Nudging and Sludging im Gambling - Das Ende der Spielsucht oder ein Spiel mit dem Feuer?

Inwiefern können Nudges das Spielverhalten beeinflussen?

Wintersemester 2021/22: Florian Ungerank und Sarah Scharnagl

Es scheint so, als würde die Welt immer komplizierter werden, da immer mehr Verantwortung verlangt wird, sei es etwa bei Wahl der Krankenversicherung oder bei der Frage nach der Sparmethode für die Rente (1). Jedes Individuum ist also tagtäglich mit vielen Entscheidungen konfrontiert, ob es will oder nicht. Selbst bei der Wahl des heutigen Mittagessens muss es sich beispielsweise zwischen dem Salat oder der Pizza entscheiden. Wenn jedoch in der Kantine sowohl der Weg als auch die Schlange zur Salatbar kürzer ist, so kommt die Frage auf ob sich das Individuum nun eher für die gesündere Alternative entscheiden würde? (2).

Eine solche scheinbar, schnellere Handlungsalternative kann als „Nudge“ bezeichnet werden. Gemäß Thaler und Sunstein (2008) versteht sich darunter eine Maßnahme, mit welcher das Verhalten von Individuen in vorhersehbarer Weise verändert werden kann, ohne, dass andere Möglichkeiten gänzlich ausgeschlossen werden. D.h. dem Individuum werden noch immer alle Handlungsoptionen zur Verfügung gestellt, jedoch „schubst“ man es durch die gegebene Entscheidungsarchitektur in eine bestimmte Richtung, welche das Wohl des Individuums verbessern kann (2).

Nudges kommen jedoch nicht nur in alltäglichen Situationen vor, sondern können auch im Bereich des Glücksspiels iSv Gambling in Spielbanken eine Rolle spielen. Dies ist vor allem relevant, wenn es um Spielsucht geht, welche ein großes gesellschaftliches Problem darstellt. So hatten die USA im Jahr 2016 mit über 450 US-Dollar die fünfthöchsten Verluste pro erwachsenem Einwohner, was global gesehen dem höchsten Gesamtverlust pro Land mit 116,9 Milliarden US-Dollar entspricht. (3).

Die Frage, welche sich hierbei nun stellt ist, inwiefern können Nudges das Spielverhalten beeinflussen?

Zum einen kann mithilfe von Nudges das Spielverhalten in eine positive Richtung gelenkt werden. Unter einer solchen Art von Nudges, fallen beispielsweise Selbstkontroll-Nudges. Individuen, welche ihr eigenes Verhalten nicht mehr selbst kontrollieren können und befürchten in Zukunft ein exzessives Spielverhalten zu entwickeln, können freiwillig ein Einsatzlimit mit dem Glücksspielunternehmen vereinbaren oder eine Spielsperre beantragen, wodurch der Zugang zu allen Spielbanken im Land gesperrt wird. Eine solche Selbstsperre ist vollkommen freiwillig, somit liegt keine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit durch den Nudge vor (4). Zusätzlich könnte Nudging auch im Onlinemarkt stattfinden, indem Einzahlungen sofort möglich sind, während Auszahlungen mehrere Tage dauern, stornierbar sind, und dadurch die Möglichkeit lassen, die Auszahlung abzubrechen und weiterzuspielen (5).

Zum anderen können Nudges das Spielverhalten jedoch auch negativ beeinflussen, indem Glücksspielunternehmen einen Mindesteinsatz vorgeben. Hier würde es sich anstelle eines Nudges um einen Sludge handeln, da das Individuum nun mit mehr Geld spielen muss, als es ursprünglich vielleicht eingesetzt hätte (5). Hinsichtlich Sludges lasst sich sagen, dass viele überhaupt erst mithilfe von technischer Innovation aufgekommen sind. Wenn man die klassischen einarmigen Banditen, bei denen man jedes Mal aufs neue Geld einwerfen und am Hebel ziehen musste, mit modernen Spielautomaten vergleicht, dann lässt sich feststellen, dass die heutigen Spielautomaten aufgrund der deutlich leichteren Bedienung durch Touchscreens mehr zum Weiterspielen anregen(6).

Sludges sind besonders problematisch, wenn man bedenkt, wieviel Geld in Casinos verloren wird. Allein in Großbritannien wurden zwischen Oktober 2015 und September 2016 1,8 Milliarden Pfund an elektronischen Spielautomaten und 4,5 Milliarden Pfund durch Onlineglücksspielen verspielt (7).

Ob diese Summen weiter steigen, oder sinken, hängt zu einem wesentlichen Teil davon ab, welche Anreize geschaffen werden. Es liegt daher zum einen in der Eigenverantwortung jedes Individuums. Zum anderen in der Rolle des Staates, Nudges zu fördern, und Sludges zu unterbinden, sowie auch in der Aufgabe von Glücksspielunternehmen, indem sie fair und offen durch Aufklärung mit ihrer Kundschaft umgehen.


(1) Thaler, R.H. (2018). Nudge, not sludge. Science,361(6401):431, doi: 10.1126/science.aau9241

(2) Thaler, R. H., & Sunstein, C. R. (2008). Nudge: Improving decisions about health, wealth, and happiness. Const Polit Econ 19, 356-360. https://doi.org/10.1007/s10602-008-9056-2

(4) Bruttel, L. V., Stolley, F., Guth, W., Kliemt, H., Bosworth, S., Bartke, S., Schnellenbach, J., Weimann, J., Haupt, M. and Funk, L. (2014) Nudging als politisches Instrument - gute Absicht oder staatlicher Übergriff? Wirtschaftsdienst, 94 (11), 767-791. ISSN 1613-978X. https://doi.org/10.1007/s10273-014-1748-9

(5) Newall, P. W. S. & Rockloff, M. J. (2021). Promoting safer gambling via the removal of harmful sludge: a view on how behavioural science’s ‘nudge’ concept relates to online gambling. Addiction. Published. https://doi.org/10.1111/add.15700

(6) Newall, P. W. S. (2018). Dark nudges in gambling. Addiction Research & Theory, 27(2), 65–67. https://doi.org/10.1080/16066359.2018.1474206

Websites:
(3) The Economist (2017). The world’s biggest gamblers. https://www.economist.com/graphic-detail/2017/02/09/the-worlds-biggest-gamblers

(7) http://live-gamblecom.cloud.contensis.com/PDF/survey-data/Gambling-industry-statistics.pdf

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