Das absolute Schnäppchen

Wie wir in der Urlaubsbuchung hinters Licht geführt werden und was Dark Patterns damit zu tun haben.

Sommersemester 2022: Ivana Mirkovic und Sophia Waltl

 

Wer kennt es nicht: Der Sommer naht, das Gemüt ist schon lange urlaubsreif und gleichzeitig ist man gestresst, noch einen guten Deal für den Urlaub zu bekommen. Nachdem nun von der herkömmlichen Urlaubsplanung über das Reisebüro abgesehen wird, um noch mehr Geld zu sparen, wird die Buchung über eine der zahlreichen Online-Plattformen wie beispielweise Booking.com abgewickelt. Und Jackpot, man ergattert den besten Preis. Warum unser Glauben das perfekte Schnäppchen ergattert zu haben jedoch falsch ist, wie unsere Wahrnehmung ausgetrickst wird und was Nudges damit zu tun haben, wird in diesem Blog erläutert.

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In Abb. 1 wird eine typische Anzeige von der Reiseplattform Booking.com gezeigt, eine Plattform, die die Hotelsuche und einen allgemeinen Buchungsservice anbietet. Durch Aussagen wie „You missed it“ und „only 1 room left on our site” wird der Urlaubsplaner gezielt gestresst und folglich beeinflusst (Proschofsky, 2019). Diese Strategie basiert auf der Verlustaversion, bei der Verluste tendenziell höher gewichtet werden als Gewinne. Das heißt, dass man lieber zu dem Angebot greift, bevor man das Risiko eingeht, es im Nachhinein zu bereuen (Glaser, 2019). So wird der Websitebesuchende mit dem überlegten Design und diversen Tricks dazu gebracht, das zu tun, was das Buchungsportal will: schnell über diese Website buchen (Proschofsky, 2019).

Hinter diesen Tricks stecken Methoden des Nudge Marketings, wie beispielsweise „Scarcity“ und „Social Proof“ (Franssen, 2020). Beim Scarcity-Effekt (Knappheit) wird das Angebot bezogen auf den Zeithorizont und die Menge verknappt, um potenzielle Nichtverfügbarkeit zu signalisieren und so den Absatz zu steigern. Dabei gibt es die angebotsseitige Verknappung „nur noch zwei Zimmer verfügbar“ und die nachfrageseitige Verknappung „zwei Personen sehen sich dieses Zimmer gerade an“ (Schabert et al., 2022). Auch an dieser Stelle spielt die Verlustaversion eine große Rolle, da der Mensch laut Verhaltensökonomie einen Verlust doppelt so stark wertet wie einen Gewinn (Glaser, 2019).
Das Prinzip des Social Proofs (soziale Bewährtheit) besagt, dass Menschen im Zweifelsfall so handeln, wie es bereits andere getan haben. Der Grund dahinter ist, dass sich deren Meinung oder Verhalten bereits bewährt hat und so der Gedanke aufkommt gleich zu agieren und so nichts falsch zu machen. Durch Social Bots wird der Social Proof künstlich simuliert und die Daten werden verfälscht (Ripperger & Appel, 2019). Social Bots sind automatisiert agierende Roboter, die Onlineinhalte untersuchen und dort Kommentare und Likes hinterlassen. Daraus resultiert, dass die Bewertungen nach denen Menschen ihre Entscheidung treffen, nicht auf ein echtes menschliches Gegenüber bezogen sind (Neis & Mara, 2019). Neben diesen beiden Beispielen, gibt es auch noch viele weitere Arten von Nudges.

Im Allgemeinen bezeichnet das Nudge Marketing die Erweiterung von Nudges in die digitale Welt. Dabei werden Elemente zur Gestaltung von Benutzeroberflächen verwendet, um das Verhalten von Menschen in digitalen Entscheidungsumgebungen zu steuern. Die täglichen Entscheidungen der Menschen werden demnach nicht nur durch rationale Überlegungen zu den verfügbaren Optionen beeinflusst, sondern auch durch die Gestaltung des Entscheidungsraum, in dem die Informationen präsentiert werden (Weinmann et al., 2016).

Die bei Booking verwendeten Nudges werden als Dark Patterns bezeichnet und bilden eine Untergruppe des Nudge Marketings. Sie gehören zu den dunklen Nudges und sind im Gegensatz zu den positiven Nudges manipulativ und leiten zu ungewollten Handlungen, indem sie NutzerInnen dazu bringen, Dinge zu tun die nicht in ihrem besten Interesse liegen (Özdemir, 2019). Vor allem durch Ausnutzung der emotionalen und konditionierten Verhaltensweisen kann digitales Nudging das Verhalten relativ einfach und gezielt beeinflussen und schmälert so die Konsumentenrente (Reisch, 2020). Neben den bereits erwähnten digitalen Nudges sind weiter typische dunkle Muster die Verhinderung von Preisvergleichen durch erschwerte informierte Preisentscheidung oder versteckte Kosten, die erst beim Bezahlungsprozess auftauchen (Brignull, 2010).

Nicht nur Reiseplattformen wie Booking.com verwenden Dark Nudges, sondern auch viele andere Plattformen wie Facebook, Instagram oder Snapchat (Von Briel & Davidsson, 2019). Um dem digitalen Nudging entgegenzuwirken, wird auch der Eingriff durch Verbote und Regulationen diskutiert. In Großbritannien gibt es Regeln hinsichtlich der Verwendung von Dark Nudges auf Booking. Dort wird die Benutzung gewisser Tricks dezidiert untersagt - beispielsweise dürfen ausgebuchte Hotels in den Suchergebnissen nicht mehr angezeigt werden und auch der Hinweis, dass sich andere gerade das gleiche Hotel ansehen, ist nur dann erlaubt, wenn es sich tatsächlich um dieselben Reisedaten handelt. In Österreich gibt es allerdings noch keine Regulationen (Proschofsky, 2019).

Was jedoch jede und jeder einzelne für sich tun kann, ist den Plattformen gegenüber sensibilisiert zu sein und sich bewusst NICHT durch Stress, Knappheit und andere Bewertungen beeinflussen zu lassen (Baraniuk, 2019). Des Weiteren gewöhnen sich die Menschen zunehmend an die Nudges und reagieren mit der Zeit weniger darauf oder reagieren sogar besonders stark in die entgegengesetzte Richtung (Shaw, 2019). Auch Schabert et al. (2022) vermerken Reaktanzeffekte auf Scarcity-Nudges. Wobei die erhöhte Reaktanz nur auf die Angebotsseite bestätigt wurde, während auf der Nachfragseite keine Wirkung zu vermerken war (Schabert et al., 2022). Somit lautet der abschließende Appell, den beeinflussenden Vorgängen sensibilisiert zu begegnen, damit dem tatsächlichen Schnäppchen nichts im Wege steht!

Literaturverzeichnis:
Baraniuk, C. (2019) How ‘dark patterns’ influence travel bookings. https://www.bbc.com/worklife/article/20191211-the-fantasy-numbers-that-make-you-buy-things-online. Abgerufen am 27. April 2022

Brignull, H. (2010) Types of deceptive design. https://www.darkpatterns.org/types-of-dark-pattern. Abgerufen am 27. April 2022

Franssen, C. (o. J.) What is Nudge Marketing?. https://www.convertize.com/what-is-nudge-marketing/. Abgerufen am 27. April 2022

Glaser, C. (2019) Risiko im Management: 100 Fehler, Irrtürmer, Verzerrungen und wie man sie vermeidet. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden

Neis, M., Mara, M. (2019) Social Bots – Meinungsroboter im Netz. In: Appel M. (Hrsg.) Die Psychologie des postfaktischen: über Fake News, „Lügenpresse“, Clickbait & Co., Springer-Verlag GmbH Deutschland, Würzburg, S. 198-202. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-58695-2

Özdemir, S. (2019) Digital Scholarship in the Humanities. In: The Authors (Hrsg.) Digital nudges and dark patterns: The angels and the archfiends of digital communication, 2. Auflage, Oxford University Press, Oxford, S. 417-428. DOI: https://doi.org/10.1093/llc/fqz014

Proschofsky, A. (2019) https://www.derstandard.at/story/2000108894531/stressfaktor-wie-bookingcom-und-co-die-nutzer-zu-unueberlegten-buchungen. Abgerufen am 27. April 2022

Reisch, L.A. (2020) Wirtschaftsdienst: Journal of economic policy. In: ZBW (Hrsg) Nudging hell und dunkel: Regeln für digitales Nudging, Springer-Verlag GmbH Deutschland, Friedrichshafen, S. 87–91. DOI: https://doi.org/10.1007/s10273-020-2573-y

Ripperger, K. & Appel, M. (2020) Word-of-Mouth: Von Mund-zu-Mund-Propaganda zu viralem Marketing. In: Appel M. (Hrsg.) Die Psychologie des postfaktischen: über Fake News, „Lügenpresse“, Clickbait & Co., Springer-Verlag GmbH Deutschland, Würzburg, S. 167-176. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-58695-2

Schabert, K., Raschle, L., Fredholm, A., Pedrazzoli L., Settelen G., Rieder, A., Jung, R. (2022) Backfiring von Digital Nudges: Experimentelle Studie zur Reaktanz durch ScarcityNudges. Universität St. Gallen. https://www.alexandria.unisg.ch/265782/1/Schabert%20et%20al_2022_Backfiring%20von%20Digi tal%20Nudges.pdf. Abgerufen am 27. April 2022

Shaw, S. (2019) Consumers Are Becoming Wise to Your Nudge. https://behavioralscientist.org/consumers-are-becoming-wise-to-your-nudge/. Abgerufen am 27. April 2022

Von Briel, F., Davidsson, P. (2019) Digital Platforms and Network Effects: Using Digital Nudges for Growth Hacking. https://www.researchgate.net/publication/336085775_Digital_Platforms_and_Network_Effects_U sing_Digital_Nudges_for_Growth_Hacking. Abgerufen am 27. April 2022

Weinmann, M., Schneider, C., & Brocke, J.V. (2016) Digital Nudging. In: Business & Information Systems Engineering, 6. Auflage, Springer-Verlag GmbH Deutschland, S. 433-436. DOI:10.1007/s12599-016- 0453-1

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