Die Unwirtschaftlichkeit von Nachhaltigkeit

Inwiefern tragen individuelle Entscheidungen zur Klimakrise bei und welche Rolle spielt Entscheidungsarchitektur?

Wintersemester 2021/22: David Paul Baumeister und Alina Müller

Das globale Klima ist ein Thema öffentlichen Interesse. Im letzten Jahrzehnt sind insbesondere die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels mehr in den Vordergrund der Debatte gerückt (Marx, 2017). Es gibt viele Ansätze, welche jedoch noch nicht die nötige Wirkung erzielen konnten (Edenhofer & Flachsland, 2012). Eine Herangehensweise mit Hilfe von Entscheidungsarchitektur birgt jedoch einen vielversprechenden Ansatz. Die Klimakrise bildet ein globales Problem bei welchem auch die individuellen Verhaltensweisen und deren Auswirkungen auf die gesamtgesellschaftliche Situation nicht vernachlässigt werden sollten. Inwieweit die Berücksichtigung dieses Einflusses einen Effekt auf die Entwicklung der aktuellen Situation hat, gilt es zu untersuchen.

Für lange Zeit wurde der Klimawandel als ein Zustand verstanden, dessen Auswirkungen erst zukünftige Generationen betreffen. Faktisch lassen sich die Folgen dieses Vorgangs jedoch bereits jetzt in unserem sozio- ökonomischen und ökologischen Umfeld auffinden. In den letzten Jahren kam es in Europa vermehrt zu extremen Wetterereignissen und Verschiebungen von Niederschlagsmustern, welche auf den Klimawandel zurückzuführen sind (Europäische Umweltagentur, 2019). Allerdings sind Bilder von Naturkatastrophen wie beispielsweise der Hitzewelle in Frankreich im Jahr 2003 weniger präsent als die Erinnerungen der 9/11 Katastrophe, obwohl durch die Hitzewelle ca. 5-mal so viele Menschen starben. (Statista, 2014) (Fouillet et al., 2006). Diese Fehlkalkulation ist zurückzuführen auf die Availability Heuristic. Diese bewirkt, dass sich Menschen zuverlässiger und öfter an Beispiele erinnern, die durch Medien oder Berichte leicht zugänglich und einprägsam sind. Ereignisse wie Terroranschläge, Flugzeugabstürze oder Kriege erlangen demnach mehr Aufmerksamkeit und bleiben länger in unserem Gedächtnis. (Glaser, 2019)

Unser individuelles Verhalten im Zusammenhang mit der Klimakrise lässt sich auch auf den Present-bias zurückführen. Dieser besagt, dass Menschen ihre Lebenssituation in der Gegenwart höher gewichten als in der Zukunft. Aufgrund dessen wird auch heutiger Konsum als notwendiger und wichtiger angesehen als zukünftiger Konsum. Es entsteht ein Konflikt von Interessen – kurzzeitige Ziele wie Spaß oder Urlaub kollidieren mit langfristigen Zielen, beispielsweise dem persönlichen Beitrag zur Senkung des Kohlenstoffdioxidanteils in der Atmosphäre. (Huber & Kirchler, 2020) Welche Auswirkung die Taten einzelner Individuen tatsächlich auf die große Masse haben ist für Menschen sehr schwer greifbar.

Die durch Studien belegte Verlustaversion verdeutlicht zudem, dass Individuen Verluste mehr gewichten als Gewinne (Glaser, 2019). Gerade in Anbetracht des Klimawandels scheinen Verluste, wie der Verzicht auf Konsum oder eine Aufgabe des derzeitigen Lebensstandards schwerwiegender als mögliche Gewinne in der Zukunft. Dieses Verhalten ist für die Klimakrise mehr als problematisch.

Die aktuellen klimapolitischen Bemühungen werden zusätzlich limitiert durch die Einordnung des globale Klimasystem als kollektives öffentliches Gut. Ein öffentliches Gut zeichnet sich dadurch aus, dass niemand des Konsums ausgeschlossen werden kann und keine Rivalität besteht. Aus spieltheoretischer Sichtweise führt dies zu Trittbrettfahrerverhalten der einzelnen Akteure. Ein Trittbrettfahrer kann von einem Gut profitieren, ohne persönlich die entsprechende Gegenleistung zu erbringen.
Der individuelle Nutzen wird maximiert, wenn keine Kosten oder Einbußen entstehen. Daher entscheiden sich Akteure nicht freiwillig zu Konsumreduktion und es kommt langfristig zu keiner gesamtgesellschaftlichen Verbesserung der Situation.
Die überproportionale Verwendung von natürlichen Ressourcen wie Kohle, Boden oder Holz bilden Beispiele für die Tragik der Allmende. Individuen, Regierungen und Unternehmen haben individuelle Anreize ihren persönlichen Nutzen zu maximieren oder unsaubere Technologie zu verwenden. Durch dieses kollektive Handeln nach eigenen Interessen, wir das gemeinsame Gut ausgeschöpft. Aufgrund der fehlenden Eigentumsrechte besteht kein Anreiz, diese Güter nachhaltig zu konsumieren (Döring & Töller, 2018).

Um dem sozialen Dilemma entgegenzuwirken, gibt es mehrere verhaltens fokussierte Optionen welche zusätzlich zu politischen Maßnahmen wie Emissionsobergrenzen oder einem einheitlichen CO2 Preis eingesetzt werden sollten. Durch Steuern, welche auf Emissionen gezahlt werden müssten, entstehen Anreize die individuellen Verhaltensweisen zu ändern um Sanktionen zu entgehen (Frondel, 2017). Um jedoch effektive Klimakonzepte zu kreieren, sollten Nudges wie Reminder (z.B. der individuelle ökologische Fußabdruck), angepasste Default Einstellungen (z.B. eine gesündere und gemüselastigere Mittagsmenü-Auswahl bei Konferenzen oder dem Verzicht auf Plastiktüten in Supermärkten) und Warnhinweise und Labels (z.B. Nutri-Score-Skala bei Lebensmitteln) im alltäglichen Leben implementiert werden. Zudem können Prosocial-Nudges wie eine visuelle Aufbereitung von positiven Externalitäten für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Anreize für klimafreundliches Wirtschaften müssen also attraktiver und einfacher zugänglich gestaltet werden, beispielsweise auch die Nutzung von erneuerbaren Energien und sauberen Verfahrenstechniken. Auch Subventionen für nachhaltiges Verhalten könnten insbesondere bei Unternehmen zu einer Veränderung des Verhaltens führen.

Global angewendet können diese Konzepte dazu führen, dass das gemeinschaftliche Ziel von moderaten Treibhausgasemissionen und ausgeglichenem Konsum erreicht werden kann. Es ist demnach bei Herausforderungen wie dem Klimawandel, von immenser Bedeutung, nicht nur auf globaler Ebene zu handeln, sondern auch die individuellen Entscheidungen der Bürger mit einzubeziehen und Biases entgegenzuwirken. Nur ein Zusammenspiel aus Regulationen,
Information und Nudging ist dazu in der Lage die aktuellen Entwicklungen nachhaltig zu beeinflussen. Es lässt sich abschließend sagen, dass die Entscheidung des Einzelnen einen signifikanten Einfluss auf den globalen Zustand hat und auch die Klimakrise eine Angelegenheit ist, welche jeden Einzelnen betrifft.


Literaturverzeichnis:

1. Döring T., Töller A.E. (2018) Umweltpolitik. In: Mause K., Müller C., Schubert K. (eds) Politik und Wirtschaft. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer, Wiesbaden.

2. Edenhofer, Prof. Dr. O. & Flachsland, Dr. C. (2012). Die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter: Politökonomische Herausforderungen an die Klimapolitik. Bayrische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.)

3. Europäische Umweltagentur, 2019. Anpassung an den Klimawandel. URL: https://www.eea.europa.eu/de/themes/climate-change-adaptation/intro, entnommen am 08.12.2021

4. Fouillet et al. (2006). Excess mortality related to the August 2003 heat wave in France. International Archives of Occupational and Environmental Health (Hrsg.)

5. Frondel, M. (2017). Globales Preisabkommen: Ein Weg zu einer effektiven Klimapolitik?. Springer Wiesbaden GmbH, 2017

6. Glaser C. (2019) Verfügbarkeitsheuristik. In: Risiko im Management. Springer Gabler, Wiesbaden.

7. Glaser C. (2019) Verlustaversion. In: Risiko im Management. Springer Gabler, Wiesbaden.

8. Huber, J. & Kirchler, M. (2020). Das (Verhaltens-) Dilemma beim Klimaschutz. Economist Morgenmail-Newsletter (Hrsg).

9. Marx, A. (2017). Klimaanpassung in Forschung und Politik. Springer Spektrum, Wiesbaden (Hrsg.).

10. Statista (2014). Kennzahlen zum Terroranschlag am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York. URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/241559/umfrage/kennzahlen-zum-terroranschlag-am-11-september-2001/, entnommen am 08.12.2021

 

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