Klebestreifen, die Corona besiegen?

Knapp eine Woche vor Weihnachten und die Einkaufszentren und Geschäfte sind vollgefüllt mit Menschenmassen.

Wintersemester 2020: Christin Oblasser

Ein bisschen unwohl ist mir, wenn ich nach Geschenken für meine Familie und Freunde suche, denn immer wieder fällt mir ein: „Wir sind doch mitten in einer Pandemie!“ oder „Jetzt drängt der hinter mir in der Schlange schon wieder so nach.“ Die Regierung setzt auf Verbote, Restriktionen und Einschränkungen, um den SARS-CoV Virus zu bekämpfen. Das schadet jedoch nicht nur der österreichischen Wirtschaft und kostet Unmengen an Fördergeldern, sondern bedrückt auch Herrn und Frau Österreicher, denn langsam belasten die Ausgangssperren auch die mentale Gesundheit der Bevölkerung. Doch was, wenn es eine viel einfachere Möglichkeit gäbe, Corona zu bekämpfen, ohne Millionen von Euros für die Maßnahmen auszugeben? Was, wenn ich mir nicht mehr Sorgen darüber machen müsste, ob mein Hintermann, dessen Atem ich in meinem Nacken spüre, mich mit Corona ansteckt? Was, wenn endlich alle freiwillig einen Mund-Nasenschutz tragen würden? Sollte so eine Chance nicht sofort ergriffen werden? Ist es möglich, mit einfachen Anregungen, sogenannten Nudges, den Corona Virus zu besiegen und den normalen Alltag wiederherzustellen, nach dem wir uns doch alle so sehnen?

Die Verhaltensökonomie zeigt es vor. Mit Hilfe einfachster Anreize soll auf den Entscheidungsprozess und das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger positiv Einfluss genommen werden, ohne dabei auf Verbote zu setzen oder gar Regeln vorzugeben.1 Können kleine Anstöße, wie beispielsweise Klebestreifen auf dem Boden, die auf den Sicherheitsabstand hinweisen, wahre Wunder bewirken? Claas Christian Germelmann, Leiter eines Forschungsteams, beschäftigt sich mit der spannenden Frage, ob Nudging vor Corona schützen kann. Er erklärt, wie visuelle Anreize helfen können, Social-Distancing Regeln einzuhalten.2 Diese Art des Nudging fällt unter die Kategorie der Warnhinweise und Erinnerungen und soll die Aufmerksamkeit der Zielgruppe erhöhen sowie sie an die gesetzlich vorgeschriebenen Social-Distancing Regelungen erinnern.3 Es soll damit also ganz einfach und ohne großen Aufwand das enge Nachrücken in der Warteschlange an der Kassa vermieden werden. Tatsächlich wurden derartige Maßnahmen sofort umgesetzt. In so gut wie allen Geschäften sind die Böden nun bunt mit den verschiedensten Hinweisen beklebt, von Streifen bis Fußabdrücken, die auf einen Mindestabstand von 1,5 Metern aufmerksam machen.

Doch leider stellt sich heraus, dass die allseits beliebten Aufkleber nicht immer die gewünschte Wirkung haben. Oft ist den Leuten nicht klar, was genau die Streifen anzeigen sollen. Immer wieder stehen manche Kundinnen und Kunden nicht auf, sondern zwischen den Streifen. Germelmann fand zusätzlich heraus, dass nur rund 34 Prozent der beobachteten Personen den visuellen Stimuli folgten und so den vorgesehenen Abstand zu anderen einhielten. Durch die Kombination von aufgeklebten Fußabdrücken und Hinweisschildern konnten 63 Prozent der Probanden zum Einhalten der gesetzlichen Mindestabstände überzeugt werden.3

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Nudging alleine wohl kaum der Erlöser sein wird, der uns endlich aus den Qualen der Pandemie befreien wird. Obwohl, wie in der Studie von Germelmann ersichtlich wurde, kleine „Anstupser“ die Einhaltung von Regeln verbessern, sind die gerade mal knapp 60 Prozent nicht ausreichend, um die Ausbreitung des COVID Erregers zu stoppen. Es wäre jedoch eine deutliche Verbesserung, wenn die Regierung beispielsweise Handlungsempfehlung für Geschäftsinhaber gibt, die anraten, nicht auf Streifen, sondern auf Fußabdrücke und Hinweisschilder zu setzen.

Es wird jedoch meiner Meinung nach nicht möglich sein, anhand einfacher Anreize ganze Menschenmengen immer zu einem gewünschten Verhalten zu animieren, denn Nudges sind und bleiben, was sie schon immer waren: nämlich bloß Hinweise, die Entscheidungen leichter machen, aber Menschen niemals zu dem gewünschten Verhalten zwingen. Somit wird es auch immer Personen geben, die sich nicht von den Anreizen beeindrucken lassen und sich nicht an die Aufkleber auf dem Boden halten.4

Quellenverzeichnis

1 vgl. https://www.diepresse.com/5805417/nudging-fur-anti-corona-massnahmen

2 vgl. https://kurier.at/freizeit/leben-liebe-sex/wie-nudging-dabei-hilft-den-sicherheitsabstand-zu-wahren/400925927

3 vgl. https://www.ernaehrungs-umschau.de/online-plus/12-06-2020-nudging-ein-praeventionsansatz-auch-bei-corona/

4 vgl. https://medienportal.univie.ac.at/uniview/wissenschaft-gesellschaft/detailansicht/artikel/der-psychologe-erich-kirchler-erklaert-warum-die-einschraenkungen-ohne-restriktionen-nicht-durchset/

 

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