Ich sehe Etwas was du nicht siehst - Die Psychologie hinter der Klimakrise!

Wieso versagen wir Menschen dazu den Notstand der Klimakrise zu akzeptieren und die nötigen Maßnahmen zu ergreifen?

Sommersemester 2022: Elma Stullca, Martin Plattner und Lisa Regele

 

Im Normalfall sind die meisten von uns in Notfallsituationen hilfsbereit und würden Mitmenschen nicht im Stich lassen. Hingegen wenn es sich um die Klimakrise handelt, verschließen die meisten die Augen vor der Realität, all dies, obwohl unsere “Hilfe” für die Umwelt sehr wertvoll wäre. Um diese kontroverse aber äußerst wichtige Äußerung zu begründen, fokussiert sich dieser Blogbeitrag auf die Psychologie hinter unserer Wahrnehmung der Klimakrise, indem mehrere Aspekte wie kognitive Dissonanz und das Status Quo Bias erleuchtet werden. Zudem wird auch auf das Phänomen des Hyperbolic Discounting im Bezug auf die Klimakrise eingegangen, um zu verstehen, wie sich Kosten in derartigen Notsituationen auf das menschliche Verhalten auswirken.

Menschliche Emissionen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen sind eine der Hauptursachen für den Klimawandel und stellen eine der drängendsten Herausforderungen der Welt dar. Abbildung 1 zeigt die Durchschnittstemperatur von 1850 bis 2019. Wir sehen, dass die globalen Temperaturen in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen sind, und zwar auf etwa 0,7℃ höher als 1961-1990 (Ritchie, Roser & Rosado, 2017).

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Abbildung 1: Globale Durchschnittstemperatur von 1850-2019

Trotz dieser erschreckenden Zahlen, zunehmender Awareness und Forschung, wirkt es eher so, als würde unsere Wahrnehmung den Notstand der Klimakrise immer mehr ausblenden und unsere Besorgnis dafür reduzieren.
Einer der Gründe für dieses Verhalten ist der Status Quo Bias von W. Samuelson und R. Zeckhauser (1988). Dieses Bias beschreibt die starke Vorliebe von uns Menschen für die Dinge, wie sie im Moment sind und einen starken Widerstand gegen jede Art von Veränderung (Weber, 2015). Hinsichtlich der Klimakrise ist diese Verhaltensweise besonders problematisch, denn eine Veränderung ist dringend erwünscht und auch nötig. Trotzdem präferieren wir, unseren Status Quo und alles was uns bereits bekannt ist, denn dies hat bisher gut funktioniert und wieso sollte dies nicht weiterhin so bleiben? Eine Verhaltensänderung wird somit immer mit Unsicherheit und Ungewissheit in Verbindung gebracht, was uns genau dazu motiviert unseren Status Quo beizubehalten, was aber hinsichtlich Klimawandel die schlimmste Option ist. Wie wir in den letzten Jahren bemerkt haben, ist das “Herausbrechen” aus einem Status Quo enorm schwer, sogar auch wenn es sich um einen Notstand für die ganze Menschheit handelt.

Ein anderes psychologisches Problem, welches dieses Verhalten weiter prägt, ist die kognitive Dissonanz. Sie bezieht sich auf eine Situation mit mehreren widersprüchlichen Einstellungen, Überzeugungen oder Verhaltensweisen. Dies erzeugt ein Gefühl von geistigem Unbehagen, das zu einer Änderung einer der Einstellungen führt, um das Unbehagen wieder zu verringern (McLeod, 2018). Für die Überzeugung einer Person hinsichtlich Klimakrise würde das zum einen bedeuten, dass das Problem als solches wahrgenommen wird und somit die Einstellungen zu Themen wie Auto, Fleischkonsum, Flugzeug usw. geändert werden, um das Unbehagen zu reduzieren. Zum anderen kann das aber auch das Gegenteil hervorrufen. Die Einstellung zur Klimakrise allgemein ändert sich und das Problem wird verleugnet oder es wird nicht mehr als drastisch angesehen. Somit ändert sich das Konsumverhalten nicht, das Status Quo kann beibehalten werden, indem sich aber sogar das Unbehagen verringert hat. In unserer Gesellschaft wirkt es so, als wäre die zweite Vorgehensweise sehr populär und weit verbreitet, denn wie wohl bemerkt besitzen wir viele “Symptome” der kognitiven Dissonanz.

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Abbildung 2: DILBERT by Scott Adams, Cognitive Dissonance

Eine weitere Verhaltensverzerung zur Erklärung dieses Phänomen ist das sogenannte “Hyperbolic Discounting”. Diese Heuristik ist vor allem in der Finanzwelt weit verbreitet, spielt jedoch auch im Zusammenhang mit Klimaschutz eine wesentliche Rolle. Menschliches Verhalten ist von zeitlichen Inkonsistenzen geprägt, wodurch Verhaltensweisen wie strategische Ignoranz, Prokrastination sowie Trägheit auftreten. Durch die Tatsache, dass der Nutzen einer Anpassungsmaßnahme im Vergleich zu deren Kosten (bedingt durch den Time-Lag der Folgen des Klimawandels) oftmals jenseits des Planungshorizonts der Akteure liegen, wird dies nochmals begünstigt. Menschen neigen dazu kurzfristige Kosten viel höher zu werten als zukünftiger Nutzen (Marx, 2016).

Zusammenfassend kann man festhalten, dass unsere Einstellung beziehungsweise Maßnahmen zum Klimaschutz stark durch verschiedene Heuristiken beeinflusst werden. Diese Verhaltensverzerrungen sind wohl neben den hohen Kosten der Hauptgrund, warum wir Menschen bei der Klimakrise versagen. Dementsprechend wichtig ist es sich dem bewusst zu sein sowie aktiv dagegen vorzugehen und dadurch Maßnahmen für den Klimaschutz zu tätigen. Das Problem einfach zu ignorieren und unser “business as usual” weiterzuführen wird unwiderrufliche Konsequenzen zur Folge haben, wobei wir als Gesellschaft auch an einem Punkt gelangen werden, wo jegliche Maßnahmen und Verhaltensänderungen nicht mehr sonderlich viel helfen werden. Eine Kombination aus Self-Awareness, staatliche Eingriffe aber auch Lernprogramme in den Schulen, zur Bildung und Sensibilisierung der neuen und alten Generationen, könnten dabei helfen, diese psychologischen Verhaltensverzerrungen zu minimieren. All dies sollte uns tatsächlich ein Versuch wert sein, oder?

Literaturverzeichnis:

1. Frantz, Cynthia & Mayer, F.. (2009). The Emergency of Climate Change: Why Are We Failing to Take Action?. Analyses of Social Issues and Public Policy. 9. 205-222. 10.1111/j.1530-2415.2009.01180.x.

2. Hannah Ritchie, Max Roser and Pablo Rosado (2020) - "CO₂ and Greenhouse Gas Emissions". Published online at OurWorldInData.org. Retrieved from: 'https://ourworldindata.org/co2-and-other-greenhouse-gas-emissions' [Online Resource]

3. Weber, E. U. (2015). Climate Change Demands Behavioral Change: What Are the Challenges? Social Research, 82(3), 561–580. http://www.jstor.org/stable/44282122

4. McLeod, S. (2018). Cognitive dissonance.

5. Marx, A. (2016). Klimaanpassung in Forschung und Politik. URL: 978-3-658-05578-3.pdf (springer.com)

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Hannah Ritchie, Max Roser and Pablo Rosado (2020) - "CO₂ and Greenhouse Gas Emissions". Published online at OurWorldInData.org. Retrieved from: 'https://ourworldindata.org/co2-and-other-greenhouse-gas-emissions' [Online Resource]

Abbildung 2: DILBERT by Scott Adams (1992). Retrieved from: https://dilbert.com/strip/1992-08-09 [Online Resource]

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