal of Strategic Communication 15(1), 18–36.

Klosterkötter, J. (2020), ‘Verschwörungstheorien: Ein fall für die psychiatrie?’, Fortschritte
der Neurologie· Psychiatrie 88(10), 640–643.

Oswald, M. E. & Grosjean, S. (2004), ‘Confirmation bias’, Cognitive Illusions: A Handbook
on Fallacies and Biases in Thinking, Judgement and Memory 79.

Pulido, C. M., Ruiz-Eugenio, L., Redondo-Sama, G. & Villarejo-Carballido, B. (2020), ‘A new
application of social impact in social media for overcoming fake news in health’,
International Journal of Environmental Research and Public Health 17(7), 2430.

Schmitt-Beck, R. (2015), ‘Bandwagon effect’, The international Encyclopedia of Political
Communication pp. 1–5.

Schwarz, N., Bless, H., Strack, F., Klumpp, G., Rittenauer-Schatka, H. & Simons, A. (1991),
‘Ease of retrieval as information: Another look at the availability heuristic.’, Journal of
Personality and Social psychology 61(2), 195.

Semle, R., Raab, M. et al. (2021), Da kann doch kein mensch gesund bleiben.
gesundheitsbezogene verschwörungstheorien in subjektiven theorien über gesundheit
und krankheit–eine untersuchung mit der heidelberger struktur-lege-technik, in ‘Forum
Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research’, Vol. 22.

Wang, K. C., Lai, C.-M., Wang, T. & Wu, S. F. (2015), Bandwagon effect in facebook
discussion groups, in ‘Proceedings of the ASE BigData & SocialInformatics 2015’, pp. 1–6.

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