Der Teufelskreis des Gewinns

Führt eine Reduktion des Gewinns in Casinos bei beiden Geschlechtern zwangsläufig zu einem geringeren Spielanreiz?

Sommersemester 2021: Manuel Mölgg und Sandrine Schmiderer

Führt eine Reduktion des Gewinns in Casinos bei beiden Geschlechtern zwangsläufig zu einem geringeren Spielanreiz? Wir gehen in diesem Blog davon aus, dass Männer eine höhere Tendenz zur Spielsucht entwickeln und deshalb auch nach einem reduzierten Gewinn nach wie vor mehr spielen als Frauen. Bei dieser Fragestellung werden Sie sich nun jedoch bestimmt über-legen, ob das Geschlecht hier wirklich die entscheidende Rolle spielt oder ob andere Faktoren dafür verantwortlich sind. Verhaltensorientierte Ökonomen haben allerdings bereits in zahlreichen Untersuchungen festgestellt, dass es starke Unterschiede in der Entscheidungsfindung zwischen Männern und Frauen auch in Bezug auf Glücksspiele gibt. Im nächsten Abschnitt untersuchen wir anhand eines realen Beispiels und verschiedener ökonomischer Modelle, dass Männer auch dann mehr spielen wollen, wenn sie weniger Gewinn erhalten.

Betrachten Sie die folgende Situation: Sie befinden sich gerade im Casino in Innsbruck und schaffen es beim Roulette die richtige Zahl zu erraten, jedoch müssen Sie nun aufgrund eines neuen Gesetzes die Hälfte des Gewinns in Form einer Steuer abgeben. Würden Sie unter solchen Umständen noch eine Runde spielen oder nicht? Laut dem klassischen Modell des Homo oeconomicus würde ein weiteres Spiel bejaht werden, denn es stützt sich auf die These, dass das Verhalten der Menschen davon geprägt ist, den individuellen Nutzen zu maximieren ohne dabei Rücksicht auf andere zu nehmen (Wörsdörfer, 2014; Verbeke et al., 2011). In Bezug auf unsere Fragestellung würde dies nun darauf hindeuten, dass das Glücksspiel nur ein Mittel zum Zweck der Nutzenmaximierung darstellt und dies keinen Einfluss auf den Spielanreiz hat (unabhängig vom Geschlecht), da jedes Individuum immer rationale Entscheidungen trifft. Doch gilt dies auch in der Realität?

In einer australischen Zwillingsstudie in der 2.889 ein- und zweieiige Zwillingspaare teilgenommen haben wurde festgestellt, dass die Gene zu 50% bestimmen, ob wir eine Spielsucht entwickeln oder nicht. Diese Gene werden genauso oft an Männern wie an Frauen weitervererbt. Von der Spielsucht betroffen sind allerdings doppelt so viele Männer als Frauen (Slutske, 2010). Man hat herausgefunden, dass Männer eher Casinospiele, Sportwetten und Rennsport bevorzugen und Frauen tendieren eher zu Glücksspielen mit begrenztem Spektrum an Aktivitäten, so wie etwa Lotterien, Bingo und Spielautomaten (Delfabbro 2000, zitiert nach Crisp, 1998; Blaszczynski et al., 1997; Delfabbro & Winefield, 1996; Dickerson, Baron & O'Conner, 1994; Dickerson, Walker & Baron, 1994).

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 Abbildung 1: Prospect Theory

Quelle: https://blog.psyquation.com/wp-content/uploads/2019/11/prospect-theory.jpg


Gehen wir davon aus, dass jemand der sich in einem Casino an einem Pokerspiel beteiligt, 100 Euro gewinnt und dann davon 50 Euro durch eine Steuer wieder abgeben muss. Die Abgabe der Steuer könnte als Verlust wahrgenommen werden. Anhand der Abbildung 1 sieht man, dass Verluste viel schwerer wiegen als Gewinne, denn wir Menschen freuen uns mehr darüber, wenn wir einen Verlust vermeiden, als wenn wir einen Gewinn erzielen (Kahneman, 2012); also könnte es sein, dass wir dadurch das Interesse am Glücksspiel verlieren. Beachten muss man aber auch, dass wenn wir von einem Verlust ausgehen zu riskanterem Verhalten neigen. Daher kann es auch sein, dass wenn man beim Glücksspiel eine Steuer abgeben muss, wir an umso mehr Glücksspielen teilnehmen, da wir durch die Steuerabgaben von einem Verlust ausgehen und somit das Gefühl haben, dass wir ein Risiko eingehen müssen (Kahneman, 2012). Nicht nur Kahneman bietet interessante Möglichkeiten diese Fragestellung zu untersuchen, sondern auch Varian.

Hal R. Varian (2016) geht in seinem Buch auf zwei Phänomene ein, welche beim Glücksspiel ebenfalls eine starke Rolle spielen: das Problem der Selbstbindung und die Selbstüberschätzung. Analog zum Problem mit Glücksspiel sind die Schwierigkeiten, welche eine Diät aufweist. Diese Situation könnten Sie vielleicht aus Ihrem Alltag kennen: Sie möchten ein paar Kilo abnehmen, sobald Sie jedoch ein Gericht sehen bzw. riechen welches Ihnen besonders gut schmeckt, ist dieses Vorhaben schnell verschwunden (Varian, 2016). Beim Glücksspiel verhält es sich ähnlich, sobald man sich in einem Casino befindet und man einen Spielautomaten sieht wird die Versuchung wieder zu spielen viel größer. Diese Problematik und auch die Selbstüberschätzung stehen stark mit dem eigenen Geschlecht in Verbindung. Die Finanzmarktökonomen Brad Barber und Terrance Odean haben in einem Experiment mit ca. 35.000 Haushalten unter-sucht, wie verschieden Frauen und Männer mit ihren Wertpapierkonten umgehen und kamen zu dem Ergebnis, dass Frauen im Schnitt deutlich bessere Erträge erwirtschaftet haben als Männer (Barber & Odean, 2001). Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Männer übertriebenes Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten legen und Frauen viel realistischer sind (Varian, 2016). Zusammenfassend können wir also sagen, dass die Literatur auch unsere Meinung vertritt: Selbst, wenn die Gewinne des Glücksspiels stark reduziert werden, tendieren Männer trotzdem dazu ihr Spielmuster nicht zu ändern und auch eher dazu spielsüchtig zu werden.

Literaturverzeichnis

Barber, B. M., & Odean, T. (2001). Boys will be boys: Gender, overconfidence, and common stock investment. The quarterly journal of economics, 116(1), 261-292.

Delfabbro, P. (2000). Gender differences in Australian gambling: A critical summary of sociological and psychological research. Australian Journal of Social Issues, 35(2), 145-158.

Kahneman, D. (2012). Schnelles denken, langsames Denken. Siedler Verlag.

Slutske, W. S., Zhu, G., Meier, M. H., & Martin, N. G. (2010). Genetic and environmental influences on disordered gambling in men and women. Archives of general psychiatry, 67(6), 624-630.

Varian, H. R. (2016). Grundzüge der Mikroökonomik. De Gruyter, Oldenbourg.

Verbeke, W. J., Rietdijk, W. J., van den Berg, W. E., Dietvorst, R. C., Worm, L., & Bagozzi, R. P. (2011). The making of the Machiavellian brain: A structural MRI analysis. Journal of Neuroscience, Psychology, and Economics, 4(4), 205.

Wörsdörfer, M. (2014). Inside the “Homo Oeconomicus Brain”: Towards a Reform of the Economics Curriculum?. Journal of Business Ethics Education, 11, 5-40.

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