Der Umgang von hoffnungslosen Optimisten mit der COVID-19 Pandemie

Die Handhabung der gegenwärtigen COVID-19 Pandemie differiert von Mensch zu Mensch. Die aktuelle Situation spaltet die Gesellschaft und ein gemeinsames Vorgehen zur Bekämpfung scheint nahezu unmöglich.

Sommersemester 2021: Stefanie Penz

Die Handhabung der gegenwärtigen COVID-19 Pandemie differiert von Mensch zu Mensch. Die aktuelle Situation spaltet die Gesellschaft und ein gemeinsames Vorgehen zur Bekämpfung scheint nahezu unmöglich. Bei näherer Betrachtung der Situation stößt man auf einen besonderen Aspekt, welcher womöglich eine Erklärung für diese Schwierigkeit liefert. Zahlreiche Menschen schätzen die Chance sich selbst mit dem Virus anzustecken viel geringer ein als bei anderen. Schon des Öfteren wurden in Gesprächen mit Bekannten Sätze geäußert wie „Ich sorge mich nicht wegen mir, sondern nur wegen den anderen“. Diese Denkweise lässt sich bei näherer Beobachtung auf das „optimism bias“ Phänomen (hoffnungslose Optimisten) zurückführen.

Das Phänomen des „optimism bias“ besagt, dass Menschen die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens von positiven Ereignissen überschätzen, während sie gleichzeitig die der negativen unterschätzen. Wenn Personen Prognosen für die nächsten Jahre ihres Lebens erstellen sollen, denken sie primär an eine erfolgreiche Karriere, Familienglück und ein langes Leben. Wie aber allgemein bekannt sein dürfte, entsprechen diese Vorstellungen meist nicht der Realität. Geschehnisse wie Autounfälle, Scheidungen, Krankheiten und frühzeitiger Tod sind keine Seltenheit, jedoch rechnet keiner damit, dass es ihn betreffen könnte. Diese optimistische Verzerrung der Realität der Menschen kann Stress und Angstzustände reduzieren und eine gute psychische Gesundheit fördern. 1

Essenziell ist nun zwischen Hoffnung und Optimismus zu unterscheiden. Wo Hoffnung für die Menschen überlebensnotwendig ist, kann Optimismus oft tödlich enden. Hoffnung ist die unbeständige Freude in Zusammenhang mit einem unwahrscheinlichen Ereignis in der Zukunft. Das Entfernen der Unwahrscheinlichkeit in diesem Szenario ist was wir heutzutage als optimistisch bezeichnen. 2

Die Thematik des „optimism bias“ wurde schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts entdeckt und näher untersucht. Alexander Pope (1829) schrieb in seinem Werk „An Essay on Man“ über die Tendenz der Menschen, sich eine perfekte Welt auszumalen. Dabei werden andere, unschöne mögliche Zukunftsformen ausgeblendet und für unwahrscheinlich gehalten. 3

Die aktuellen Zeiten fordern jedoch Maßnahmen, für die eine realistische Einschätzung der Gefahr des Virus grundlegend ist. Personen mit einem ausgeprägten „optimism bias“ werden die geforderten Maßnahmen jedoch nicht für notwendig erachten und daher auch nicht einhalten. 4,5

In Bezugnahme auf die aktuelle Pandemie bedeutet dies nun, dass sich die Menschen zwar über die Ernsthaftigkeit und die möglichen Folgen einer Erkrankung bewusst sind aber trotzdem die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung unterschätzen. Daten der internationalen Analytik Gruppe YouGov (https://yougov.co.uk) zeigen die Differenz zwischen den Bedenken einer Ansteckung eines Bekannten im Vergleich zu der Person selbst. In der folgenden Grafik lassen sich die Differenzen ablesen. 6

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Abbildung 1: Weltweite Differenzen der Wahrnehmung, Quelle: https://yougov.co.uk/

Dabei kann man Unterschiede zwischen den Ländern und Kulturen erkennen. Die Differenzen in der Einschätzung sind in Europäischen Ländern am größten. Die Befragten wurden zwischen Mai und Juni 2020 jeweils in getrennten Fragen über persönliche Befürchtung zur Ansteckung der eigenen Person und Bekannten/Familienmitgliedern interviewt. 7

Diese Thematik wurde während den Anfängen der COVID-19 Pandemie in Europa 2020 auch von der Barcelona Brain Health Initiative (BBHI) untersucht. 8 Die Umfrage beinhaltete wiederum die gleiche Fragestellung wie zuvor erwähnt: Wie sehr sorgen sich die Menschen um ihr eigenes Wohlbefinden im Vergleich zu den ihrer Bekannten/Freunde. Die Ergebnisse
wurden dann mit den Todeszahlen der jeweiligen Umfragezeitpunkte in Relation gesetzt, was man an der folgenden Grafik erkennen kann.

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Abbildung 2: Zusammenhang Bedenken und Todeszahlen in Spanien 8

Die vier untersuchten Zeitpunkte verweisen jeweils auf unterschiedliche Todeszahlen in Spanien während der ersten COVID-19 Welle 2020. Beim ersten Anstieg der Todeszahlen stieg auch die Differenz zwischen Bedenken um die eigene Gesundheit und die der andere. Das Maximum der Differenz dieser unterschiedlichen Wahrnehmungen geht gleichzeitig mit der Höchstzahl der Todesfälle einher. Nach dem ersten Abfall der Welle sanken auch die Differenzen. Darin zeigt sich deutlich, dass die Sorgen der Menschen um ihre Bekannten/Freunde in problematischen Zeiten schneller anwachsen als die Sorge um das eigene Wohlergehen. 8

Die genannten Studien zeigen uns auf, dass auch in der COVID-19 Pandemie „optimism bias“ eine tragende Rolle spielt. Das Risiko einer Ansteckung und deren Folgewirkungen wird von Menschen als nicht als sehr bedenklich eingestuft, da sie mit dem Eintritt nicht rechnen.

Sobald es sich jedoch um eine andere Person handelt, steigen die Sorgen um deren Gesundheit.

Quellen:

(1) Sharot T. The optimism bias. Curr Biol 2011; 21: R941– R945

(2) Watson, D. 2020. What lessons will we learn from the virus? The Monthly, May.

(3) Pope, A. 1829. An essay on man: And other poems. Duke Street, Piccadilly.

(4) Maddux JE, Rogers RW. Protection motivation and self‐efficacy: a revised theory of fear appeals and attitude change. J Exp Soc Psychol 1983; 19: 469– 479.

(5) Floyd DL, Prentice‐Dunn S, Rogers RW. A meta‐analysis of research on protection motivation theory. J Appl Soc Psychol 2000; 30: 407– 429.

(6) Analytik Gruppe YouGov aufrufbar unter: https://yougov.co.uk

(7) Beware of Optimism Bias in the Context of the COVID-19 Pandemic (2021), aufzurufen unter: Optimism bias COVID-19 (8) Cattaneo G, Bartrés‐Faz D, Morris TP, et al. The Barcelona brain health initiative: a cohort study to define and promote determinants of brain health. Front Aging Neurosci 2018; 10: 321.

(9) Sharot T. The optimism bias. Curr Biol 2011; 21: R941– R945

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