Ukraine Krieg – Was bedeutet der Konflikt für die gesetzten Klimaziele?

Im jüngsten Weltklimabericht warnt Jim Skea die Klimapolitik, dass beim aktuellen Stand die globale Erwärmung nicht mehr auf 1,5°C begrenzt werden kann. Dafür müssen sofortige und tiefgreifende Emissionssenkungen in allen Sektoren erfolgen (Schulzki-Hassouti, 2022).

Sommersemester 2022: Herbert Breitfuß, Jonas Schmidel, Marion Schwienbacher

 

Mit der neu gewählten Ampelkoalition hat Bundeskanzler Scholz noch vor einigen Monaten mit großen Ambitionen verkündet: „Wir wollen mehr Fortschritt wagen. Mit Ehrgeiz und Beharrlichkeit werden wir unser Land zum Vorreiter beim Klimaschutz machen“ (Scholz, 2021). Nur kurze Zeit später mussten diese Prioritäten durch den entstandenen Konflikt, zwischen der Ukraine und Russland, verschoben werden. Nun steht die Suche nach Ersatz für russische Energieträger, um die Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten, an erster Stelle. Was das für die gesetzten Klimaziele bedeutet und ob diese noch erreichbar sind, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Sicherheitspolitik und Klimaschutz – Was steht an erster Stelle?

Im jüngsten Weltklimabericht warnt Jim Skea die Klimapolitik, dass beim aktuellen Stand die globale Erwärmung nicht mehr auf 1,5°C begrenzt werden kann. Dafür müssen sofortige und tiefgreifende Emissionssenkungen in allen Sektoren erfolgen (Schulzki-Hassouti, 2022). Deutschland selbst verfehlt, laut Angaben des Umweltbundesamtes, die gesetzten Klimaziele um Längen. In Abbildung 1 ist deutlich der Rückgang an erneuerbarer Energie bei der Stromerzeugung erkennbar (Umweltbundesamt, 2022).

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Abbildung 1: Anteile erneuerbare Energieträger in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr 

Nun wurden als Reaktion auf Putins Krieg, scharfe Sanktionen verhängt, die auch erste Importstopps für fossile Brennstoffe aus Russland beinhalten. Die deutsche Politik hat sich zwar lange auf den zuverlässigen Lieferanten verlassen, da selbst in Zeiten des Kalten Krieg immer Rohstoffe geliefert wurden. Jetzt hat sich die Lage geändert und Scholz sucht nach anderen Optionen. Dabei wird überlegt, anders als bei Atomkraftwerken, ob eigene Kohlekraftwerke bei Bedarf wieder Energie produzieren sollen. Trotzdem soll der vollständige Kohleausstieg weiterhin für das Jahr 2030 angepeilt werden. 2026 soll erneut über das weitere Vorgehen entschieden werden (Teigeler, 2022).

Schaut man klimatechnisch in die Ukraine, deckt dieses Land ca. 30% des eigenen Strombedarfs durch Steinkohle. Erst 2020 hat Kiew sich dazu entschieden sich am Green Deal der EU zu beteiligen und so gemeinsam mit den anderen EU-Ländern das Ziel zu erreichen, Europa zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen. Laut Astrid Sahm, von der Stiftung Wissenschaft und Politik, bedeutet der Krieg „das vorläufige Aus für diese Bemühungen und stellt auch sämtliche Ansätze für eine Klimakooperation zwischen Russland und dem Westen in Frage“ (Kraa, 2022). Durch den anhaltenden Krieg werden internationale Kooperationsformate und Vereinbarungen ausgesetzt, oder zumindest negativ beeinträchtigt. Schon Ende 2021 stimmte Russland und Indien gemeinsam dagegen, den Klimawandel als Bedrohung für internationalen Frieden und Sicherheit einzustufen (Kraa, 2022). Doch auch in Russland macht der Klimawandel keinen Halt. Zunehmende Waldbrände und Überflutungen, sowie das Auftauen der Permafrostböden, bedrohen das Land. Gerade die Permafrostböden, auf denen unzählige Häuser gebaut werden, verlieren durch das Abtauen immer mehr an Struktur. Es wird damit gerechnet, dass 90% dieser Häuser nicht mehr bewohnbar sein werden. Trotzdem sieht Putin im Klimawandel auch viele positive Aspekte: Weniger lange Heizperioden, wodurch Energiekosten sinken, sowie neues Ackerland, das bewirtschaftet werden kann (Volker, 2001).

Da der Klimaschutz als öffentliche Gut definiert werden kann, gleicht das Verhalten von Putin einem Trittbrettfahrer und handelt somit nicht Pareto effizient. Sprich, Russland profitiert von den Maßnahmen der CO2-Reduktion anderer Staaten, ohne selbst etwas beizutragen. Freeriden jedoch mehrere oder sogar alle Staaten, um ihr individuelles Nash-Gleichgewicht zu erreichen, so würde keiner zur Verbesserung unseres Klimas beitragen. Wieso handeln jedoch viele Staaten rücksichtslos? Viele Staaten (oder auch Bürger) ziehen den kurzfristigen (meist niedrigeren) Nutzen vor und überschätzen somit gegenwärtige Ereignisse öfter als zukünftige.

Alles in allem haben Kriege auch immer einen direkten negativen Einfluss auf das Klima. Das Fluten von Bergwerken in der Ostukraine sorgte schon 2014 dafür, dass das Grundwasser regional verseucht wurde, sowie Bodenabsenkungen zur Folge hatten, was wiederrum Häuser, Straßen und Versorgungsnetze gefährdete. Auch die eingesetzte Militärtechnik, wie Kampfhubschrauber, Jets, Panzer, usw. haben einen enormen Kraftstoffverbrauch und belasten damit die Umwelt durch weitere schädliche Emissionen. Zudem bleibt die Gefahr bestehen, dass bei gezielter Bombardierung auf Atomkraftwerke, radioaktive Partikel in die Umwelt gelangen, die ungeahnte Auswirkungen für Mensch und Natur innehaben.

Gerade Deutschland kann die Frage, ob der Angriffskrieg Russlands Auswirkungen auf die Klimaziele haben wird, noch nicht vollends beantworten. Eins steht aber fest: Deutschland will unabhängig von Russlands fossilen Brennstoffen werden und greift daher auf andere Länder, sowie die eigenen Kohlekraftwerke und möchte zudem eine schnellere Energiewende herbeiführen. Dadurch das Kohlekraftwerke weiterhin im Reserve-Betrieb weiterlaufen sollen, scheint der geplante Ausstieg nicht mehr umsetzbar. Ein Lichtblick scheint eine Energiewende im Eiltempo, oder auch in „Tesla-Geschwindigkeit“, wie es Robert Harbeck betitelt, zu sein (Polansky, 2022). So sollen beispielsweise Genehmigungsverfahren für Windräder, oder Stromtrassen beschleunigt werden.

Insgesamt betrachtet sollte unsere Aufmerksamkeit, trotz der erschütternden Ereignisse, die wir derzeit erleben, immer auch auf unterschiedliche Krisen, Konflikten und Herausforderungen gleichzeitig gerichtet sein. Während in der Ukraine Mitte April über 5 Millionen Menschen auf der Flucht sind (RND, 2022), geht die EU-Kommission davon aus, dass in den nächsten 30 Jahren, aufgrund von Wüstenbildung, bis zu 700 Millionen Menschen Ihre Heimat verlassen müssen. Forscher warnen daher eingehend davor, jetzt die gesteckten Klimaziele fallen zu lassen (Krauss, 2022).

Literaturverzeichnis

Kraa, M. (28. 02 2022). BR24. Von https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/ukraine-krieg-was-bedeutet-der-konflikt-fuer-den-klimaschutz,SyGd2bS abgerufen

Krauss, F. (22. 03 2022). Nürnberger Menschenrechtszentrum. Von https://www.menschenrechte.org: https://www.menschenrechte.org/blog/krieg-in-der-ukraine-und-klimawandel-teil-i/ abgerufen

Polansky, M. (10. 03 2022). Tagesschau. Von https://www.tagesschau.de: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/energiewende-ukraine-krieg-energie-embargo-101.html abgerufen

RND. (16. 03 2022). RND. Von https://www.rnd.de: https://www.rnd.de/politik/ukraine-fluechtlinge-in-zahlen-wie-viele-menschen-sind-bisher-gefluechtet-F4IQP5BJZNGF7ML2J4LZQMAYZ4.html abgerufen

Scholz, O. (24. 11 2021). Vorstellung des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Von https://www.spd.de/aktuelles/detail/news/wir-wollen-mehr-fortschritt-wagen/24/11/2021/ abgerufen

Schulzki-Hassouti, C. (04. 04 2022). Riffreporter. Von https://www.riffreporter.de: https://www.riffreporter.de/de/umwelt/weltklimabericht-ipcc-april-2022-klimawandel-politik-klimaschutz-loesungen-wgiii abgerufen

Teigeler, M. (14. 04 2022). WDR. Von https://www1.wdr.de: https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kohlekraftwerke-landesregierung-100.html abgerufen

Umweltbundesamt. (09. 02 2022). Umweltbundesamt. Von https://www.umweltbundesamt.de: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgasminderungsziele-deutschlands#nationale-treibhausgasminderungsziele abgerufen

Volker, M. (18. 07 2001). Deutschlandfunk. Von https://www.deutschlandfunk.de: https://www.deutschlandfunk.de/die-moeglichen-folgen-einer-klimaerwaermung-am-beispiel-von-100.html abgerufen

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