Die Auswirkung sozialer Ungleichheit auf die Demokratie

Warum die Wahlbeteiligung und damit die Demokratie durch die steigende soziale Ungleichheit beeinträchtigt wird, wird im folgenden Beitrag erläutert.

Wintersemester 2021/22: Stefan Fischer und Marvin Lechl

„Decisions are made by those who turn up”, so die Behauptung des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman.1 In deutscher Sprache bedeutet das so viel wie „Entscheidungen werden von jenen Personen getroffen, die sich auch daran beteiligen“. Das heißt je mehr Menschen sich an politischen Wahlen beteiligen, desto mehr Menschen können das Ergebnis der Wahlen beeinflussen. Und genau das ist es, was der Zweck der Demokratie ist: nämlich, dass alle Bürger mitentscheiden können. Warum die Wahlbeteiligung und damit die Demokratie durch die steigende soziale Ungleichheit aber beeinträchtigt wird, wird im folgenden Beitrag erläutert.

Auch durch die Corona-Pandemie wurde die aktuelle Entwicklung der zunehmenden sozialen Ungleichheit nicht gebremst. Im Gegenteil – die Kluft zwischen Arm und Reich hat dadurch sogar noch zugenommen. Ein Problem, welches sich mit der zunehmenden Ungleichheit ergibt, ist jenes der Wahlbeteiligung. Die Teilnahme an Wahlen und der soziale Stand innerhalb der Gesellschaft stehen nämlich nachweislich in Zusammenhang. So verzichten beispielsweise Menschen aus wirtschaftlich schwächeren Gesellschaftsteilen überproportional darauf von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Dementsprechend bedeutet das je wirtschaftlich schwächer ein Gebiet ist desto schwächer auch die Wahlbeteiligung.2

Dieses Phänomen wird auch durch eine Studie, welche die Wahlbeteiligung im Raum Wien untersucht, bestätigt. Darin wurden nämlich Zusammenhänge zwischen der sozialen Ungleichheit und der Wahlbeteiligung verschiedener Stadtteile untersucht. Die Studie machte klar sichtbar, dass der Grund für den großen Unterschied bezüglich der Wahlbeteiligung die verfügbaren sozio-ökonomischen Ressourcen innerhalb des Stadtteils war.3 Dabei wurde erkennbar, dass jene Stadtteile eine schlechte Wahlbeteiligung aufweisen, welche eine hohe Arbeitslosigkeit haben, ein geringes Einkommen aufweisen und wo Personen mit geringem Schulabschluss wohnhaft sind.

Wie die folgende Grafik aufweist, ließen sich auch diese Unterschiede in der Wahlbeteiligung auch bei den Bundestagswahlen in Deutschland im Jahr 2017 erkennen. Die Grafik bestätigt, dass die Stimmbezirke mit der geringsten Wahlbeteiligung jene mit den geringsten sozio-ökonomischen Ressourcen sind.

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Abbildung 1: Fakten Bundestagswahlen 2017 in Deutschland (Reichmann, 2019, S.54)

Dieser immer größer werdende Rückzug der ärmeren Bevölkerungsgruppen aus dem politischen System lässt sich durch die immer größer werdende soziale Ungleichheit erklären. Die soziale Ungleichheit steigt seit den 70er Jahren und hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Wie groß die soziale Ungleichheit bereits ist, kann man am Beispiel von Deutschland sehen. In Deutschland verfügen die reichsten 10% der Gesellschaft über 60 % des gesamten Vermögens.4

Die Gefahr, dass Wahlen also durch die zunehmende soziale Ungleichheit verzerrt werden, ist groß, denn das Ergebnis spiegelt nicht die Wünsche aller Bevölkerungsgruppen gleichmäßig wider, wenn die Partizipation einer Bevölkerungsschicht größer ist als die einer anderen. Dadurch dass Menschen mit geringem Einkommen und geringer schulischer Bildung nicht zu jener Bevölkerung gehören, welche die meisten Wähler stellt, kommt es dazu, dass sie von anderen Wählern überstimmt werden. Dies führt wiederum zu mehr Unzufriedenheit innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe, nämlich der ärmeren Schicht. Zum einen wird diese Schicht mit der Politik unzufrieden sein, denn die politischen Parteien versuchen Wünsche ihrer Wähler umzusetzen und somit nicht die Wünsche jener Bevölkerungsschicht, bei der die Wahlbeteiligung am geringsten ist. Zum anderen verlieren die Wähler der ärmeren Schicht dadurch das Vertrauen und das Interesse an der Politik. So passiert es, dass sich viele dieser Menschen denken, dass sich durch ihre Wahl an der Gesamtsituation nichts ändert, was dann wiederum zur Folge hat, dass diese Personen einfach nicht bei den Wahlen erscheinen. Die Menschen ziehen sich also immer mehr vom politischen System zurück und fühlen sich infolgedessen auch von der Politik ausgeschlossen.5 Dieser Kreislauf macht ersichtlich warum die Wahlbeteiligung bei der ärmeren Schicht niedriger ist als bei der Reicheren.

Richtet man den Blick in die Zukunft, so muss man sich eingestehen, dass keine Besserung dieses Problems in Sicht ist, denn während sich die Ungleichheit zwischen den einzelnen Staaten in den letzten Jahren verringert hat, wird sich die Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung auch in Zukunft noch vergrößern. Das bedeutet die Kluft zwischen den Reichen und der ärmeren Schicht wird immer größer und dadurch auch das Problem der Wahlbeteiligung. Dadurch dass die Gesellschaftsschichten sich immer weiter voneinander wegbewegen, wird der soziale Zusammenhalt immer weniger. Die Reduktion der sozialen Ungleichheit sollte deshalb in Zukunft ein wichtiges Ziel der Politik sein.

1 (Bödeker, 2014)
2 (Reichmann, 2019) S.53f
3 (Martina Zandonella, 2020) S.2f
4 (Merx, 2019)
5 (Merx, 2019)

Literaturverzeichnis

Bödeker, S. (13. August 2014). Bundeszentrale für politische Bildung. Von Die ungleiche Bürgergesellschaft – Warum soziale Ungleichheit zum Problem für die Demokratie wird: https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/zukunft-bildung/189941/die-ungleiche-buergergesellschaft abgerufen

Martina Zandonella, T. E. (2020). Die Auswirkungen von sozialer Ungleichheit auf die Demokratie. Wien: SORA Institut.

Merx, A. (11. November 2019). Die Demokratie ist in Gefahr. Von Der Tagesspiegel: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/soziale-ungleichheit-die-demokratie-ist-in-gefahr/25219858.html abgerufen

Reichmann, E. (2019). Die repräsentative Demokratie in Anfechtung und Bewährung. Springer VS

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