Projekte und Forschung

Projektnummer: 99/15
Beginn 1993; Ende offen

 

Projektleiter/MitarbeiterInnen:
Tomedi/Appler/Ciresa

Finanzierung:
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung; Heimatkunde- und Museumsverein Wattens-Volders; private Spenden.

Aktivitäten und Arbeitsstand:
Bislang 10 Grabungskampagnen im Zuge von Lehrgrabungen des Institutes; Katalog der Kleinfunde erstellt; Baubefunde in Publikationsvorbereitung.

Grabungen an einer eisenzeitlichen Siedlung am
Pirchboden bei Fritzens (6. bis 1. Jh. v. Chr.)

Die bereits im Jahre 1917 am Fuß der Kuppe des Pirchbodens entdeckten Funde wurden von Gero v. Merhart als charakteristisch für eine inneralpine Fundgruppe beschrieben, womit Fritzens gemeinsam mit Sanzeno im Nonsberg zum eponymen Fundort einer gesamten Kulturgruppe wurde, die ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. etwa den Raum von Alttirol bedeckte, und den die Römer als "raetisch" bezeichneten.
Zuvor hatten Nord- und Südtirol Anteil an höchst verschiedenen Kulturerscheinungen. Eigenheiten dieser neuformierten Kulturgruppe ist neben recht eigentümlichen Schmuckformen und vorzüglichem Werkzeug aus Eisen eben die sog. Fritzens-Sanzeno-Keramik, die Bauform des "rätischen" Hauses sowie die recht weit verbreitete "rätische" Schrift. Insgesamt ist diese Kultur sehr stark mit den hochzivilisierten Venetern und Etruskern verwoben.

Dank der neuen Siedlungsforschungen konnten am Pirchboden wesentliche Argumente für den Nachweis einer von der sonstigen Bevölkerung abgesondert residierenden Elite beigebracht werden. Es bestanden dort pro Generation ein oder allenfalls zwei festgefügte große Häuser. Zumal die Ansiedlung auch über eine Befestigung verfügte, stellt sich die Frage nach dem fortifikatorischen Nutzen des Walles, wenn nun eine recht geringe Bevölkerungseinheit hier zu vermuten ist, die eine dermaßen lange Befestigungsanlage wohl kaum verteidigen konnte. Bezieht man allerdings auch die schon früher entdeckten Siedlungsreste am Fuß des Pirchbodens in die Betrachtungen mit ein, so könnte man doch durchaus eine kleinregionale Siedelstruktur rekonstruieren, bei der die Kuppe den Ansitz einer Persönlichkeit von hohem Rang und Status trug, während seine Hintersassen am Fuß des Berges ihre Häuser errichteten. Nur so lässt sich die Frage nach den Gemeinschaftsleistungen wie die Errichtung des Walles oder des mit Wagen befahrbaren Aufweges zum Pirchboden einigermaßen begründen.

Bislang wurde ein höchst monumentales Haus mit aufwendiger Konstruktion sowie sein südlicher Vorplatz ausgegraben. In den sanft steigenden Hang wurde das Untergeschoß eingeschnitten, das man seitlich und zum Hang mit mächtigen Steinblöcken vermauerte. Darauf lag ursprünglich noch ein hölzernes Obergeschoß, von dem aber nur mehr wenige verstürzte verbrannte Reste erhalten sind. Das Haus ist zweiphasig: In der Hallstattzeit wurde der Korridor aus mächtigen Steinblöcken errichtet. Nach der wohl bald darauf erfolgten Zerstörung wurde ein Haus in späten Latènezeit nochmals an gleicher Stelle errichtet, wobei der Korridor wie auch die noch bestehende trocken gemauerte Südmauer nochmals verwendet wurden.
Solche gut gefügten Häuser und das darin gefundene feine Geschirr, das Fragment eines Bronzeblechgefäßes wie auch ein reich beschnitzter Hirschgeweihstab – vermutlich Teil einer Winkelharfe – machen deutlich, dass wir hier keine Wilden antreffen, wie es uns die propagandistisch gefärbte römische Geschichtsschreibung glauben machen wollte, sondern vielmehr eine Gesellschaft, die ein Zivilisationsniveau und ein Kulturinventar erreicht hatte, das etwa dem des niederen Dorfadels einer vorindustriellen Zeit entsprach.

Die wissenschaftliche Bearbeitung der Baubefunde von Haus 2 erfolgte im Rahmen der Diplomarbeit von Dr. med. Max Ciresa.

 

 

Fritzens, Funde
Fritzens-Pirchboden, Haus 2: Fundverteilung. - Grafik: Max Ciresa
Fritzens, Harfe
Fritzens-Pirchboden, Haus 2: Geschnitzter Stab aus Hirschgeweih mit raetischer Inschrift - vermutlich Teil einer Winkelharfe. Zeichnung: A. Blaickner.

Publikationen:
  • G. Tomedi, Grabungen der Universität Innsbruck an der eisenzeitlichen Siedlung auf dem Pirchboden (Müller-Eben) ober Fritzens. Heimatkundliche Blätter 6 (Wattens 1996) 11-15.
  • K. Oeggl, Das Luchner Moor . Pollenanalytische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte auf der Gnadenwaldterrasse im Raum Fritzens. In: Gedenkschrift für Franz Aufschnaiter. Heimatkundl. Bl. Wattens-Volders 8 (Wattens 1999) 55-64.
  • G. Tomedi/H. Appler, Erste Ergebnisse der Grabungen auf dem Pirchboden (Müller-Eben) bei Fritzens. Ein Forschungsprojekt der Universität Innsbruck und des Heimatkunde- und Museumsvereins Wattens-Volders. In: Gedenkschrift für Franz Aufschnaiter. Heimatkundl. Bl. Wattens-Volders 8 (Wattens 1999) 43-54.
  • G. Tomedi/H. Appler, Eine befestigte Höhensiedlung der Eisenzeit am Pirchboden ober Fritzens (Bez. Innsbruck-Land. In: J. Zeisler/G. Tomedi (Hrsg.), Archäologische Forschungen in Ampass/Grabungsberichte aus Tirol. ArchaeoTirol Kleine Schriften 2 (Wattens 2000) 124-125.
  • G. Tomedi, Zur vorgeschichtlichen Musik in Alttirol und im Südalpenraum. In: K. Drexel/M. Fink (Hrsg.), Musikgeschichte Tirols 1. Schlern-Schriften 315 (Innsbruck 2001)11-35.
  • G. Tomedi/H. Appler/M. Ciresa, Grabungen an der hallstatt- und latènezeitliche Siedlung am Pirchboden ober Fritzens. In: J. Zeisler/G. Tomedi (Hrsg.), Archäologische Forschungen und Grabungsberichte aus Tirol. ArchaeoTirol Kleine Schriften 3 (Wattens 2001) 179 f.
  • M. Ciresa, Das eisenzeitliche Haus 2 von Pirchboden (Müller-Eben) oberhalb Fritzens. Maschinschr. Diplomarbeit (Innsbruck 2003).

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