Behavioral Biases – oder wie unser Geburtstag unsere Entscheidungen beeinflusst

Wieso leiden Menschen an Flugangst, obwohl längst bekannt ist wie gering die Wahrscheinlichkeit eines Absturzes ist? Wieso handeln Menschen in bestimmten Situationen anders als es in der Theorie eines rationalen Entscheiders erwartet wird?

Wintersemester 2020: Danielle Stefanie Eisbacher

Im ersten Semester meiner Universitätslaufbahn saß ich in einem Hörsaal, als ich das erste Mal von Ihm hörte – dem Homo oeconomicus. Der Homo oeconomicus ist stets darauf bestrebt seinen Nutzen zu maximieren und handelt immer rational. Er hat bestehende Präferenzen und verfügt über vollkommene Information, wenn er Entscheidungen trifft. (Franz, 2004) Schon damals kam mir der Gedanke, wie unterschiedlich wir Menschen doch von diesem fiktiven Charakter sind. Ich wusste nur noch nicht weshalb.

Eine Wissenschaft, welche sich damit beschäftigt wie sich Menschen tatsächlich entscheiden und handeln, ist die verhaltensorientierte Ökonomie. Ihre Erkenntnisse stehen aber oft im Konflikt zu konventionellen ökonomischen Theorien. Doch was sind Gründe für Verhaltensverzerrungen, sogenannte Behavioral Biases, und welche Phänomene führen dazu? (Varian, 2016)

Das im Titel angesprochene Phänomen wird durch Ankereffekte hervorgerufen. Dem zugrunde liegt,  dass Menschen  durch scheinbar vollkommen irrelevante Nebeninformationen beeinflusst werden. (Varian, 2016). Ein klassisches Beispiel, ist Roulette. Ich zum Beispiel setze dabei immer auf die 11 und 8 – die Zahlen meines Geburtstages. Aber auch beim Lotto kommt dies zum Einsatz. Die meisten Menschen wählen ihren Geburtstag oder den von Freunden als Lottotipp, obwohl diese Zahlen gleich wahrscheinlich sind wie alle anderen. Somit gibt es also keinen rationalen Grund dafür. Dies geht aber sogar soweit, dass sich der Gewinn bei einem Lottosechser aus „Geburtstagszahlen“ verringert, weil dies so viele machen. (Lottozahlen.cloud, kein Datum) Aber funktioniert das auch bei reinen Zufallszahlen? Als ich davon zum ersten Mal hörte, konnte ich es nicht so richtig glauben, bis ich an einem Experiment über Rotholzbäume teilgenommen habe. Dabei wurde am Anfang eine Zufallszahl gegeben, bei der geschätzt werden sollte, ob der Höhste größer oder niedriger als diese Zahl wäre. Eine Hälfte der Befragten bekam eine hohe Zahl, die andere eine niedrige. Danach wurde gefragt, wie groß man denkt, dass dieser tatsächlich wäre. Das Ergebnis dieser Umfrage zeigte, dass Personen, welche zu Beginn eine höhere Zahl hatten, auch den Rotholzbaum größer schätzen und vice versa. Somit kann man sehen, dass Ankereffekte stark hinsichtlich des Lenkens unseres zukünftigen Verhaltens sind. (Kirchler, 2020)

So wenige Unfälle passieren beim Fliegen
Abbildung 1: Unfälle beim Fliegen (Source: ASN Safety Database)

Ein anderes bereits angesprochenes Phänomen sind irrationale Ängste, wie Flugangst. Diese, können durch zwei Erscheinungen erklärt werden. Zum einen,  die Überschätzung kleiner Wahrscheinlichkeiten. Menschen neigen dazu, kleine Wahrscheinlichkeiten mehr zu bewerten, als dies im Rahmen des Erwartungswertes angebracht   wäre. Dies gilt nicht nur für negative Aspekte, denn wer kennt es nicht? Die Menschen spielen Lotto oder gehen ins Casino obwohl die Wahrscheinlichkeiten für einen Gewinn die Ausgaben häufig nicht rechtfertigen. Andererseits spielt dabei auch die Verfügbarkeit eine große Rolle. Wenn in den Medien, von Flugzeugabstürzen berichtet wird, steigt die Angst davor. Selbiges gilt auch für die Kriminalität. In den Jahren 1996 bis 2013 befragte man Menschen in den USA, ob sie denken, dass die Kriminalitätsrate im Vergleich zum Vorjahr gestiegen wäre und in den meisten Jahren antworteten knapp 65 % der Befragten mit Ja auf diese Frage. Das spannende dabei war, dass die Kriminalität tatsächlich jährlich gesunken ist. Mittlerweile sind solche Fälle einfach präsenter und werden somit häufiger wahrgenommen. (Kirchler, 2020) (Wenig, 2011)

Selbstüberschätzung
Abbildung 2: Selbstüberschätzung (Anti-Bias, 2019)

Eine andere Erklärung ist die Selbstüberschätzung. Ich denke die meisten von uns, kamen damit bereits in Berührung, ob durch sich selbst oder durch andere. Oft überschätzen Studenten ihre Fähigkeiten in Prüfungen, Menschen ihre Macht aber auch Wissenschaftler die Genauigkeit ihrer Ergebnisse. Tendenziell betrifft es Männer häufiger als Frauen. Oft treffen wir auf solche Überschätzungen im Abbildung 2: Selbstüberschätzung (Anti-Bias, 2019) Finanzbereich, sogar Isaac Newton war davon bereits betroffen. Doch eine gewisse Selbstüberschätzung ist nicht immer nur negativ behaftet, sie kann sehr wohl auch sozial nützlich sein (Ludwig-Maximilians-Universität-München, 2019). Auch viele Unternehmen, die wir heute kennen und lieben, wären vielleicht ohne ein bisschen Optimismus nie entstanden. (Varian, 2016) (Kirchler, 2020) (Anti-Bias, 2019)

Diese Liste ist aber längst nicht abgeschlossen, denn noch vieles mehr trägt dazu bei, dass Menschen handeln und sich entscheiden wie sie es tun. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass auch wenn dies oft nicht unbedingt rational ist, muss es deswegen nicht weniger erfolgreich sein - sondern ganz im Gegenteil. Wenn man sich also die obgenannten Phänomene genau ansieht, kann man sehen, dass es fundierte Gründe gibt, wieso Menschen sich entgegen dem Homo oeconomicus entscheiden und dies somit gewiss nicht nur mit menschlicher Unwissenheit zu tun hat.

Literaturverzeichnis

Anti-Bias. (2019). Overconfidence Bias – Selbstüberschätzung und geschlechtsspezifische Unterschiede. Von https://www.antibias.eu/unconsciousbias/bias-effekte/overconfidence-bias/ abgerufen

Franz, S. (2004). Grundlagen des ökonomischen Ansatzes: Das Erklärungskozept des Homo Oeconomicus. Potsdam.

Kirchler, M. (2020). VU Slides: Decision Theory, Prospect Theory, Behavioral Biases and Heuristics.

Lottozahlen.cloud. (kein Datum). Von Vom Sinn und Unsinn der Geburtstagdaten beim Lotto spielen: http://lottozahlen.cloud/lotto/6aus49/richtigspielen/geburtstagzahlen.aspx abgerufen

Ludwig-Maximilians-Universität-München. (2019). Der Sinn der Selbstüberschätzung. Von https://www.uni-

muenchen.de/forschung/news/2019/schwardmann_ueberschaetzung.html abgerufen

Varian, H. R. (2016). Grundzüge der Mikroökonomik. Berlin/Boston: Walter de Gruyter GmbH.

Wenig, C. (2011). Die Prospect-Theorie. Verlag Vahlen München.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Unfälle beim Fliegen (Source: ASN Safety Database

Abbildung 2: Selbstüberschätzung (Anti-Bias, 2019)

 

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